Nach Kommunalwahlen in Hessen: Das RAF-Mitglied im Ortsbeirat
Wolfgang Grundmann war mal bei der Rote Armee Fraktion. Jetzt sitzt er im Ortsbeirat von Marburg-Weidenhausen. Wie kam es dazu?
Wirklich überrascht hat es niemanden. Das ehemalige RAF-Mitglied Wolfgang Grundmann (68) ist für die SPD in den Ortsbeirat von Marburg-Weidenhausen gewählt worden – von fast der Hälfte der 800 Einwohner. Grundmann saß vor 44 Jahren eine dreijährige Haftstrafe ab. Die örtliche CDU ist empört. Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Sascha Hörmann (35) stellt sich hinter Grundmann.
taz: Herr Hörmann, ein ehemaliges RAF-Mitglied im Ortsbeirat eines 800-Einwohner-Stadtteils – das klingt abenteuerlich. Ist es das auch?
Sascha Hörmann: Für mich nicht. Herr Grundmann wurde vor mehr als vier Jahrzehnten wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt und hat seine Strafe abgesessen – damit muss er als resozialisiert gelten. Er ist heute ganz offensichtlich jemand, der durch politische Gremienarbeit seinen Stadtteil verändern möchte.
Waren Sie überrascht, dass Herr Grundmann bei der Kommunalwahl von allen Kandidaten die meisten Stimmen bekommen hat?
Nein. Er stammt aus dem Ortsteil, ist hier stark verwurzelt und sehr bekannt. Auch deswegen haben wir ihn aufgestellt. Als jemand, der zuhört und sich einbringt, ist er der geeignetste Kandidat gewesen – das sahen die Wählerinnen und Wähler offensichtlich genauso.
Wessen Idee war es ihn aufzustellen?
Die des Vorstands der Weidenhäuser SPD und die von Grundmann selbst. Wir kennen und verstehen uns. Der Stadtteil hat nicht viele Straßen. Auch deshalb kennt man hier seine Vergangenheit.
Von der CDU kam trotzdem harte Kritik. Wie gehen Sie damit um?
Herr Grundmann hat das aktive und passive Wahlrecht. Das kann ihm die Marburger CDU nicht absprechen. Und das sahen die Wählerinnen und Wähler offensichtlich auch nicht anders.
Was erwartet die Weidenhäuser, wenn Herr Grundmann Ortsvorsteher wird?
Sobald sich das Gremium konstituiert wissen wir, ob die Weidenhäuser SPD mit Herrn Grundmann den ersten Ortsvorsteher stellen darf. Er hat auch mit 68 Jahren noch viele Ideen, den Stadtteil zu verändern. Dabei liegen ihm vor allem der soziale Zusammenhalt und die wirtschaftliche Entwicklung am Herzen.
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