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Nach Alkoholparty in der JVA MeppenOffener Vollzug im Wanken

In Meppen filmen sich Inhaftierte beim Saufen. Die CDU nutzt das für eine Attacke auf die Justizministerin und ihre Pläne für den offenen Vollzug.

Unvorbereitet entlassene Häftlinge kommen später häufiger wieder hinter Gitter: Zaun der JVA Meppen Foto: Friso Gentsch/dpa

Hannover taz | Die Häftlinge tragen Jogginghosen und Schlappen, auf dem Tisch stehen große Tabakdosen, aus einer Box dringen Malle-Schlager, die Männer prosten sich mit Absinth und Wodka zu – und filmen sich selbst dabei. Dieses Video sorgte schon vor zwei Wochen für Aufregung – vor allem dank eines entsprechenden Berichts der Bild-Zeitung.

Die niedersächsische CDU nutzte dies am Mittwoch im Landtag erneut für einen Angriff auf das SPD-geführte Justizministerium. Ministerin Kathrin Wahlmann (SPD) hatte bereits im Februar angekündigt, den offenen Vollzug in Niedersachsen wieder stärken zu wollen. Dessen Quoten sind in den vergangenen Jahren – auch im Vergleich zu anderen Bundesländern – dramatisch gesunken: Vor zehn Jahren lag Niedersachsen beim Anteil der Gefangenen im offenen Vollzug noch auf Platz 4, inzwischen ist es nur noch Platz 11 im Ländervergleich.

Dabei sei der offene Vollzug doch ein wirksames Instrument, Resozialisierung zu fördern und Rückfallquoten zu mindern, sagt die Ministerin. Eine „Kultur des reinen Wegsperrens“, wie sie die CDU propagiere, sei dagegen fahrlässig und fachlich unhaltbar. Bei Gefangenen, die aus dem geschlossenen Vollzug im schlimmsten Fall völlig unvorbereitet in die Welt entlassen würden, seien hohe Rückfallquoten praktisch vorprogrammiert, so Wahlmann. Sie kann sich dabei unter anderem auf eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) aus dem vergangenen Jahr berufen.

Undifferenzierzte Debatte

Für die CDU hingegen gibt es gute Gründe für den Rückgang des offenen Vollzugs, nämlich eine immer schwierigere Gefangenenklientel, wie auch die Beschäftigten im Justizvollzug immer wieder beklagen. Dazu gehören in ihren Augen mehr Drogenabhängige, mehr psychisch Kranke, aber auch mehr Gefangene mit Migrationshintergrund, die für die Bediensteten schwer zugänglich sind.

Wer in einer solchen Situation nach einer Stärkung des offenen Vollzugs rufe, argwöhnt der justizpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Calderone, fördere letztlich nur, dass aus politisch-ideologischen Gründen Gefangene dorthin verlegt würden, die eigentlich gar nicht geeignet seien. Und das Ergebnis seien dann Szenen wie das Saufvideo aus Meppen.

Denn die Regelungen, mit denen der offene Vollzug weiterentwickelt und verbessert werden soll, seien noch in Arbeit. Derzeit gelten dafür in Meppen noch dieselben Regeln wie unter ihrer CDU-Vorgängerin Barbara Havliza.

Praktiker wie der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten in Niedersachsen, Oliver Mageney, ärgern sich vor allem über die Undifferenziertheit der Debatte. In der Vergangenheit habe sich ein eher restriktiver Umgang mit dem offenen Vollzug durchgesetzt – zum Teil, weil es politisch so gewollt war, zum Teil, weil die Anstaltsleitungen fürchteten, bei Ausbrüchen und Rückfällen in Haftung genommen zu werden. Jetzt versuche man, den offenen Vollzug anzupassen und zu modernisieren. Den aktuellen Fall hält er für einen aufgebauschten Einzelfall. „Da wollten ein paar Leute auf dicke Hose machen.“

Man müsse sich klarmachen, welch komplexer Prozess hinter der Feststellung der Eignung für den offenen Vollzug stehe. Und selbst dann bedeute er nicht für alle dasselbe. Über die einzelnen Lockerungen – wer darf arbeiten gehen, wer darf übers Wochenende nach Hause, wer hat welche Vorbereitungsmaßnahmen und Therapien zu absolvieren – werde ja immer noch gesondert entschieden. Und wenn sich da Personen als ungeeignet erweisen, werde davon selbstverständlich auch einiges wieder zurückgenommen.

