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Nach Zwangslandung in BelarusFlugverbote und Sanktionen

Nach der Zwangslandung eines Flugzeugs ist der Umgang mit Belarus Hauptthema des EU-Gipfels. Die Union stoppt nicht nur Milliarden-Investitionen.

Ursula von der Leyen und Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel Foto: John Thys/reuters

Brüssel taz | Die Europäische Union hat den Druck auf Belarus erhöht und neue Sanktionen gegen das Regime von Alexander Lukaschenko angekündigt. So soll der westeuropäische Luftraum für Fluggesellschaften aus Belarus gesperrt werden. Die EU kündigte auch Wirtschaftssanktionen sowie den Stopp von Investitionen in Höhe von 3 Milliarden Euro an. Details sollen in den nächsten Tagen folgen.

Nach der erzwungenen Landung einer Ryanair-Maschine in Minsk und der Festnahme des oppositionellen Bloggers Roman Protassewitsch könne man nicht zur Tagesordnung übergehen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem zweitägigen Sondergipfel in Brüssel, bei dem es auch um Russland und um die Klimakrise ging. „Dies ist ein Angriff auf die Demokratie“, erklärte von der Leyen. „Dies ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Und dies ist ein Angriff auf die europäische Souveränität.“ Protassewitsch müsse unverzüglich freigelassen werden.

Die 27 Staats- und Regierungschefs haben zudem alle Fluggesellschaften in der EU aufgerufen, Flüge über Belarus zu vermeiden. Lufthansa und Air France sind dem bereits nachgekommen. Genehmigungen für das Überfliegen des EU-Luftraums und Zugang zu EU-Flughäfen für belarussische Fluggesellschaften würden ausgesetzt, so der EU-Gipfel.

Es ist das erste Mal, dass Brüssel zu einem flächendeckenden Flugverbot greift. Auf einen ähnlichen Vorfall im Jahr 2013, bei dem die USA ein Flugzeug mit Boliviens Präsident Evo Morales zur Landung in Wien zwangen, hatte die EU nicht reagiert. Damals ging es um den Whistleblower Edward Snowden, der aber nicht an Bord war.

Merkel will die Nordstream 2

Der Fall des belarussischen Bloggers Protassewitsch sei ungeheuerlich und beispiellos, hieß es nun in Brüssel. Mit der Festnahme Protassewitschs wolle Lukaschenko alle unabhängigen Journalisten und Oppositionspolitiker einschüchtern – auch jene, die im Exil im EU-Ausland leben. Mit dem Fall Snowden sei dies nicht vergleichbar.

Die EU will nun ihre Unterstützung für die belarussische Opposition ausweiten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat vorgeschlagen, sie zum nächsten G7-Gipfel im Juni nach Cornwall einzuladen – so hatte es die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja gefordert. Das letzte Wort haben aber die britischen Gastgeber. Eine Warnung richteten die EU-Chefs auch an Russland. Nach einer „strategischen“ Aussprache verurteilten sie die „illegalen, provokativen und disruptiven russischen Aktivitäten gegen die EU“. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wurde aufgefordert, bis zum nächsten EU-Gipfel im Juni ein Papier mit politischen Optionen vorzulegen.

Dazu gehörten auch neue Russlandsanktionen. Einen Stopp der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 hatten auch jetzt einige EU-Politiker wieder gefordert, jedoch ohne Erfolg. Kanzlerin Angela Merkel hält an Nord Stream fest.

Merkel lehnte auch neue Beschlüsse zur Klimapolitik ab. Bei einer Aussprache über die europäischen Klimaziele verwies sie darauf, dass Deutschland bereits „in Vorleistung getreten“ sei. „Wir wollen Klimaneutralität bereits bis 2045 erreichen“, sagte sie.

Die EU-Kommission will am 14. Juli ein Gesetzespaket zur Klimapolitik vorlegen, um das Ziel einer Reduzierung der Treibhausgase um mindestens 55 Prozent bis 2030 zu erreichen („Fit for 55“). Umstritten ist, ob die Senkung der Emissionen an die Wirtschaftskraft eines Mitgliedslandes gebunden werden soll. Dann müsste Deutschland als größtes EU-Land auch den größten Beitrag leisten.

