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NS-Gedenkstätten zu Gaza-Protesten„Stimmen für die Antisemiten“

NS-Gedenkstätten kritisieren die Uni-Besetzungen durch pro-palästinensische Demonstrierende. „Alte antisemitische Stereotype“ würden aufgegriffen.​ ​

Pro-palästinensiche Ak­ti­vis­t:in­nen bei der Besetzung der HU Berlin am 22. Mai Foto: Axel Schmidt/reuters

Berlin taz | Handelte es sich bei den Besetzungen von Berliner Universitätsgebäuden durch Studierende um einen legitimen Protest gegen das Vorgehen Israels in Gaza, gedeckt durch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit? Oder waren die Proteste geprägt von antisemitischen Denkmustern und deshalb verachtenswert? Zu dieser in der Öffentlichkeit strittigen Frage haben sich jetzt die NS-Gedenkstätten in Berlin geäußert. Sie melden schwere Bedenken wegen eines israelbezogenen Antisemitismus gegen die Proteste an.

In der am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme der Ständigen Konferenz von NS-Gedenkorten im Berliner Raum ist von „radikalen antizionistischen, israelfeindlichen und antisemitischen Stimmen“ die Rede. Diese Stimmen hätten durch die Universitätsbesetzungen die Möglichkeit erhalten, ihre Positionen zu verbreiten.

Als Beispiele führen die fünf Gedenkstätten, darunter die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und die Topographie des Terrors, Äußerungen an, die bei der Besetzung der Humboldt-Uni gefallen waren.

So fanden sich an den Wänden Graffiti mit dem Symbol der terroristischen Hamas. Es fielen Slogans wie „Back to 1948“ oder „From the river to the sea…“, die das Existenzrechts Israels negierten, oder ein Ruf wie „Resistance is justified“, womit der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober in eine legitime Widerstandsaktion umgedeutet wurde. Durch Rufe wie „Zionisten sind Faschisten, töten Kinder und Zivilisten“ oder „Antifaschismus ist Antizionismus“, entstünden falsche historische Analogien und es würden alte antisemitische Stereotype aufgegriffen.

Die Gedenkstätten sehen in Forderungen nach einem Boykott akademischer Beziehungen mit Israel und Israelis einen Angriff auf „Grundsätze demokratischer Auseinandersetzung und die Prinzipien politisch-historischer Bildung“. Man werde „die akademischen und kulturellen Beziehungen mit Israel weiterhin pflegen und intensivieren“, heißt es weiter.

Die Leiter der NS-Gedenkstätten kritisieren zudem eine Stellungnahme Berliner Lehrender vom Mai, in der die Besetzungen verteidigt wurden. „Mit keinem Wort erwähnt wurden jüdische oder israelische Studierende oder andere Studierende, die diese Haltungen ablehnen bzw. sich durch die Proteste eingeschüchtert und bedroht fühlen“, schreiben die Leiter der Gedenkstätten.

Die Proteste richteten sich insgesamt „gegen Wissenschaft und Bildung“ und trügen dazu bei, „Gesprächspartner:innen einzuschüchtern und auszugrenzen, mithin Dialog und Verständigung zu verhindern“.

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8 Kommentare

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  • Spätestens seit der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Karim Khan einen »der großen Antisemiten der Moderne« genannt und ihn mit NS-Scharfrichtern gleichgesetzt hat, ist offensichtlich geworden, dass Nazi-Beschimpfungen und Antisemitismus-Vorwürfe auch auf höchster politischer Ebene als Mittel der Hetze gegen Personen und Institutionen eingesetzt werden dürfen.



    Die echten Antisemiten und die Nazis freut das, denn sie sind aus der Schusslinie.

