Nach Veröffentlichung des CIA-Berichts: Schutz Amerikas als Rechtfertigung
Justizminister Maas fordert eine Strafverfolgung der Verantwortlichen. Kritik kommt aus China und dem Iran. Drei Ex-CIA-Chefs beteuern: Folter habe Leben gerettet.
BERLIN/WASHINGTON rtr | Die Enthüllungen in dem Bericht des US-Senats über brutale Verhörmethoden der CIA haben weltweit für Empörung gesorgt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach am Mittwoch von einer „groben Verletzung demokratischer Werte“.
Justizminister Heiko Maas forderte, alle Beteiligten müssten strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Ähnlich äußerte sich der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Ben Emmerson. Eine Gruppe ehemaliger CIA-Chefs wies dagegen den Bericht als fehlerhaft und einseitige Darstellung zurück.
Maas sagte zu Bild, die Folterpraxis der CIA sei grauenhaft. „Solche Methoden sind durch nichts gerechtfertigt.“ Steinmeier sagte ebenfalls zu Bild: „Was damals im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus für richtig befunden und dann getan wurde, war inakzeptabel und ein schwerer Fehler.“ Eine solch „grobe Verletzung unserer freiheitlichen, demokratischen Werte“ dürfe sich nicht wiederholen.
Die „neue Offenheit Washingtons“, Fehler einzugestehen und öffentlich zu versprechen, dass so etwas nie wieder geschehen werde, sei jedoch „ein wichtiger Schritt, den wir begrüßen“. Die EU-Kommission erklärte, die Zusage von Präsident Barack Obama, dass solche Praktiken nie wieder angewendet würden, solle in ein Gesetz gefasst werden.
Ex-CIA-Chefs: „Tausende Leben gerettet“
Der US-Senat hatte am Dienstag die Ergebnisse einer fünfjährigen Überprüfung von mehr als 6,3 Millionen Seiten an CIA-Dokumenten präsentiert. Der Bericht hebt hervor, dass der Geheimdienst bei Verhören von Gefangenen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 brutaler vorgegangen sei, als es erlaubt gewesen sei und als die CIA es vor der Regierung und der Öffentlichkeit zugegeben habe.
Verwiesen wird auf Praktiken wie simuliertes Ertränken („waterboarding“) oder tagelanger Schlafentzug. In keinem einzigen Fall sei die CIA dadurch an Informationen gelangt, die eine „unmittelbar bevorstehende Terror-Bedrohung“ ausgeschaltet hätten.
Dagegen verwahrten sich die Ex-CIA-Direktoren George Tenet, Porter Goss und Michael Hayden sowie drei ehemalige stellvertretende Chefs des Geheimdienstes im Wall Street Journal. Der Bericht des Senats sei ein Angriff auf die Behörde, „die nach den Angriffen vom 11. September 2001 am meisten zum Schutz Amerikas getan hat“. Durch die Verhöre sei man an Informationen gekommen, die Tausenden das Leben gerettet hätten. Wie in allen Kriegen habe es zweifelsohne Dinge gegeben, die nicht hätten passieren sollen. Solche Vorfälle seien aber dem Generalinspekteur der CIA oder dem Justizministerium gemeldet worden.
Strafverfolgung ist unwahrscheinlich
Litauens Ministerpräsident Algirdas Butkevicius forderte die USA auf, endlich zu sagen, ob die CIA in seinem Land ein Geheimgefängnis zur Folter von Gefangenen betrieben habe. Der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski räumte ein, während seiner Amtszeit US-Geheimagenten die Nutzung einer Einrichtung auf polnischem Gebiet erlaubt zu haben. Er habe aber nicht gewusst, was dort konkret passiert sei. Dem Senatsbericht zufolge wurden Al-Kaida-Verdächtige in Polen in einer von der CIA geführten Einrichtung in einer Art verhört, die nach Auffassung von Menschenrechtsgruppen auf Folter hinausläuft.
Auch Staaten, denen selbst regelmäßig Verstöße gegen Menschenrechte vorgeworfen werden, nutzten den Bericht für scharfe Kritik an den USA. Auf einem Twitter-Konto, über das Mitteilungen des politischen und religiösen Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, verbreitet werden, war zu lesen, der Senatsbericht zeige, dass die US-Regierung ein „Symbol der Tyrannei gegen die Menschlichkeit“ sei. Das Außenministerium in Peking erklärte, die USA sollten „ihre Methoden korrigieren“ und „aufrichtig die Regeln entsprechender internationaler Konventionen respektieren und befolgen“.
Auch Vertreter von Menschenrechtsorganisationen forderten Konsequenzen. So sagte der Direktor der American Civil Liberties Union, Anthony Romero, der Senatsbericht liefere eine Blaupause für eine mögliche Strafverfolgung. Dass es dazu kommt, ist jedoch nach Auffassung von Experten höchst unwahrscheinlich. Obama, der umstrittene Verhörpraktiken nach seinem Amtsantritt 2009 verboten hatte, sagte, der Bericht solle nicht ein weiterer Grund zum ausfechten „alter Argumente“ sein. Er hoffe vielmehr, dass die Praktiken dort gelassen werden könnten, „wo sie hingehören - in der Vergangenheit“.
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