Nach Wahl von Laschet zum CDU-Chef: Merz lenkt ein – ein bisschen
Friedrich Merz ruft nun doch zur Unterstützung für den neuen CDU-Chef Laschet auf. Für viele Delegierte aber dürfte das zu spät kommen.
Merz war am Samstag auf den CDU-Parteitag bei der Wahl zum Vorsitzenden seinem Rivalen Laschet mit 55 Stimmen knapp unterlegen. Eine Kandidatur für das Parteipräsidium hatte er abgelehnt.
Anders als der dritte Kandidat, Norbert Röttgen, hatte Merz zunächst weder selbst gesagt, er werde Laschet nun unterstützen, noch hatte er seine AnhängerInnen dazu aufgefordert. Beides wären Signale gewesen, die die gespaltene Partei etwas hätten zusammen führen können. Stattdessen ließ Merz, kurz nachdem der Parteitag beendet war, per Twitter wissen, dass er Laschet anbiete, sofort als Wirtschaftsminister in die Bundesregierung einzutreten, was die Kanzlerin aber umgehend ablehnte.
Mit dieser Einlassung hatte Merz sogar bei seinen überzeugtesten AnhängerInnen für Unverständnis gesorgt. Carsten Linnemann, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und als Chef der Mittelstandsvereinigung so etwas wie ein Merz-Ultra, sagte ntv, der Merz-Vorstoß habe ihn „mehr als irritiert“. In seinem Brief schreibt Merz nun: „Ich bitte alle Delegierten, an der schriftlichen Schlussabstimmung teilzunehmen und unseren neuen Vorsitzenden Armin Laschet mit einem starken Votum auszustatten. Und dann gehen wir gemeinsam an die Arbeit.“
Sind die Briefe schon verschickt?
Aus rechtlichen Gründen müssen die Delegierten das Ergebnis der Abstimmung noch in einer Briefwahl bestätigen. Auf dem Wahlzettel wird aber nur noch Laschets Name stehen. Das Ergebnis, das am Freitag vorliegen soll, könnte also ein erster Stimmungstest für Laschet sein. Merz hatte die Latte dafür schon im Vorfeld des Parteitags hochgelegt: Bei der schriftlichen Wahl müsse der neue Parteichef mehr als 80 Prozent erreichen.
Seine Aufforderung, Laschet nun zu unterstützen, könnte für viele Delegierte zu spät kommen. Die CDU hatte die Delegierten aufgefordert, ihren Wahlbrief bis Montag um 18 Uhr einzuwerfen, damit er auch sicher bis Donnerstagabend in der CDU-Zentrale ankomme. Viele Delegierte dürften also längst abgestimmt haben, als Merz' Brief, der einer Mail von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak angehängt war, bei ihnen einging. Nach Informationen der ARD war dies am Montagabend gegen 21 Uhr. Was Merz mit dem Brief wirklich bezweckt und was er vorhat, bleibt also offen.
In seinem Brief schreibt Merz weiter, ihm sei vor einem Jahr von der damaligen CDU-Führung der Vorschlag unterbreitet worden, seine Mitarbeit sehr konkret einzubringen. „Ich war und bin für diesen Gedanken unverändert aufgeschlossen“, so Merz. „Zugleich bedauere ich sehr, dass in diesem Zusammenhang am Wochenende Irritationen um meine Person entstanden sind.“ Er wolle deutlich machen: „Auch ohne Amt werde ich mein Versprechen einlösen, für die Partei weiter engagiert zu arbeiten.“
In „dieser historischen Stunde“ der Coronapandemie dürfe man Deutschland nicht rot-rot-grünen Experimenten überlassen, so Merz weiter. Wenn die Partei nicht geschlossen sei, drohe Deutschland „in rechten Populismus oder grün-linken Neo-Sozialismus abzurutschen. Unserem Land würde schwerer Schaden zugefügt“. Zur Kanzlerkandidatur und seinen konkreten Plänen äußerte Merz sich nicht.
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