Nach Jan Fleischhauers „Nazis rein“: Sascha Lobos Replik
Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer wünscht sich Nazis rein. Sein Kollege und Interneterklärer Sascha Lobo findet das nicht so cool.
![Sascha Loco, Kennzeichen roter Iro, spricht bei einer Veranstaltung Sascha Loco, Kennzeichen roter Iro, spricht bei einer Veranstaltung](https://taz.de/picture/3209364/14/102386853.jpeg)
Wie konnte er nur, der Fleischhauer? Eine Kolumne im Spiegel schreiben, mit dem Titel „Nazis rein“ – und das auch noch im aktuellen politischen Klima? So raunte es tagelang durch die sozialen Netzwerke. Aber für eine echte Replik auf Jan Fleischhauers Text musste dann wieder der Mann ran, dem man vor Jahren einmal das Etikett „Klassensprecher des Internets“ anklebte hatte: Sascha Lobo.
„‚Nazis rein‘ überhaupt schreiben zu können, selbst als provokante Pose, geht nur, wenn man persönlich durch Nazis nicht für seine schiere Existenz physisch bedroht wird“, schreibt Lobo auf Spiegel Online, wo er, wie Fleischhauer, seit Jahren wöchentlich kolumniert. „Es handelt sich um die Goldmedaille in Privilegien-Blindheit am dreisten Band.“
Fleischhauer beklagte, ein Slogan wie „Nazis raus“ drohe denen, die als zu rechts gälten, mit dem „totalen gesellschaftlichen Ausschluss“. Dessen Argumentation jedoch nannte Lobo eine „textliche Turnübung, um die abstruse Überschrift in eine nicht-rechtsextreme Richtung zu wenden“. Fleischhauer ginge es vornehmlich um die „Eskalation“ qua Überschrift, um die Definition Rechter über die Empörung Nicht-Rechter.
Zur Erinnerung: Mitte der Nullerjahre, da war Sascha Lobo dieser launige Typ, der allen und deren Müttern das Web 2.0 erklärte. Und manchmal sogar auch das Internet. Keine Talkshow, in die der 1975 geborene Ex-Werber Lobo sich nicht setzte, kein Social-Media-Zeug, das er nicht kommentierte. Zu omnipräsent, zu sendungsbewusst – die Netz-Menschen dieser Jahre hatten viel an ihm herumzumäkeln, kamen aber auch nicht darum herum, dass er halt derjenige war, der oft machte, wofür sie sich zu schade waren.
Doch irgendwann wollte Lobo mehr sein als dieser Frisurenträger mit dem Internet, mehr als der Erfinder des Begriffs „digitale Boheme“ für Freelancer mit Laptop. Der öffentliche Lobo äußerte sich immer politischer. Nach den Snowden-Enthüllungen wütete er ausdauernd gegen staatliche Überwachung im Digitalen, mit dem Aufstieg von AfD und ihren Nebenerscheinungen wurde er als Demokrat immer besorgter, wütender und lauter.
Immer wieder plädierte er für eine argumentative Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden. Worauf Fleischhauer allerdings wenig Lust hat. Der nämlich preist in seiner jüngsten Kolumne nicht nur die Vorteile „wenn man unter sich bleibt“, sondern nennt es „völlig unsinnig, einen Fahrensmann wie Sascha Lobo zu kritisieren, dessen Texte im Wesentlichen der Tugend-Anzeige dienen“.
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