Musik aus dem Weltraum: So klingt das All
Domenico Vicinanza komponiert anhand von Messdaten der Voyager Raumsonden ein Musikstück. Der Physiker macht so damit die Stille des Weltalls hörbar.
Der Weltraum ist ein schalltoter Raum. Ein Ort, dessen Stille in der irdischen Vorstellung genauso unheimlich wie faszinierend ist. Doch Stille ist nicht einfach nur die Abwesenheit von Klang, sondern auch die Abwesenheit von absichtlich erzeugtem Klang. Zu dieser Schlussfolgerung kam einst der Komponist John Cage, als er in einem schalltoten Raum das Fließen des eigenen Blutes hören konnte.
Doch wie klingt der abwesende Klang im Weltraum? Domenico Vicinanza, Manager am Géant-Institut im britischen Cambridge, dem größten pan-europäischen Datennetzwerk für europäische Forschung, hat jetzt einen Weg gefunden, die kosmische Hintergrundstrahlung, also die umher schwebenden elektromagnetischen Teilchen im Weltraum hörbar zu machen.
Der ausgebildete Musiker und promovierte Physiker wertete dafür rund 320.000 Daten aus, die über einen Zeitraum von 36 Jahren auf den Flügen der beiden Voyager-Sonden gewonnen wurden. Die von den Plasmawellen-Detektoren aufgezeichneten Daten konvertierte Vicinanza dann in Klangfragmente mit unterschiedlichen Längen und Frequenzbereichen. Anschließend ordnete er ihnen bestimmte Töne zu.
Mit der „Voyager 1 & 2 spacecraft duet“ betitelten Komposition möchte Vicinanza vor allem eine Lücke schließen: „Ich wollte ein musikalisches Stück komponieren, das Voyager 1 und 2 beinhaltet, also verwendete ich die Messungen (die Protonenzählungen aus den letzten 36 Jahren) beider Raumsonden.“
15 Milliarden Kilometer von daheim
Voyager 1 verlies erstmals 1977 den Orbit, um die Planeten Jupiter, Saturn, Neptune, und Uranus zu untersuchen. Mittlerweile sind beide Sonden jeweils in unterschiedlichen Richtungen 15 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt.
Das musikalische Endprodukt klingt dann jedoch weit weniger interessant als die Entstehungsgeschichte. Wer etwa futuristisch verschrobene Beatentwürfe à la Ras G oder an Krautrock geübte Synthesizerjams erwartet, wird enttäuscht sein – während sich Verfechter der musikalischen Hochkultur freuen können: Das mit Klavier und Streicher instrumentierte Werk klingt ermüdend spätromantisch.
Im Zeitalter des Samplings dürfte es jedoch nicht lange dauern, bis sich experimentierfreudigere Soundkünstler den fremdartigen Daten annehmen. Denn an diesen sollte es in Zukunft nicht mangeln. Voyager 1 und 2 sind zwar stillgelegt, senden aber dennoch weiterhin unbeirrt Informationen an die Erde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?