Muslimfeindliche Attacke: Wahnvorstellungen ließen ihn zum Messer greifen
In München ist ein Mann wegen einer muslimfeindlichen Messerattacke verurteilt worden. Das Gericht hält ihn jedoch für schuldunfähig.

Am Nachmittag des 23. Juli vergangenen Jahres wollte Werner P. Deutschland retten. Er nahm ein Jagdmesser, zog damit durch den Münchner Stadtteil Pasing und stach schließlich zu. Er müsse das Land von Muslimen befreien, so die Wahnvorstellung des heute 41-Jährigen. Zwei junge Männer, die er für Muslime hielt, wurden in der Nähe des Pasinger Marienplatzes zu seinen Opfern. Nur durch Glück trugen sie keine lebensgefährlichen Verletzungen davon.
Werner P. stand seit gut einem Monat vor Gericht. Am Dienstag nun kam das Landgericht München I nach acht Verhandlungstagen unter Vorsitz der Richterin Elisabeth Ehrl zu dem Schluss, dass der Mann die ihm vorgeworfenen Taten zwar begangen habe, aber wegen Schuldunfähigkeit nicht zu einer Freiheitsstrafe im Gefängnis zu verurteilen, sondern in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen sei. Das Gericht wertete die Tat als zwei Fälle gefährlicher Körperverletzung.
Die Staatsanwaltschaft hatte Werner P. neben gefährlicher Körperverletzung auch versuchten Mord vorgeworfen, aber auch nach ihrer Einschätzung war der Mann schuldunfähig. Er leide an einer akuten paranoiden Schizophrenie, zum Zeitpunkt der Tat habe er sein Handeln nicht kontrollieren können. Das Verfahren wurde daher nicht als normaler Strafprozess, sondern als Sicherungsverfahren geführt, das heißt, es ging nicht um eine Bestrafung des Täters, die ja eine Schuld vorausgesetzt hätte, sondern um die Frage, inwieweit die Allgemeinheit vor Werner P. geschützt werden müsse.
Und da waren sich Staatsanwaltschaft und Gericht einig: Wegen seiner Störung könnte Werner P. jederzeit wieder gefährliche Taten begehen. Auf freien Fuß könne man ihn daher nicht setzen. Die Krankheit des Täters wurde im Verfahren auch von einem Sachverständigen bestätigt. Demnach mischten sich die kruden muslimfeindlichen Vorstellungen P.s mit antisemitischem und rechtsextremem Gedankengut sowie einem Verfolgungswahn. So habe er Angst gehabt, vom Mossad, dem israelischen Geheimdienst, entführt zu werden. Auch eine Art Stimmen soll der Mann gehört haben, denen er versuchte, Folge zu leisten. Dazu kommen offenbar noch Alkohol- und Tablettenmissbrauch. Im Schnitt „zwölf Halbe“, also sechs Liter Bier, soll P. täglich getrunken haben.
Wegen der wahnhaften, aber doch politischen Tatmotivation hatte die bei der Generalstaatsanwaltschaft angesiedelte Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) die Ermittlungen gegen Werner P. übernommen. Dieser selbst schwieg vor Gericht.
Die Opfer der Messerattacke waren ein damals 18- und ein 25-jähriger Mann. Zunächst soll P. auf den Älteren der beiden eingestochen haben, erst in den Rücken, dann in die Brust. Der Mann musste eine Woche lang im Krankenhaus behandelt werden. Auf den 18-Jährigen stach er ein, als dieser gerade in ein Auto steigen wollte. Von Passanten gewarnt, konnte dieser sich noch nach hinten drehen und einen Stich in den Hals abwehren. Stattdessen trug er ein lange Schnittwunde am Oberarm von dem Angriff davon. Beide Opfer leiden noch immer unter den psychischen Folgen der Tat.
Als die Polizei am 23. Juli mit zehn Streifenwagen am Tatort ankam, ließ sich der Täter widerstandslos festnehmen. Das Messer noch in der Hand soll er völlig ruhig an einer Hauswand gestanden haben. Seinem psychiatrischen Gutachter gegenüber soll er später gesagt haben: „Ich will ins Gefängnis.“
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