Nach Giffeys Rücktritt als Ministerin: Ein Neustart

Wenige Monate vor der Bundestagswahl gibt Franziska Giffey ihren Ministerposten auf. Ihre politische Karriere will sie nicht beenden.

Dr, Giffey steht auf einem Schild, der Platz dahinter ist leer

Wahrscheinlich wird Giffey ihren Doktortitel verlieren: Die Konsequenzen hat sie schon gezogen Foto: Stefan Boness/IPON

BERLIN taz | Die Abschiedsworte der Kabinettschefin für ihre bisherige Ministerin fielen äußerst herzlich aus. Die Rücktrittsentscheidung Franziska Giffeys nehme sie „mit großem Respekt“, aber auch „mit ebenso großem Bedauern entgegen“, sagte Angela Merkel am Mittwoch in ihrer Rede auf dem digitalen Forschungsgipfel 2021. „Von Herzen“ danke sie der Sozialdemokratin, die sich „mit Leidenschaft und Geschick“ für ihre Themen eingesetzt und mit der sie „sehr gut und vertrauensvoll“ zusammengearbeitet habe. Schließlich wünschte sie ihr noch „für die kommende Zeit alles Gute“.

Nach nur drei Jahren im Amt hatte Giffey auf der Kabinettssitzung am Mittwochmorgen Merkel um die Entlassung als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gebeten. In einer im Anschluss verschickten persönlichen Erklärung begründete die 43-jährige SPD-Politikerin ihren Wunsch mit der wiederaufgeflammten Diskussion über ihre Dissertation aus dem Jahr 2010.

Auch wenn das laufende Prüfverfahren der Freien Universität Berlin noch nicht abgeschlossen sei, hätten die Mitglieder der Bundesregierung, ihre Partei und die Öffentlichkeit „schon jetzt Anspruch auf Klarheit und Verbindlichkeit“. Daher habe sie sich entschieden, bereits heute „die Konsequenzen aus dem andauernden und belastenden Verfahren“ zu ziehen.

Sie hat sich für das Prinzip Vorwärts­verteidigung entschieden

Seit Anfang 2019 sieht sich Giffey Plagiatsvorwürfen ausgesetzt. In ihrer Doktorarbeit zum Thema „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“ soll sie an zahlreichen Stellen gegen wissenschaftliche Standards verstoßen haben. Schon bei der Urwahl der SPD-Bundesspitze war sie wegen der Debatte um ihre Dissertation nicht angetreten. Falls ihr der Doktortitel aberkannt werden sollte, werde sie zurücktreten, hatte sie damals angekündigt. Allerdings kam das Präsidium der FU Berlin in einem ersten Prüfverfahren 2019 zu dem Schluss, dass ihre Arbeit zwar „Mängel“ enthalte, verzichtete jedoch überraschend auf die Aberkennung des Doktortitels, sondern beließ es bei einer Rüge.

Schwarze Wolken über Giffey

Doch anders als von ihr erhofft war Giffey damit nicht aus dem Schneider. Denn nach heftiger Kritik leitete die FU ein erneutes Verfahren ein. Dieses steht unmittelbar vor dem Abschluss: Anfang Mai legte eine neu eingesetzte Prüfkommission dem FU-Präsidium ihren Abschlussbericht vor – und der fällt nach Informationen des Wirtschaftsmagazins Business Insider nicht gut für Giffey aus.

Bis Anfang Juni kann sie zwar noch eine Stellungnahme dazu abgeben. Aber auch wenn sie weiterhin betont, sie habe ihre Arbeit „nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben“, dürfte das nichts mehr daran ändern, dass sie ihren Doktortitel verlieren wird.

Nun hat sich Giffey für das Prinzip Vorwärtsverteidigung entschieden. Denn während in vergleichbaren Fällen, wie denen des CSUlers Karl-Theodor zu Guttenberg, der CDUlerin Annette Schavan oder der FDPlerin Silvana Koch-Mehrin, in denen Po­li­ti­ke­r:in­nen über Plagiate in ihren Dissertationen gestolpert sind, der Rücktritt auch das Ende der politischen Karriere bedeutete, will Giffey weiter durchstarten. An ihrer Spitzenkandidatur für die SPD bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen halte sie fest, teilte Giffey in ihrer persönlichen Erklärung mit. Ob ihr Kalkül aufgeht, werden die Berliner Wäh­le­r:in­nen am 26. September entscheiden – parallel zur Bundestagswahl.

Wer bis zum Ende der Legislaturperiode das Familienministerium führen wird, steht noch nicht endgültig fest. Es gebe noch keine Entscheidung darüber, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz in der Bundespressekonferenz. Als wahrscheinlich gilt, dass die sozialdemokratische Bundesjustizministerin Christine Lambrecht das Ressort kommissarisch mit übernehmen wird.

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