Nach Angriff auf den Iran: Was Israels Attacke für Öl, Gas und Inflation bedeutet
Börsen sacken ab, der Ölpreis schießt aus Furcht vor Engpässen in die Höhe. Was heißt die Attacke Israels auf den Iran für die Weltwirtschaft?

Warum steigt der Ölpreis so stark an?
An den womöglich beeinträchtigten iranischen Ölexporten allein liegt es nicht. Sie belaufen sich dem Bankhaus Metzler zufolge lediglich auf 1,6 Millionen Barrel pro Tag – wobei der größte Teil davon nach China geht. „Ein Ausfall könnte vom globalen Ölmarkt wohl zunächst verkraftet werden“, sagen deshalb die Metzler-Analysten Leon Ferdinand Bost und Uwe Hohmann. Allerdings: „Man muss nun auch befürchten, dass andere Ölförderanlagen der Region unter Beschuss geraten, sollte sich aus dem Angriff ein größerer Konflikt entwickeln“, betont der Chef-Marktanalyst des Finanzhauses CMC Markets, Jochen Stanzl.
Was ist die größte Gefahr?
Eine Schließung der Straße von Hormus durch den Iran. Durch die Meerenge, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman verbindet, geht etwa ein Fünftel der weltweiten Öltransporte. Rund 21 Millionen Barrel Rohöl werden hier täglich transportiert, sagen Analysten. „Noch gravierender fällt die Abhängigkeit bei LNG aus“, warnen die Metzler-Experten. Etwa ein Viertel der weltweiten Lieferströme des verflüssigten Erdgases (LNG) geht durch die Meerenge. Der Iran hat im Falle eines Angriffs immer wieder mit der Blockade der Meerenge gedroht.
Was wären die Folgen?
Der Ölpreis könnte massiv steigen. Das wiederum dürfte die weltweite Inflation befeuern. „Mit dem Angriff Israels auf den Iran steigt die Wahrscheinlichkeit einer globalen Stagflation“, warnt der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia vor einer Mischung aus stagnierender Weltwirtschaft bei hoher Inflation. Die Ölpreise könnten in einem derartigen Szenario vermutlich auf 100 US-Dollar steigen, sagen Händler.
Können andere Länder einspringen?
Theoretisch schon. Ein Problem ist jedoch, dass mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zwei wichtige Erdölproduzenten auf den Transport ihrer Rohstoffe durch die Straße von Hormus angewiesen sind. Wird sie vom Iran gesperrt, wären höhere Fördermengen nutzlos. Auch Russland kommt für viele westliche Länder wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine als Ersatzlieferant nicht in Frage. Die meisten großen Industriestaaten (G7) sind Insidern zufolge bereit, auch ohne die USA die Preisobergrenze für russisches Öl von 60 auf 45 Dollar pro Barrel zu senken. Dies soll Russlands Fähigkeit zur Kriegsfinanzierung einschränken. Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten wollen ab Sonntag in Kanada über die erstmals Ende 2022 vereinbarte Preisobergrenze beraten.
Was heißt das für die Inflation?
„In jedem Fall bedeuten höhere Ölpreise, dass es wieder zu einem höheren Inflationsdruck kommt, nachdem die Inflation zuvor von den sinkenden Energiepreisen profitiert hat“, erklärt de la Rubia. So verharrte die deutsche Teuerungsrate im Mai bei 2,1 Prozent, obwohl sich Nahrungsmittel und Dienstleistungen deutlich verteuerten. Im Zaum gehalten wurde die Teuerung von Energiepreisen, die um 4,6 Prozent niedriger ausfielen als im Mai 2024. Kraftstoffe verbilligten sich sogar um 6,8 Prozent, Heizöl um 9,5 Prozent.
Warum haben die Ölpreise eine Bedeutung für die Inflation?
Die Verbraucher spüren steigende Ölpreise fast in Echtzeit an der Tankstelle: Benzinpreise vollziehen die Entwicklung der Weltmarktpreise rasch nach. Aber auch indirekt dürften die Konsumenten zur Kasse gebeten werden. Sollten etwa Landwirte und Logistikunternehmen dauerhaft mehr für Benzin und Diesel bezahlen müssen, dürften sie die gestiegenen Kosten an ihre Kunden weiterreichen. „Der Ölpreis ist zwar nicht mehr so wichtig für die deutsche Wirtschaft wie noch vor ein oder zwei Jahrzehnten“, sagt Analyst Stanzl. Wenn der Preis aber in so kurzer Zeit so stark steige, dann könne dies auch der zuletzt festere Euro durch geringere Importpreise nicht mehr kompensieren. Viele Rohstoffe werden auf den Weltmärkten in Dollar abgerechnet. Durch die kräftige Aufwertung des Euro konnten sie günstiger importiert werden.
Was heißt das für die Notenbanken?
Zinssenkungen könnten bei steigender Inflation vom Tisch sein – dabei könnte billigeres Geld die maue Weltwirtschaft anschieben helfen. Die US-Notenbank Fed etwa hat schon vor Monaten ihren geldpolitischen Lockerungskurs unterbrochen. Eigentlich rechnen Experten damit, dass sie im September ihren Leitzins erstmals wieder senken wird. Das steht aber womöglich wieder infrage, „da höhere Energiepreise die inflationären Auswirkungen der Zölle verstärken würden“, sagt de la Rubia auch mit Blick auf die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump. Etwas einfacher ist die Sache für die Europäische Zentralbank (EZB). Diese hat schon achtmal binnen eines Jahres ihren Leitzins gesenkt und mit zwei Prozent ein Niveau erreicht, das Ökonomen als „neutral“ bezeichnen – die Wirtschaft also weder anschiebt noch bremst. Die EZB könnte erstmal eine Pause einlegen, die viele Fachleute ohnehin empfehlen.
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