Musiktipps für Berlin: Notbremse bei laufendem Betrieb

Weil Live-Konzerte ausfallen, gibt es gerade nur noch Online-Auftritte. Beim Jazzfest Berlin wird dabei quer über den Atlantik gejammt.

Saxofonistin Anna Webber und ihre sechs Buddies spielen von Brooklyn aus Foto: Liz Kosack

Man soll ja in schwierigen Zeiten nicht eigens schlechte Stimmung verbreiten. Zugegeben, das fällt im Moment etwas schwer. Denn auch wenn man in Sachen Musik jederzeit auf reichlich Schätze aus der Konserve verweisen könnte, hilft das all den Musikern, die auf Konzerte angewiesen sind, um damit ihr Geld zu verdienen, nicht groß weiter.

Oder hat die Welt womöglich gerade größere Sorgen als ausgefallene Konzerte? Einerseits ja, doch andererseits hat sie das im Prinzip immer, und vor allem macht das die Not der betroffenen Musiker keinesfalls hinfällig.

Als Solidaritätsbotschaft, Hilferuf oder bloßes Lebenszeichen kann man da die Geste des Auslands verstehen, das auf seiner Seite neben den Hinweisen auf verschobene Konzerttermine auch Links zu seinen „Video Sessions“ anbietet, aktuell mit einer Schlagzeugimprovisation des in Berlin lebenden Perkussionisten Yorgos Dimitriades. Hoffentlich dann bald wieder mehr auf analogen Kanälen.

Aufzulisten, was seit dieser Woche ausfällt, hat wenig Sinn, mit dem Teillockdown mussten die Veranstalter schließlich bei laufendem Betrieb wieder die Notbremse ziehen. Ein paar von ihnen haben versucht, aus der Sache das Beste zu machen, und ihre Programme gleich komplett ins Netz verlegt.

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Das Jazzfest Berlin, das noch bis zum 8. November läuft, löste zugleich die Schwierigkeit, dass Flugreisen von Künstlern etwa aus den USA pandemiebedingt schwer möglich sind, durch seine Streaming-Ausgabe. Auf diesem Weg können Berliner Musiker mühelos mit New Yorker Kollegen einen Abend beziehungsweise Nachmittag bestreiten, zwar nicht auf derselben Bühne, dafür zumindest im selben Kanal.

Am 6. November trifft so die in Brooklyn lebende Saxofonistin Anna Webber, die einen unangestrengt avantgardistischen Ansatz in ihren Kompositionen verfolgt, mit ihrem Septett auf das Berliner Duo Training.

Letzteres ist ein frisches Projekt des Saxofonisten Johannes Schleiermacher und des Schlagzeugers Max Andrzejewski, die neben ihren Hauptinstrumenten schon mal elektronische Geräte bedienen und in einen assoziativen Groove bringen, wenn man so möchte. An der Gitarre unterstützt sie für den Auftritt John Dieterich, Videos steuert die Künstlerin Işıl Karataş bei (6. 11., 19 Uhr, www.berlinerfestpiele.de).

Die Berliner Philharmoniker haben mit Weitblick vorgesorgt und schon 2008 ihre Digital Concert Hall eingeweiht. Dank der seither in der Philharmonie installierten Hochleistungskameras streamt es sich von dort recht komfortabel.

Am 7. November bestreitet das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin (DSO) ein solches digitales Konzert im Live-Stream unter seinem Dirigenten Robin Ticciati und dem früheren Chef der Berliner Philharmoniker Sir Simon Rattle, der 43 Jahre nach seinem Berlin-Debüt mit dem DSO zum ersten Mal wieder mit dem Orchester auftritt. Rattle dirigiert Gustav Mahlers gesungene Symphonie „Das Lied von der Erde“, der aktuellen Situation halber in einer Fassung für Kammerensemble. Ticciati steuert unter anderem das Stück

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Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.

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