Schärfere Kontrollen

Von den Partyteilnehmern in Meppen ist einer prompt zurück in den geschlossenen Vollzug gewandert. Noch am selben Tag, an dem die Bild-Zeitung das Video auf Youtube stellte, holten ihn Vollzugsbeamte der JVA Meppen von seinem Arbeitsplatz ab. Die anderen drei Partyteilnehmer waren nicht mehr greifbar, sie waren alle bereits entlassen worden. Rätselhaft bleibt, warum sie sich überhaupt selbst filmten und wie das Video zwei Monate später bei der Bild-Redaktion und dann in der Öffentlichkeit landete.

Die anderen Häftlinge in der 21-Plätze-Einrichtung werden es ihm danken: Sie würden nun schärfer kontrolliert, versicherte das Justizministerium den Abgeordneten im Unterausschuss Strafvollzug. Bei einer sofort veranlassten Durchsuchung der Hafträume, der Gemeinschaftsräume und des Außengeländes wurden allerdings weder Absinth- oder Wodkaflaschen noch Handys gefunden. Im kommenden Jahr wollen sich die Abgeordneten selbst ein Bild von der Anstalt machen, auch um zu verstehen, warum das Gelage nicht früher aufgefallen ist.

Dabei werden sie auch die anderen Abteilungen der JVA Meppen besichtigen, die zum Teil ebenfalls in die Schlagzeilen geraten sind. Mitte Mai war ein Sexualstraftäter beim Freigang mit dem Anstaltspfarrer aus der Sicherungsverwahrung geflohen und nach 24 Stunden in den Niederlanden wieder inhaftiert worden. Ein Häftling aus dem geschlossenen Vollzug beklagte in einem Interview mit „Focus online“, nirgendwo sei es so leicht, an Drogen zu kommen wie hier. Und gleich zwei Bedienstete mussten sich laut der Neuen Osnabrücker Zeitung wegen Gewalt gegen Gefangene vor Gericht verantworten.

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5 Kommentare

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  • Das ist typisch für die CDU ein Video und sie laufen heiß. Der Punkt ist doch, dass die anderen Feiern gar nich gefilmt werden. Dabei wird ne ganze Menge gefilmt und überwacht in Gefängnissen.

    Ich kann nur davor warnen, zu glauben, dass sehr harte Strafen und ein harter Strafvollzug automatisch zu mehr Sicherheit und einem anderen Bewußtsein von Menschen führen, die straffällig werden.

    Gerade der offene Vollzug sollte sachkundig ausgebaut werden, sprich, evlt. müssten einige JVAs, spezielle Bereiche erhalten, wo die Häftlinge, die regelmäßig raus können, keinen Kontakt zu denen haben, die drinnen sind und nicht rauskönnen. Das wäre ein Weg. Aber Gefängnisse in demokratischen Rechtsstaaten werden immer ein Problem sein, weil man immer wieder definiert, was ist an Strafe, Resozialisierung und Menschenwürde wie vereinbar. Die CDU würde am Ende dafür sorgen, dass neue Gefängnisse gebaut werden und da möchte ich eine alte Weisheit anführen: Gefängnisse sind die Universitäten der kriminellen Welt.



    Sie sind die Insitution, die straffällige zu immer härteren Kriminellen macht, auch zu professionelleren Kriminellen.

  • Danke für den Link zur sogenannten Bild"-Zeitung", hatte das erste mal das Vergnügen damit.

    Jedoch. Was belegt, daß die sich betrinkenden Herren sich in einer JVA befinden? Außer, daß vielleicht ein Bild-"Redakteur" zwei Finger hebt und sagt, ich schwör's?

  • Ganz die CDU.



    Wie immer.



    Kollektivstrafe + Baueropfer.

    Bloß weil die Ampel so schlecht abgeschnitten hat braucht die CDU noch lange keine Morgenluft zu wittern,

    • @Bolzkopf:

      Ich möchte nicht erleben, wie die CDU bei den Umständen der letzten Jahre abgeschnitten hätte. Durch die Corona"politik" kommt so eine Ahnung auf...