NSU auf Dresdener Theaterbühne: Eine Chronik des Versagens
Jahrelang hielt sich der NSU in Sachsen versteckt. Das Stück „Mein deutsches deutsches Land“ bringt die Themen Naziterror und Behördenversagen auf die Bühne.
DRESDEN dpa | Die Fiktion bleibt nah an der Realität: Drei Jahre nach dem Auffliegen der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) hat sich erstmals auch ein Theater aus Sachsen mit dem Thema befasst.
Der Freistaat steht seit Bekanntwerden der beispiellosen Mordserie besonders im Fokus, weil Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe jahrelang unerkannt in Zwickau untertauchen konnten und von dort aus eine blutige Spur durch Deutschland zogen.
Im Unterschied zu Bühnen, die den Fall als Doku-Drama abhandeln, erzählt Autor Thomas Freyer in „Mein deutsches deutsches Land“ eine fiktive Geschichte. Das knapp dreistündige Stück wurde am Donnerstagabend im Dresdner Staatsschauspiel uraufgeführt und von den Premierengästen mit viel Beifall belohnt.
Der Plot ist zwar an die Realität angelehnt – geht dann aber eigene Wege. In drei Zeitebenen geht es um die Selbstradikalisierung der Neonazis, die Ermittlungen der Polizei und die Vertuschungsversuche von Geheimdienst und Politik. Florian, Dominik und Sarah heißen die Charaktere, die dem NSU-Trio nachempfunden sind.
„Mein deutsches deutsches Land“ von Thomas Freyer ist am Staatsschauspiel Dresden zu sehen. Regie führt Tillmann Köhler. Das Stück läuft noch bis zum 06. Februar 2015.
Aufklärung unerwünscht
Sie spalten sich von der organisierten rechtsextremen Szene ab und leben als Zelle im Untergrund. Ihr Hass auf Fremde kulminiert in einer Mordserie, bei der 16 ausländische Studenten hingerichtet werden. Die Behörden versagen, nur einzelne Beamte wollen die Wahrheit herausfinden.
Regisseur Tilmann Köhler lässt dabei 29 Rollen von sechs Akteuren spielen. Das mörderische Trio wird von Lea Ruckpaul, Jonas Friedrich Leonhardi und Kilian Land verkörpert. Immer wieder schlüpfen sie in andere Rollen und sorgen vom Bühnenrand aus auch für die Geräuschkulisse.
So lassen sie etwa vor dem Mikrofon Wasser aus einer Flasche laufen, wenn ein Beamter sich an der hölzernen Wand der Drehbühne erleichtert. Im Zentrum steht das Handeln der Ermittlungsbehörden, die in einer Mischung aus Ignoranz, Unfähigkeit und politischem Kalkül die Verbrechen vertuschen wollen.
Antwort auf das Schweigen
Die Entwicklung der Täter spielt eine untergeordnete Rolle. Bis auf Sarah sind sie von Anfang an ideologisch so festgefahren, dass ihre Radikalisierung fast folgerichtig erscheint. Ausgerechnet Sarah wird dann aber zur Ideengeberin für die Morde. Am Ende überleben sie und Dominik – und werden mit einer neuen Identität ausgestattet. Für die Politik scheint das Thema ausgestanden. Auch Medien suchen nicht länger nach der Wahrheit und erweisen sich als käuflich.
Der Zuschauer sieht bei all dem eine Chronik des Versagens – im Zeitraffer. Fast drei Stunden geht das Stück. Die Ausstattung ist eher spartanisch, die Inszenierung ganz auf das Spiel der Akteure ausgelegt.
Neue Erkenntnisse bringt „Mein deutsches deutsches Land“ allerdings nicht. Dramaturg Robert Koall sieht das Stück als „Antwort auf das unerträgliche Schweigen“. Es sei „der Versuch, sich der Entstehung einer mörderischen deutschen Geschichte zu vergewissern; zu untersuchen, wie sie möglicherweise hätte ablaufen können und warum sie sich möglicherweise wiederholen kann“.
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