Mutterschaft in der Kultur: Care-Arbeit und Superkräfte
Sowohl auf Theaterbühnen als auch auf der diesjährigen Berlinale wird Mutterschaft zum Thema. Bei unserer Autorin ist es noch (?) nicht so weit.
P . ruft mich am Freitag an und erzählt, dass A. Nachwuchs erwarte. Ich spüre einen Stich, irgendwo zwischen Magen und Unterleib, ob der Baby-News. Diese häufen sich in letzter Zeit in meinem Umfeld. Ich bin wohl jetzt in diesem Alter?
Eigentlich bin ich es schon seit einigen Jahren – oder glaube es zu sein, so genau kann ich das manchmal gar nicht mehr sagen, so verwoben sind „die Spuren des Gesellschaftlichen in diesem Wunsch“, schreibt Heide Lutosch in „Kinderhaben“. Darüber sprechen sollte man als Frau möglichst nicht, habe ich gelernt, denn dann wirkt man verzweifelt, ergo unattraktiv.
Dann ist da noch die Frage, ob man wirklich ein Kind in diese Welt setzen sollte, die gefühlt, aber doch auch real von Tag zu Tag schlimmer wird. Kann ich das einem menschlichen Wesen überhaupt antun? Und wenn ich darauf scheiße, weil ich nun mal den Wunsch habe, wenn ich jemanden finde, der denselben Wunsch hat und mit dem es auszuhalten ist, rutsche ich dann nicht automatisch in die Situation, in der sich so viele Mütter befinden? „Keiner einzigen Mutter, mit der ich in all den Jahren zu tun hatte, ging es wirklich gut“, schreibt Lutosch. Na servus!
Ich arbeite Teilzeit, verdiene verhältnismäßig schlecht, besonders in einer Stadt, die immer teurer wird. Meine Katze zu versorgen, bedeutet bereits einen finanziellen Aufwand und die ist recht anspruchslos.
Die meisten Männer, denen ich bisher näherkam, haben besser verdient als ich. In der Realität, in der wir leben, würde ich wohl mehr Elternzeit nehmen und die meiste Care-Arbeit leisten müssen. Mir wird schlecht, wenn ich an den Mental Load denke, der da auf mich zu käme: An Geburtstage der Kindsfreund*innen denken, Geschenke besorgen, den Besuch bei Oma und Opa planen, Impf- und Arzttermine im Auge behalten etc. pp.
Mutterschaft macht einsam
Wohin das führen kann, zeigt eindrücklich ein Stück im Theaterdiscounter (TD), das ich nach P.s Anruf sehe. Alleine wohlgemerkt, die beiden männlichen Freunde, die ich fragte, ob sie mitkämen, lehnten dankend ab.
„#Motherfuckinghood“ am Berliner Ensemble, „Mütter“ in Potsdam, „Mutter.Liebe“ am Theater Freiburg, „Muttertier“ am Wiener Burgtheater – alle Stücke verhandeln das Thema Mutterschaft. So auch „Die Entführung der Amygdala“ am TD.
Da steht Pina Bergemann auf der Bühne, in einem Second-Skin-Suit in Cyborg-Optik: Hier kommt Supermom. Sie fährt imaginär Fahrrad, hat den eigenen Helm vergessen, aber den vom Kind dabei, das sie schnell abholen muss, weil es die Rutsche im Kindergarten vollgekotzt hat. Eigentlich will eine Präsentation auf der Arbeit gehalten und ein Banktermin vereinbart werden, aber wer sollte das Kind sonst abholen, wenn der Mann im Meeting sitzt, bei dem er keinesfalls gestört werden darf, „auch wenn dir das Hirn aus der Nase quillt“.
Da wurde die Cyborg-Supermom bereits vom Auto erfasst, weil sie bei all den Gedanken an das, was noch getan werden muss, eine rote Ampel übersieht. Die Amygdala der Frau sei im Dauerstress, während „die eines Mannes chillaxed“, sagt Bergemann und fragt wie man gegen Tausende Jahre Patriarchat ankommen solle. Ich verlasse das Theater genauso frustriert, wie ich es betreten habe. Nicht, weil es nicht unterhaltsam war, eher weil auch hier die Antworten fehlen.
Am Samstag führt mich mein Weg ins Haus der Berliner Festspiele: Berlinale-time. Annie Bakers Spielfilmdebüt „Janet Planet“ begeistert mich schnell. Sanfte Bilder begleiten die elfjährige Lacy und ihre alleinerziehende Mutter Janet. Ihre Dynamik erinnert mich an mein Aufwachsen. Dass das Alleinerziehen auch wahnsinnig einsam machen kann, wird hier deutlich.
Als Kind habe ich das nicht verstanden und dachte, alleinerziehende Mutter werden – das will ich auch. Heute weiß ich, dass es nichts einfacher macht. Dass man dann nur noch mehr Superkräfte entwickeln muss, um in dieser Welt zu bestehen.
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