Nach Schüssen auf schwarzen Teenager: Who’s next?
Die Protestformen gegen die Erschießung von Michael Brown reichen von Mahnwachen bis Plünderungen. Seine Mutter mahnt zu Gewaltfreiheit.
NEW YORK taz | Michael Brown war jung, unbewaffnet und schwarz. Freunde nannten ihn einen „gentle giant“ – einen sanften Riesen. In dieser Woche wollte er das Studium an der Technischen Hochschule beginnen. Am Samstagmittag, als er er mit einem Freund unterwegs zu seiner Oma war, wurde er von einem Polizisten auf offener Straße erschossen. Michael Brown hielt beide Arme hoch, als ihn die Kugeln trafen. Der 18-Jährige ist das neueste Opfer in einer makabren Reihe von toten jungen Männern in den USA.
Seit den Schüssen ist der Ort Ferguson in Aufruhr. Mahnwachen mit Kerzen und Gebeten, nächtliche Plünderungen und politische Demonstrationen lösen sich ab. „Ich bin Mike“, rufen die einen. „Nur ein toter Polizist ist ein guter Polizist“, die anderen. Die Polizei fährt in gepanzerten Wagen durch die Straßen mit den ausgebrannten Geschäften, den eingeschlagenen Fensterscheiben und leer geräumten Regalen. Sie tritt den Trauernden, Plündernden und Demonstrierenden mit Helmen, Schilden und bellenden Hunden gegenüber. Von der Ostküste sind die Spitzen der Anti-Rassismus-Organisationen nach Missouri eingeflogen. In Washington hat das FBI Ermittlungen wegen „möglicher Verletzungen von Bürgerrechten“ übernommen und sich das Justizministerium mit eigenen Untersuchungen eingeschaltet.
Augenzeugen beschreiben eine Szene sinnloser Polizeigewalt. Dorin Johnson, der Freund, sagt, dass beide auf der Straße gingen. Die Polizei sei gekommen und wies die beiden Jungen harsch zurecht: „Get the fuck off the road“. Eine junge Frau sah, wie ein Polizist versuchte, Brown in den Polizeiwagen zu zerren. Er machte sich los und lief mit erhobenen Armen davon, sagt die Zeugin Piaget Crenshaw. Dann habe der Polizist zu schießen begonnen.
Wie viele Kugeln den Körper des Jugendlichen trafen, ist unklar, obwohl die Obduktion schon am Sonntag stattgefunden hat – von „bis zu zehn“ ist die Rede. Ein Augenzeuge beschreibt einen „weißen“ Polizisten. Aber die Behörden haben bis Dienstag nicht gesagt, wer der Todesschütze ist. Sie geben nur bekannt, dass er vom Dienst suspendiert und im bezahlten Urlaub ist. „Dies sind schwierige Ermittlungen“, sagt Polizeichef Jon Belmar. Er bittet um „Geduld“ und „Ruhe“.
„Hier gibt es nichts zu beschönigen“
In Ferguson scheint die Zeit seit der Bürgerrechtsbewegung stillgestanden zu sein. 70 Prozent der Einwohner sind schwarz. Aber die große Mehrheit der örtlichen Würdenträger ist weiß. Vor dem Hintergrund eines ausgebrannten Geschäfts sagt ein schwarzer junger Mann am Morgen nach den Plünderungen vor einer Fernsehkamera: „Sie dürfen sich nicht wundern.“ Er erinnert an die Sklaverei. Und daran, dass Missouri der letzte Staat in der Union war, der sie abgeschafft hat.
Die von Schmerz überwältigte Mutter des toten Jungen, Lesley McSpadden, appelliert an die Jugendlichen, mit der Randale aufzuhören. „Michael würde das nicht wollen“ sagt sie. Der Präsident der schwarzen Bürgerrechtsgruppe NAACP erinnert an Martin Luther King. „Mut“, sagt Cornell Brooks, „bedeutet, tagsüber für Gerechtigkeit zu kämpfen. Nicht nachts zu stehlen.“
Unmittelbar nach den Todesschüssen kritzelte Louis Head, der Vater des Toten, ein paar Worte auf einen Karton, mit denen er sich auf die Straße stellte: „Die Polizei hat soeben meinen unbewaffneten Jungen exekutiert.“
Zwei Tage später übernimmt ein Anwalt die rechtliche Vertretung der Familie, der vor zwei Jahren die Angehörigen des 17-jährigen Trayvon Martin vertrat, der, als er sich Bonbons gekauft hat und auf dem Heimweg war, von einem bewaffneten Wachschützer erschossen wurde. „Hier gibt es nichts zu beschönigen“, sagt Anwalt Benjamin Crump auf einer Pressekonferenz – und gibt dem Vater des toten Jungen recht.
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