Nach Aus für Nationalpark Ostsee: Ein Kompromiss, den niemand mag
Mit Einzelmaßnahmen will Schleswig-Holstein auf den schlechten Umweltzustand der Ostsee reagieren. Kritik daran kommt nun von fast allen Seiten.
![Daniel Günther steht vor demonstrierenden Umweltschützern Daniel Günther steht vor demonstrierenden Umweltschützern](https://taz.de/picture/6901684/14/453408631-1.jpeg)
Die Regierungsparteien loben ihren Kompromiss, aber der Streit geht weiter: Umweltverbände halten das Paket aus 16 Maßnahmen für zu wenig, um dem Meer wirksam zu helfen. Landwirtschaft und Fischereiverbände sehen dagegen Probleme auf ihre Mitglieder zukommen. Größter Streitpunkt ist die Frage, wie die Überdüngung des Meeres verringert werden kann.
Bis zum Jahr 2035 soll die Menge an Stickstoff und Phosphat, die aus Düngemitteln von den Feldern in die Ostsee fließen, um 20 Prozent sinken. „Das sind sehr kurze Zeiträume in der Landwirtschaft“, sagte Klaus Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, dem NDR. Es sei „der größte Wurf, den wir jemals erreicht haben“. Lob für „dieses klare Bekenntnis und die klare Bereitschaft der Landwirtschaft“ kam bei der Parlamentsdebatte am Donnerstag von Cornelia Schmachtenberg (CDU).
Doch aus Sicht der Kritiker:innen ist das scheinbare Versprechen keines: „Die Nährstoffeinträge in die Küstengewässer müssen im Zuge der Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 ohnehin drastisch reduziert werden, das ist geltendes EU-Recht“, sagt der Nabu-Landesvorsitzende Alexander Schwarzlose. Die Regierung wolle „diese alte Pflicht als neue Errungenschaft verkaufen“.
„Der Schweinswal wird profitieren“
Spott gab es im Landtag auch von Sandra Redmann, der umweltpolitischen Sprecherin der SPD: „Eine ganz wunderbare Einigung, bei der die ersten Regeln erst 2026 greifen und ab 2030 Erfolge erzielt werden.“ Sie kritisierte, dass es keine verpflichtenden Maßnahmen geben werde, sondern eine „Zielvereinbarung“, die das CDU-geführte Landwirtschaftsministerium mit dem Bauernverband schließen soll.
Auf die Anfrage, ob die Kritik der Umweltverbände berechtigt ist, anwortete das Umweltministerium: „Schleswig-Holstein ist leider bisher nicht auf gutem Weg bei der Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie. Mit dem Aktionsplan ergreifen wir klar vereinbarte Maßnahmen, damit sich das ändert.“
Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) stellte bei seiner Rede im Landtag die positiven Seiten des Kompromisses in den Vordergrund: „Die Ostsee wird profitieren, der Schweinswal wird profitieren“, sagte er am Donnerstag. Durch die Ausweitung der Schutzzonen „geben wir den Tieren auf einem Achtel der Ostsee Rückzugs- und Ruheräume“. Doch das sei zu wenig, beklagen Umweltverbände. Sie hatten gefordert, die Stellnetze, in denen sich Wale und Enten verheddern und qualvoll ertrinken, auf der ganzen Ostsee zu verbieten.
Aus der Sicht des Landesfischereiverbandes Schleswig-Holstein sind aber bereits diese Einschränkungen zu groß. Der stellvertretende Vorsitzende Benjamin Schmöde fürchtet durch die neuen Schutzgebiete um die wirtschaftliche Existenz der rund 60 hauptberuflichen Fischer an der Ostseeküste. „Allein in dem Gebiet westlich von Fehmarn holen die Kollegen bis zu 80 Prozent ihres Umsatzes raus“, sagte er dem NDR. Wenn dieses Gebiet nun unter Schutz gestellt werde, „ist das natürlich ein massiver Einschnitt“.
Immerhin: Hobby-Angler sind zufrieden
Zufrieden sind dagegen die Hobby-Angler:innen. Sie dürfen weiter auch in den Schutzgebieten vom Strand aus auf Jagd nach Fischen gehen. „Dies war eine unserer zentralen Forderungen in den Verhandlungen mit der Politik, wir sind dankbar, dass dies berücksichtigt wurde“, heißt es in einer Stellungnahme.
Redmann erinnerte im Landtag noch einmal an den mühevollen Weg zum Kompromiss: „Ein Jahr hat Minister Goldschmidt auf zahlreichen Veranstaltungen versucht, seinen Traum von einem Nationalpark Ostsee umzusetzen. Aber im Grunde war beim Auftaktabend schon klar: Das wird so nix.“ Der Versuch, alle Beteiligten früh einzubinden, sei von Hindernissen und Widerständen geprägt gewesen, urteilte Redmann. Am Ende stehe ein Plan „mit viel Prosa, mit vielen offenen Fragen“.
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