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NS-Kriegsverbrechen in BerlinZwangsarbeit vor unserer Haustür

Eine Veranstaltungsreihe befasst sich in diesem Jahr mit der NS-Zwangsarbeit in allen Berliner Bezirken. Die Aufarbeitung dauert an.

Zwangsarbeiter bei Aufräumarbeiten im Siemens-Lager nach einem Luftangriff in Berlin Haselhorst Foto: Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit

Berlin taz | 80 Jahre ist es her, da wurde Zwangsarbeit in Berlin zum Massenphänomen. Der Krieg dauerte bereits drei Jahre an und das NS-Regime brauchte dringend Arbeitskräfte: 500.000 Arbeiter*innen, unter anderem verschleppt aus Polen, Russland und der Ukraine, hausten ab 1942 in 3.000 Barackenlagern in den Außenbezirken der Stadt.

Berlin war damals Rüstungsmetropole, zu der hier ansässigen Industrie gehörten zum Beispiel Siemens in Spandau und AEG in Schöneweide. Doch noch immer fehlt vielerorts das öffentliche Bewusstsein für die Verbrechen der NS-Zwangsarbeit, auch die wissenschaftliche Aufarbeitung dauert an: „Der Krieg ist mittlerweile so lange her, dass die Geschichte vieler Orte einfach in Vergessenheit geraten ist“, sagt Roland Borchers vom Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit. Borchers hat die Veranstaltungsreihe „NS-Zwangsarbeit vor unserer Haustür“ konzipiert, die die Kriegsverbrechen in allen zwölf Berliner Bezirken in den Blick nehmen soll.

Die Auftaktveranstaltung am 20. Januar befasst sich mit dem Stadtteil Charlottenburg-Wilmersdorf, doch Beispiele für Zwangsarbeit gibt es in ganz Berlin: Allein in Friedrichshain-Kreuzberg fanden His­to­ri­ke­r*in­nen mehr als 800 Orte, an denen Zwangsarbeit geleistet wurde.

Im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe sollen insbesondere die Orte der Ausbeutung stehen, die erst kürzlich als solche entdeckt wurden: Das Kriegsgefangenen-Stammlager III D in Lichterfelde-Süd, die Bockbrauerei in Kreuzberg, in deren Keller Zwangsarbeiter Telefunken produzierten, oder auch das Luftfahrtgerätewerk in Spandau, in dem Siemens arbeiten ließ.

Aufarbeitung ist ein langer Prozess

Die Aufarbeitung der NS-Zwangsarbeit begann erst in den späten 80er-Jahren, nicht ohne den Widerstand der beteiligten Unternehmen. Die öffentliche Debatte blieb jedoch lange aus. „Dass das Thema in letzter Zeit verstärkt aufkommt, liegt vor allem daran, dass sich die Menschen mehr mit ihrer Lokalgeschichte befassen“, so Borchers.

Ein Beispiel dafür ist die Debatte um eine Gedenktafel in Wilmersdorf: Über Jahre haben His­to­ri­ke­r*in­nen und Bezirksverwaltung darüber diskutiert, ob sie an der Wilhelmsaue 40 errichtet werden soll. 2014 hatte ein Historiker Belege dafür gefunden, dass das Wilmersdorfer Bezirksamt dort ab 1942 ein „städtisches Ausländerlager für Arbeitsleistungen im Verwaltungsinteresse“ betrieb. Ob wirklich die Bezirksverwaltung für die Verbrechen verantwortlich war, stand lange zur Debatte. Sechs Jahre später, im August 2021, hat der Bezirk die Gedenktafel schließlich eingeweiht.

Dass solche Prozesse mitunter so lange dauern, muss nicht immer von Nachteil sein, so Borchers. Über die Jahre sei in Wilmersdorf eine spannende Diskussion entstanden, die einiges in Gang gebracht habe: Das Bezirksmuseum nahm den Streit zum Anlass für eine Ausstellung zur NS-Zwangsarbeit und Wis­sen­schaft­le­r*in­nen haben zur Klärung der Verantwortlichkeit viel Forschung betrieben.

In der Veranstaltungsreihe soll es auch um die Frage gehen, was die Verbrechen von damals mit unserer Gesellschaft von heute zu tun haben. „Es gibt starke Kontinuitätslinien in die Gegenwart“, sagt Borchers. „Das, was die Zwangsarbeiter damals erbaut haben, existiert zum Teil noch heute. Viele Firmen, die davon profitiert haben, gibt es noch. Vor allem aber findet Zwangsmigration auch heute noch statt, zum Beispiel bei der WM in Katar.

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