Nach Moscheen-Anschlag in Neuseeland: Australien ahndet Terrorvideos
Internetplattformen sollen jetzt für Terrorinhalte zur Verantwortung gezogen werden können. Es drohen hohe Geldstrafen oder Haft.
Das Gesetz ist eine Reaktion auf den Terroranschlag durch einen Rechtsextremisten in Neuseeland. Der gebürtige Australier hatte in der Stadt Christchurch in zwei Moscheen insgesamt 50 Menschen erschossen. Den Anschlag übertrug der 28-Jährige mit einer auf einem Helm montierten Kamera live auf Facebook. Ein 17 Minuten dauerndes Video des Verbrechens wurde von verschiedenen Nutzern bis zu 1,5 Millionen mal weiterverbreitet. Auszüge sind bis heute im Internet zu finden. Der Australier wurde am Donnerstag offiziell des 50-fachen Mordes angeklagt.
Wie Justizminister Christian Porter meinte, dürften es Internetplattformen nicht zulassen, dass sie zur Verbreitung von „Hass und Terror“ benutzt werden. Dem neuen Gesetz nach müssen Anbieter wie Facebook und YouTube mit Bußen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar oder zehn Prozent ihres globalen Umsatzes rechnen, sofern sie entsprechendes Material nicht unverzüglich aus ihrem Dienst entfernen. Fehlbaren Managern und Entscheidern drohen bis zu drei Jahre Haft.
Der schnelle Durchgang des Gesetzes und der Mangel an Beratung hat australische Juristen alarmiert. Die Freiheit von Medien und sogenannten Whistleblowern sei durch die „schlecht durchdachten“ Gesetze gefährdet, so der Berufsverband Law Council of Australia. „Ohne Überprüfung“ durch Fachleute und interessierte Parteien seien die Gesetze „in 24 Stunden durch das Parlament gerammt worden“, so die Juristen.
Schlag für Internetindustrie
Laut den Experten könnten nun „wichtige Informationen über verschiedene soziale Medienplattformen zensiert werden. Das widerspricht dem demokratischen Prinzip der freien Presse. Dieses wiederum gibt es, um Regierungen zur Verantwortung ziehen zu können.“ Die Juristen fordern das Parlament auf, die Gesetze zu überarbeiten. Solche wichtigen Entscheide müssten das Ergebnis eines „Konsulationsprozesses“ sein.
Für die Internetindustrie in Australien sind die neuen Gesetze ein weiterer Schlag. Im Dezember hatte das Parlament ein Gesetz verabschiedet, nachdem Softwareanbieter, Messaging-Dienstleister wie WhatsApp und Gerätehersteller künftig von Geheimdiensten und Polizei gezwungen werden können, ihnen Zugang zu verschlüsselten Mitteilungen Verdächtiger zu verschaffen. Technologieanbieter können sogar angewiesen werden, auf den Geräten Verdächtiger von Geheimdiensten entwickelte Software zu installieren. Die Industrie warnte damals vor der Gefahr der „Schädigung des Rufes australischer Softwareentwickler und Hardwarehersteller in internationalen Märkten“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr