NSU-Ausschuss in Thüringen: Direkter Draht in rechte Szene?
Im NSU-Untersuchungsausschuss in Erfurt sitzt auch Björn Höcke von der AfD. Dessen Kontakt zu einem NPD-Mann sorgt die Linke. Die AfD gibt sich empört.
HAMBURG taz | Der zweite NSU-Untersuchungsausschuss im Thüringer Landtag hat noch nicht ganz mit seiner weiteren Arbeit begonnen, da kommen schon Dissonanzen in Erfurt auf. Der Grund: die Besetzung des Ausschusses durch die AfD. Die Fraktion schickt ihren Vorsitzenden Björn Höcke.
Der Aufklärungswille könne durch diese Besetzung des Gremiums „gehemmt“ werden, sagt Katharina König, Obfrau der Linken im Ausschuss: „Ich befürchte, dass über Höcke Informationen aus den Akten in die Thüringer Neonazis-Szene gelangen könnten“, sagt sie taz.de.
Am vergangenen Mittwoch fand die konstituierende Sitzung statt. Die Ausschuss-Vositzende Dorothea Marx von der SPD sagte, das Gremium werde sowohl auf neue Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz zurückgreifen als auch auf Thüringer Archiv-Material, um erneut das Verhalten der ermittelnden Behörden zu überprüfen.
Aber auch, um mögliche Verstrickungen zwischen rechtsextremer Szene und organisierter Kriminalität zu untersuchen. Aus gesundheitlichen Gründen nahm Höcke nicht an dieser ersten Sitzung teil. Höcke wirbt in seiner Partei seit Wochen mit der von ihm initiierten „Erfurter Resolution“, die für einen weitaus rechteren Parteikurs als bisher eintritt.
Kontakte zu NPD-Kader
Die Sorge der Linken-Abgeordneten König beruht auch darauf, dass Höcke selbst Kontakte zu dem NPD-Kader Thorsten Heise eingeräumt hat und auch Heise diese bestätigte. Heise lebt im Nachbarort von Höcke und mischt schon lange im Rechtsrock-Geschäft mit. Vor kurzem übernahm er noch den NPD-Versand „Deutsche Stimme“. Über die Kinder habe man sich kennengelernt, sagte Höcke unlängst der Thüringer Allgemeinen. Die Familie von Heise mache einen guten Eindruck, so der AfD-Politiker. Da gebe man sich „natürlich die Hand und kommt ins Gespräch“.
Daraus nun eine enge Beziehung zu unterstellen, bei der Informationen aus dem NSU-Ausschuss weitergegeben werden könnten, sei „an den Haaren herbeigezogen“, sagt eine Pressesprecherin der Partei. Im dörflichen Raum seien solche Kontakte unumgänglich.
Stefan Möller, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, kritisiert ebenfalls die Linke-Politikerin: „Die Angriffe der Abgeordneten König sind unerträglich.“ Unbegründet würde König einen Abgeordneten einer demokratischen Partei als verlängerten Arm der Neonazi-Szene darstellen. Die AfD-Fraktion will diesen Vorgang in den Ältestenrat des Thüringer Landtags einbringen.
König hält ihre Sorgen nicht für übertrieben. Höcke habe in den vergangenen Monaten immer wieder verschiedenen extrem rechts stehende Zeitungen und Blogs Interviews gegeben, von der Jungen Freiheit über Blaue Narzisse bis zu Zuerst. „Da sollten gerade bei Aufarbeitung des NSU Bedenken erlaubt sein“, so König.
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