piwik no script img

Nach Landtagswahl in BrandenburgVerlierer und Regierer

Die SPD sieht sich durch das Brandenburger Wahlergebnis gestärkt. Grüne und FDP machen die Grenzen ihrer Arbeit in der Ampel deutlich.

Lars Klingbeil und Dietmar Woidke während ihrer Pressekonferenz nach der SPD-Vorstandssitzung am Montag Foto: dts Nachrichtenagentur/imago

Berlin taz | Gewisse Gemeinsamkeiten zwischen dem Brandenburger Wahlsieger Dietmar Woidke und dem Bundeskanzler Olaf Scholz sind nicht zu leugnen: Die Frisur zum Beispiel, aber auch die Tatsache, dass beide zum rechten Flügel der SPD zählen. Doch da hört es auch schon auf. Im Gegensatz zu Woidke, der die Wahl in Brandenburg am Sonntag mit mehr als 30 Prozent gewann, sprachen sich zuletzt in einer Umfrage nur 3 Prozent für die von Scholz geführte Ampelregierung im Bund aus.

Dennoch gab der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil bestärkt durch die physische Präsenz des Brandenburger Wahlsiegers am Montag in der Berliner Parteizentrale die Parole aus: „Ich will die Bundestagswahl gewinnen.“ Und zwar mit Olaf Scholz. In der Führung herrsche Klarheit, dass man mit Scholz in den Wahlkampf ziehen wolle. „Da gibt es gar kein Wackeln.“

Und diese Klarheit sei dann auch eine Entscheidung. Selbst Woidke, der in den letzten Monaten auf Distanz zum Kanzler gegangen war, rang sich das Bekenntnis ab: „Der Bundeskanzler ist der gesetzte Kanzlerkandidat der SPD – wie soll’s denn anders sein.“

Dass die Debatte um die K-Frage in der SPD damit beendet ist, ist jedoch nicht zu erwarten. Offiziell nominiert werden soll Scholz erst auf dem Parteitag im Juni 2025. Zuvor ist er also Kandidat auf Bewährung. Das ließ auch Klingbeil durchblicken: Die Wahl 2025 werde kein Selbstläufer. „2021 wiederholt sich nicht. Wir haben unsere Aufgaben zu erledigen.“ Noch deutlicher wurde Generalsekretär Kevin Kühnert am Vorabend. Die SPD müsse geschlossen kämpfen, „der Kanzler eingeschlossen“.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Kampfansage oder Motivationsschub?

Eine Kampfansage an Scholz? Eher ein Motivationsschub. Scholz agiere unter Druck am besten, heißt es aus der SPD-Spitze, also ziehen Klingbeil und Kühnert die Schraube etwas an. Wobei Scholz das zunächst nur von fern spürt, er weilt beim UN-Zukunftsgipfel in New York und äußerte sich nur knapp: „Ist doch super, dass wir gewonnen haben.“

Aber nicht nur der Kanzler muss in die Puschen kommen. Auch die SPD hat ein paar Dinge zu klären: Mit welcher Erzählung geht sie in den Wahlkampf? Erste Antworten will der Vorstand auf einer dreitägigen Klausur ab dem 12. Oktober liefern.

Ich hoffe, dass niemand in der Koalition auf die Idee kommt, vor Verantwortung wegzurennen.

Lars Klingbeil, SPD-Co-Vorsitzender

Die vielleicht wichtigste Frage lautet jedoch: Wie geht’s weiter in der Ampel? Geht es nach der SPD, dann beginnt der eigentliche Wahlkampf erst in einem Jahr, zuvor will man noch ein paar Dinge hinkriegen: das Tariftreuegesetz etwa, das öffentliche Aufträge nur für Unternehmen vorsieht, die faire Löhne zahlen, und die Verabschiedung des Rentenpakets, welches das Rentenniveau bei 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes stabilisieren soll. Letzteres machte der SPD-Chef sogar zur Bedingung: „Spätestens mit der Verabschiedung des Haushalts muss das Rentenpaket durch sein.“

Größter Unsicherheitsfaktor ist dabei die FDP, die am Sonntag mit 0,8 Prozent der Stimmen in Brandenburg eine historische Wahlniederlage erlitten hatte. FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete das Ergebnis am Montag als „ernüchternd“ und kündigte einen „Herbst der Entscheidungen“ an. Für die Liberalen müsse die Frage geklärt werden, ob die Ampelregierung bei der weiteren Restriktion von Migration, bei Wirtschaftswachstum und beim Haushalt auf einen gemeinsamen Nenner komme. Zwar distanzierte er sich von Aussagen seines Parteivizes Wolfgang Kubicki, der gemeinsame Lösungen bei Wirtschaftsfragen „in den nächsten 14 Tagen“ gefordert hatte und ansonsten für die Liberalen „keinen Sinn mehr“ sah, an der Ampel mitzuwirken.