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12 Kommentare

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  • Wieso läßt sich die TAZ auf die propaganda von Putin und Lukaschenko ein?



    Die USA haben damals keine Militärjet geschickt, haben keine Bombendrohung vorgegaukelt und auch nicht ein Flugzeug daran gehindert, den eigenen Luftraum zu verlassen. Alles was passiert war, war dass die USA Verbündete dazu gebracht haben ihren Luftraum zu schließen BEVOR das Flugzeug eingegflogen war. Das ließ sich umfliegen, erforderte nur etwas mehr Sprit. Bei der entsprechenden Zwischenlandung in Wien wurde Morales noch mit einem gemeinsamen Frühstück mit dem österreichischen Staatschef belohnt.



    Da ist nichts vergleichbar!

  • @HANSS, @MARTIN25:

    Wenn die Lukaschenko-Regierung die Nummer ohne Putin durchgezogen haben soll, dann bin ich eine irische Fee.

  • Der Vergleich mit der Maschine von Morales wird mir der Sache nicht ganz gerecht. Bei der Entführung der Ryan Air Maschine wurde gezielt ein Systemkritiker und seine Freundin aus dem Flieger heraus verhaftet und mindestens Protassewitsch physisch misshandelt. Was mit seiner Freundin passiert (ist) möchte ich lieber nicht wissen. Das ist m.M. doch eine andere Nummer.

    • @Rainer Konrad:

      Stimmt. Snowden war damals gar nicht an Bord, aber auf der Ryanair befanden sich Personen, denen man habhaft werden wollte. Das ist der Unterschied.

  • 9G
    97627 (Profil gelöscht)

    Nicht nur die EU hatte nicht reagiert, lieber Autor:

    "Morales-Eklat



    Juristen geben Überflug-Verweigerern recht



    Durften europäische Staaten der Maschine von Evo Morales das Überflugsrecht verweigern und sie so zur Landung in Wien zwingen? Ja, sagen Rechtsexperten. Jede Nation herrscht über ihren eigenen Luftraum. Erst recht, wenn es um Staatsflieger geht."

    Die Presse in Deutschland schlug einen komplett anderen Ton an, wie z.B. der zitierte Spiegel.

  • Was muss sich die Putin-Regierung /noch/ leisten, damit die unsrige von NordStream 2 lässt?

    • 9G
      97627 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Hach, wenn die USA für die immer noch seit fast zwei Jahrzehnten Inhaftierten in Guantanamo, die da ohne Anklage gefoltert vergammeln, dieselbe Reaktion erhalten würden. Aber wir wissen ja, wie das in der EU gehandhabt wird. Damals schon durch Beihilfe beim Entführen. Oder wie z.B. durch die SPD bei Kurnaz.

    • 9G
      97627 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Putin ist Präsident von Belarus?

    • @tomás zerolo:

      Was hat Gazprom und NS2 mit Belarus zu tun? Gar nichts!

      Wo ist das Problem, wenn ein Flugzeug eine Zwischenlandung macht? Wurde doch bei der erzwungenen Umkehr einer weißrussischen Maschine nach Kiew zur Festnahme eines oppositionellen auch nicht als problematisch betrachtet.

      Ich finde es beängstigend, dass immer wieder ohne Zusammenhang nach einer Einstellung von NS2 geschrieen wird. Versucht man ein ungeliebtes Projekt jetzt auf Biegen und Brechen doch noch zu verhindern? Es regnet, deshalb sollten wir NS2 stoppen, die Sonne scheint, desalb sollten wir NS2 stoppen?

    • @tomás zerolo:

      Das ist genau die Frage, die unsere Kanzlerin nicht beantworten möchte ;-)

    • @tomás zerolo:

      In etwa so viel wie die Saudi-Arabische, damit man dort kein Öl mehr kauft. ...

  • Hm, ich habe die EU nicht verstanden, warum das mit Snowden damals etwas gaaanz anderes gewesen sein soll.

    (Es macht das, was jetzt passiert ist in keiner Weise besser: Beides ist krass.)