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Nach Jan Fleischhauers „Nazis rein“Sascha Lobos Replik

Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer wünscht sich Nazis rein. Sein Kollege und Interneterklärer Sascha Lobo findet das nicht so cool.

Immer wieder plädiert Lobo für eine argumentative Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden Foto: dpa

Wie konnte er nur, der Fleischhauer? Eine Kolumne im Spiegel schreiben, mit dem Titel „Nazis rein“ – und das auch noch im aktuellen politischen Klima? So raunte es tagelang durch die sozialen Netzwerke. Aber für eine echte Replik auf Jan Fleischhauers Text musste dann wieder der Mann ran, dem man vor Jahren einmal das Etikett „Klassensprecher des Internets“ anklebte hatte: Sascha Lobo.

„‚Nazis rein‘ überhaupt schreiben zu können, selbst als provokante Pose, geht nur, wenn man persönlich durch Nazis nicht für seine schiere Existenz physisch bedroht wird“, schreibt Lobo auf Spiegel Online, wo er, wie Fleischhauer, seit Jahren wöchentlich kolumniert. „Es handelt sich um die Goldmedaille in Privilegien-Blindheit am dreisten Band.“

Fleischhauer beklagte, ein Slogan wie „Nazis raus“ drohe denen, die als zu rechts gälten, mit dem „totalen gesellschaftlichen Ausschluss“. Dessen Argumentation jedoch nannte Lobo eine „textliche Turnübung, um die abstruse Überschrift in eine nicht-rechtsextreme Richtung zu wenden“. Fleischhauer ginge es vornehmlich um die „Eskalation“ qua Überschrift, um die Definition Rechter über die Empörung Nicht-Rechter.

Zur Erinnerung: Mitte der Nullerjahre, da war Sascha Lobo dieser launige Typ, der allen und deren Müttern das Web 2.0 erklärte. Und manchmal sogar auch das Internet. Keine Talkshow, in die der 1975 geborene Ex-Werber Lobo sich nicht setzte, kein Social-Media-Zeug, das er nicht kommentierte. Zu omnipräsent, zu sendungsbewusst – die Netz-Menschen dieser Jahre hatten viel an ihm herumzumäkeln, kamen aber auch nicht darum herum, dass er halt derjenige war, der oft machte, wofür sie sich zu schade waren.

Doch irgendwann wollte Lobo mehr sein als dieser Frisurenträger mit dem Internet, mehr als der Erfinder des Begriffs „digitale Boheme“ für Freelancer mit Laptop. Der öffentliche Lobo äußerte sich immer politischer. Nach den Snowden-Enthüllungen wütete er ausdauernd gegen staatliche Überwachung im Digitalen, mit dem Aufstieg von AfD und ihren Nebenerscheinungen wurde er als Demokrat immer besorgter, wütender und lauter.

Immer wieder plädierte er für eine argumentative Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden. Worauf Fleischhauer allerdings wenig Lust hat. Der nämlich preist in seiner jüngsten Kolumne nicht nur die Vorteile „wenn man unter sich bleibt“, sondern nennt es „völlig unsinnig, einen Fahrensmann wie Sascha Lobo zu kritisieren, dessen Texte im Wesentlichen der Tugend-Anzeige dienen“.

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8 Kommentare

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  • "Tugend-Anzeige" -- wird Fleischhauer demnächst dann mal von SPON entfernt? Wo er doch eindeutig rechtes Wording aus den USA übernimmt (und ziemlich hässlich endeutscht)? Von "Virtue Signalling" sprechen in den USA hauptsächlich diese Männer mit den Tiki-Torches, die 'Jews will not replace us!' brüllen. Aber hier scheint so etwas schlicht ein Debattenbeitrag zu sein. Könnte mensch auch mal drüber nachdenken.

    • @LajosH:

      Der bringt VIEL zu viele Klicks, als dass der Spiegel sich seiner entledigen würde.

  • „textliche Turnübung, um die abstruse Überschrift in eine nicht-rechtsextreme Richtung zu wenden“

    Dass mit dem textlichen Turnen sollte Herr Fleischhauer unterlassen!

  • Das Problem von Fleischhauer ist, dass er sich und seine intellektuellen Fähigkeiten maßlos überschätzt. Tiefgründige Analysen findet man dort eher nicht

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    „völlig unsinnig, einen Fahrensmann wie Sascha Lobo zu kritisieren, dessen Texte im Wesentlichen der Tugend-Anzeige dienen“

    Da würde ich dem so zitierten Fleischhauer zustimmen, verteidigt Lobo die Höhle (frei nach Platon) mit aktuell angesagter, politisch korrekter Tugend.

    Nichts für alte 68er (like me), die sich darob und aktuell gern mal dem Querfront-Vorwurf stellen (müssen).

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Vereinzelte Enttäuschungen sind bei den alt-"68er"n nun ja durchaus schon vorgekommen.

      • 9G
        90857 (Profil gelöscht)
        @Pancho:

        Das mag schon sein, "vereinzelte Enttäuschungen" gab es durchaus.

        Das Schöne jedoch ist, und soweit der damals gern proklamierte lange Marsch durch die Institutionen halbwegs erfolgreich war, dass man von den neulinken McCarthys ökonomisch nicht (mehr) infrage gestellt werden kann.

        Fleischhauer wird das ähnlich sehen ...

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Ich nehme Lobo, nicht Fleischhauer. Da weiß ich, was ich hab'.