  • Recht haben Sie; wer mit diesen „Aktivisten“ gemein macht, macht mit Terror und Antisemitismus gemein. Es ist wirklich erschreckend zu sehen wieviele Menschen damit kein Problem haben; mehr noch sich bei diesem widerlichen Treiben auch noch moralisch überlegen wähnen. Der Mensch war schon immer bereit zu unermesslichen Greueltaten wenn er denn nur von der vermeintlichen Richtigkeit und Notwendigkeit der Sache überzeugt war.

  • Das Hauptproblem sehe ich darin, dass sich diese Besetzer NICHT von der Terrororganisation Hamas abgrenzen. Und damit unterstützen die "Besetzer" direkt oder indirekt Terror gegen Israel. Ob denen das bewusst ist oder ob sie dies bewusst tolerieren? Ich weiß es nicht, halte es aber für falsch und sehr gefährlich!

    • @Frank Burghart:

      Richtig. Und das hat ganz viel mit einer überall zu beobachtenden, allgemeinen Verengen jeglichen Diskurses zu tun. Nahezu jedes Thema wird in der Debatte nur noch von Extrempositionen ausgefochten. Je emotionaler, desto radikaler. Der eigene Tellerrand als als Bemessungsgrenze der Realität. Und wenn man sich dieser Art und Weise gemein macht, landet man unweigerlich dort, wo man die Argumentation von Extremisten teilt.



      Und daran hat unter Anderem die postkoloniale Linke einen nicht unwesetlichen Anteil zu verzeichnen.

  • 'Zu dieser in der Öffentlichkeit strittigen Frage haben sich jetzt die NS-Gedenkstätten in Berlin geäußert. Sie melden schwere Bedenken wegen eines israelbezogenen Antisemitismus gegen die Proteste an.'

    Eine Meldung mit eher geringem Überraschungspotential, wenn man mal davon absieht, dass sich die Gedenkstätten geäußert haben sollen. Können die natürlich nicht, sondern nur die Leute, die für die Stätten zuständig sind. Leider wird aber überhaupt nicht berichtet, wer denn nun für die Gedenkstätten konkret spricht.

    Ist aber auch einerlei: es sind politische Posten, daher ist auch davon auszugehen, dass die Aussagen und Schlüsse (Unis usw) auch nicht von denen der politische Führung in Berlin abweichen. So what?

    • @EffeJoSiebenZwo:

      Es ist zwar schon etliche Jahre her, aber eine CDU-geführte Landesregierung in Thüringen wollte mal jemand zum Kultusminister machen, der in seiner Studentenzeit als freier Mitarbeiter für die "Junge Freiheit" gejobbt hat.

      Besonders viel geschrieben hatte er nicht, aber es genügte, daß der damalige Leiter der Gedenkstätte Buchenwald erklärte, eine Zusammenarbeit mit diesem Politiker sei für ihn nicht möglich. Das Kultusministerium war damals für die Gedenkstätten zuständig.

      Andere Gedenkstätten haben diese Position unterstützt und die CDU musste sich einen anderen Minister suchen.

      Soviel zum Thema "politische Posten" in einem Land, in dem damals die CDU seit der "Wende" ununterbrochen regiert hatte. Aber vielleicht ist das heute anders.

    • @EffeJoSiebenZwo:

      Wie kommen Sie auf die abwegige Idee, das die Leitung von Gedenkstätten nach politischen Kriterien besetzt würde und deren Haltung identisch mit der der jeweiligen Landesregierung sei?

      So kann man einer inahtlichen Auseinandersetzung natürlich auch bequem ausweichen.

      • @Schalamow:

        'Wie kommen Sie auf die abwegige Idee, das die Leitung von Gedenkstätten nach politischen Kriterien besetzt würde?'

        Ich frage mich, ob das ggf Ironie sein soll. Wenn die jeweilige Landesregierung zwischenzeitlich gewechselt hat, und die Verträge noch länger laufen, dann mag es ggf ein Auseinanderlaufen geben.

        Aber jetzt konkret: wo sehen Sie denn Unterschiede bei den im Artikel genannten Aussagen und den Aussagen der Berliner Regierung?