Nach Überschwemmungen in Colorado: Es droht eine Umweltkatastrophe
Schwerer Überschwemmungen in Colorado: Nun verseuchen Rohöl, Chemikalien und vergiftetes Wasser an Fracking-Bohrstellen die Umwelt.
WASHINGTON taz | Mindestens acht Menschen sind tot, Hunderte werden vermisst, Brücken sind eingestürzt, Landstraßen sind gerissen und mehr als 20.000 Häuser sind durch die Wassermassen beschädigt worden, die in den vergangenen Tagen über den US-Bundesstaat Colorado flossen.
Doch der Schaden mit den möglicherweise langfristigsten Auswirkungen ist bislang erst in Ansätzen erfasst: Die Flut am östlichen Fuß der Rocky Mountains hat ein Gebiet mit Tausenden von Öl- und Gasbohrlöchern getroffen. Sie hat Öl- und Abwassertanks aus der Verankerung gerissen. Unbekannte Mengen von krebserzeugenden und hormonaktiven Substanzen wurden freigesetzt. Nach gegenwärtigen Informationen entstanden zehn Öllecks. Eine Ölpipeline wurde zerstört.
Mindestens 1.900 Bohrstellen in dem am schwersten betroffenen County seien zu Beginn der Flutwelle in der vergangenen Woche verriegelt worden, versicherte Tisha Schuller, Chefin der Gas-und-Öl-Vereinigung in Colorado, Coga (Colorado Oil and Gas Association). Es sei „zu früh“, um das Ausmaß des Schadens zu beziffern, sagte sie.
Doch der Antifrackingaktivist Cliff Willmeng hält dagegen. Er ist durch das überschwemmte Land gefahren und hat Hunderte von überschwemmten Bohrstellen in Augenschein genommen. Er fotografierte umgekippte Bohrtürme, unkontrolliert im Wasser schwappende Öl- und Abwassertanks und Öllachen. Willmeng von der Bürgerinitiative East Boulder County United spricht bereits von einer Umweltkatastrophe.
Geschlossener Ölfilm auf dem Wasser
Luftaufnahmen, die Reporter der Denver Post machten, bestätigen seine Befürchtung. Die Bilder, die über einer Bohranlage bei Milliken entstanden sind, zeigen einen geschlossene Ölfilm, der auf dem Wasser liegt. Die Reporter haben aus der Luft zwei schwimmende Barrieren und keine Einsatztruppen gesehen.
Milliken ist nur eine von 50.000 Bohrstellen im Bundesstaat Colorado. Unter ihnen sind konventionelle und Frackingbohrungen. Beim Fracking wird ein Cocktail aus Sand, Wasser und Chemikalien horizontal durch den Untergrund geschossen, um das Gestein zu brechen und Gas und Öl freizusetzen. Bei beiden Bohrmethoden kommen große Mengen vergifteten Brackwassers an die Oberfläche. Vor der Entsorgung dieses Wassers wird es an Ort und Stelle in Tanks gelagert. Die exakte Zusammensetzung der Chemikalien ist ein „Handelsgeheimnis“.
Die weniger als 20 Öl- und Gasinspektoren in Colorado, die schon in normalen Zeiten hoffnungslos mit der Öl- und Gasbohrstellen überfordert sind, müssen jetzt die Folgen einer Flut ermitteln, die nach Ansicht des nationalen Wetterdienstes der USA „biblische Ausmaße“ hat. Umweltforscher hingegen erklärten das für den Spätsommer ungewöhnliche Ereignis mit dem Klimawandel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?