NS-Anzeige im Amtsblatt Hildburghausen: Unkommentierte Propaganda

Die Stadt Hildburghausen druckt eine Anzeige für eine „Trauerfeier“ nach der alliierten Bombardierung. Die NS-Propaganda bleibt ohne Einordnung.

Eine nationalsozialistische Anzeige, daneben Fotos einer Trauerfeier

Die Anzeige schließe „nahtlos an dem Opfermythos an, den Nazis zelebrieren“, so Bodo Ramelow Screenshot: @KatharinaKoenig/Twitter

Berlin taz | Im Amtsblatt der Stadt Hildburghausen wurde eine historische nationalsozialistische Propaganda-Anzeige abgedruckt, die für eine „Trauerfeier“ nach dem amerikanischen Luftangriff auf Hildburghausen am 2. März 1945 warb. Die Bombardierung wird darin zweimal als „Terrorangriff“ bezeichnet. Kontext ist der Hinweis auf ein Gedenken am 23. Februar 2019, für das der Hildburghausener CDU-Bürgermeister Holger Obst in dem Amtsblatt warb.

Die NS-Anzeige ist dort unkommentiert unter den Zeilen des Bürgermeisters zu sehen. Darin wird als Programmpunkt „Ein Wort des Führers“ angekündigt. „Alle Volksgenossen und Volksgenossinnen werden durch die Teilnahme ihre Ehrfurcht vor den Gefallenen und ihre Verbundenheit mit den Angehörigen bezeigen“, heißt es in nationalsozialistischer Sprache. Auch zwei Fotos der Veranstaltung vor 74 Jahren sind unkommentiert abgebildet. Eine Einordnung oder Distanzierung wird nicht vorgenommen. „Kein Wort über die Ursache, kein Wort über die Shoa“, kritisiert die thüringische Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuss auf Twitter, die die Anzeige öffentlich machte.

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bezeichnet die Anzeige auf seinem Blog als „Geschmacklosigkeit“ und beschwert sich über eine „unhistorische Einordnung des Nationalsozialismus“. Die Anzeige schließe „nahtlos an dem Opfermythos an, den Alt- und Neonazis in Dresden, aber auch auf Rechtsrockkonzerten zelebrieren“.

Am Sonntag reagierten auch der Superintendent und der Präses des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Hildburghausen-Eisfeld, Johannes Haak und Olaf Ruck. In einem Offenen Brief an den Bürgermeister, über den zuerst der Tagesspiegel berichtete, schreiben die Kirchenvertreter, dass mit dem Beitrag „Versöhnung ausgeblendet und Hass geschürt“ werde. „Bombenterror und industrieller Massenmord gingen von Deutschland aus und haben den Tod millionenfach über Deutschland gebracht“, heißt es darin weiter.

Gegenüber dem Tagesspiegel bezeichnete Bürgermeister Obst den Beitrag am Montag als „Fehler“. „Er ist leider passiert, er hätte nicht passieren dürfen. Ich entschuldige mich dafür.“ Die beiden Kirchenvertreter wolle er noch in dieser Woche treffen. Auch der thüringische Landesverband der CDU sprach von einem „schweren Fehler“. „Die Veröffentlichung derartiger Quellen ohne klare und kritische Einordnung verbietet sich von selbst“, heißt es in einem auf Twitter veröffentlichten Statement.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.