Klingbeil warnt Liberale

Lindner sprach dagegen von „Mut“, den die Arbeit in der Regierung erfordere, und stellte in Aussicht: „Mut wäre auch, wenn man die Grenzen des Möglichen erreicht, eine neue Dynamik zu entfachen.“ Beim Tariftreuegesetz säte er schon mal Zweifel: Der vorliegende Entwurf entspräche nicht der Verabredung aus dem Koalitionsvertrag nach einer bürokratieschonenden Umsetzung.

Klingbeil warnte die Liberalen davor, die Grenzen zu sehr auszureizen: „Ich hoffe, dass niemand in der Koalition auf die Idee kommt, vor Verantwortung wegzurennen.“

Für die Grünen sicherte Parteichef Omid Nouripour pflichtschuldig zu: Die Arbeit werde zwar weitergehen. „Das ist es auch dann.“ Sein Herz hänge nicht mehr an der Koalition. Auch die Grünen hat es am Sonntag aus dem Potsdamer Landtag gekegelt. Zwei Wahlverlierer und ein Sieger – keine guten Voraussetzungen für einen Neustart in der Ampel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die SPD könnte in Brandenburg mit dem BSW koalieren, will aber erst mit der CDU sprechen. Die will zwar reden – aber nicht mit den beiden mitregieren.

    ---

    Erst mithelfen "die Karre vor die Wand zu fahren" & sich dann vor der Verantwortung "drücken"?

    Wenn sich das bei der BuTa-Wahl wiederholt, was bleibt dann von den "Versprechungen" des CDSU als ganzes & unserm Fritz im besonderen?Die SPD könnte in Brandenburg mit dem BSW koalieren, will aber erst mit der CDU sprechen. Die will zwar reden – aber nicht mit den beiden mitregieren.

    ---

    Erst mithelfen "die Karre vor die Wand zu fahren" & sich dann vor der Verantwortung "drücken"?

    Wenn sich das bei der BuTa-Wahl wiederholt, was bleibt dann von den "Versprechungen" des CDSU als ganzes & unserm Fritz im besonderen?

  • "...die FDP, die am Sonntag mit 0,8 Prozent ...."

    Experten sprechen von der strikt monoton fallenden Folge der FDP-Ergebnisse. Derartige Folgen konvergieren. Sind sie aber erst einmal bei 0,8 sollte man die Koffer packen. Unter 0 wird's richtig kalt.

    • @Nairam:

      F ällt



      D urch



      P rüfung



      durch das Wahlvolk....



      Ich bestell schon mal den Single Malt 18J. für die Nachwahlparty 2025....



      Die geschmähten ÖR-Sender sollten schon mal eine weitere Folge von "Das ist dann mal weg" drehen. So wie über gehäkelte Klorolle,



      Wackeldackel und Antennen-Fuchsschwanz...

  • In fast allen Analysen der Brandenburg Wahl steht, dass sich der Frust - ob berechtigt oder oder, lass ich jetzt mal weg - in der Wahl von Afd und BSW geäußert hat. Man fühlt sich nicht gesehen, gehört und wählt Faschisten oder Autokratin.



    Dabei hätten die Brandenburger ja die freien Wähler mit Stimmen zuschütten können. Lokale Leute, lokale Themen, überall im Land aktiv. Das Argument, die "etablierten" bringen es nicht, alles Wessis, es gibt doch nur die extremen Alternativen ist einfach falsch. Es gibt sie, sie standen auf dem Wahlzettel.



    Aber die Brandenburger haben trotzdem die Extremisten gewählt. Es geht also nicht um das gehört-gesehen-werden. Es geht um etwas anderes.

  • Die Zahlen sagen, wer Verlierer ist. Noch offen, ob das taktische Manöver von Woidke nicht ein Pyrrhussieg ist. Nun muss er mit einer Egomanin klar kommen, die den Preis diktieren wird. Neuwahlen nicht ausgeschlossen. Dann beginnt das Spiel von vorne. Und 2. Mal wird es vermutlich keine Leihstimmen geben mit dem Ergebnis, dass dann die AfD vorne liegt. Mit offenem Ausgang.