Motorenexperte setzt auf Diesel: „Diesel-Technologie ist hervorragend“
Wenige Jahre alten Diesel-Pkws den Weg in die Stadt zu versperren sei keine gute Idee, sagt Thomas Koch vom KIT in Karlsruhe.
taz: Fahrverbote für Diesel könnten kommen, wenn das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag sein Urteil spricht. Sie hingegen sagen der Technologie eine „glänzende Zukunft“ voraus. Rollen die Diesel-Pkws nicht eher zur Schrottpresse?
Thomas Koch: Die letzte Emissionsherausforderung der Dieselfahrzeuge waren die Stickoxide. Mit der neuesten Euro-Norm 6d-Temp ist das Problem komplett gelöst, mit einem notwendigen Software-Update sind auch Euro-6-Fahrzeuge seit 2014 sehr gut. Allerdings gibt es viele Altfahrzeuge, besonders mit Euro-4 und Euro-5, die die Immissionswerte hoch halten. Es geht nur darum, die älteren Autos mit Euro-Norm 4, 5 und teilweise 6 zu verbessern oder zu ersetzen.
Sollte es zu Fahrverboten kommen, werden Millionen Dieselfahrer*innen erwägen, ihre Wagen zu verkaufen. Von so einem Schlag erholt sich der Markt nicht mehr. Es dauert Jahre, bis die Hersteller neue, wirklich saubere Dieselmodelle in ausreichender Zahl anbieten können.
Mit fast allen Euro-6-Fahrzeugen, die es seit 2014 gibt, werden nach einem Update Emissionswerte auf der Straße von 200 bis 300 Milligramm pro Kilometer erreichbar sein. Bereits damit liegt der Pkw-Dieselbeitrag zum Immissionswert am Stuttgarter Neckartor unmittelbar an der Straße nur noch bei etwa 15 Millionstel Gramm pro Kubikmeter Luft. Der Grenzwert beträgt 40 Millionstel Gramm. Diese Konzentration verursacht eine Kerze in einem Zimmer nach 15 Minuten. Und die neuesten Pkws, die die Euro-Norm 6d-Temp einhalten, kommen jetzt nach und nach heraus. Die Technik ist erst seit etwa zwei Jahren auf dem Markt.
Von deutschen Herstellern gibt es bisher kaum Modelle, die der neuen Euro-Norm 6d genügen. Dauert der Umstieg nicht zu lange, um die Dieseltechnik attraktiv zu halten?
Die Technologie gibt es seit 2016 zu kaufen. Der für die Zertifizierung notwendige Gesetzestext wurde erst im Juli 2017 verabschiedet. Bei einer seriösen Durchführung des Verfahrens der Genehmigung inklusive Erprobung ist ein halbes Jahr nicht zu unterbieten. Die gute Technik ist da, nicht alle Fahrzeuge haben schon das Label Euro 6d-Temp, jedoch kann bereits jeder überarbeitete Diesel mit SCR-Katalysator empfohlen werden. Unabhängig von der Immissionssituation scheint es mir in jedem Fall keine gute Lösung zu sein, Autofahrern mit vier Jahre alten Pkws den Weg in die Stadt zu versperren.
Leiter des Institut für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bis 2013 entwickelte er Daimler-Dieselmotoren, u.a. mit Euro-Norm 6.
Die Technik für die zusätzliche Stickoxid-Reinigung kostet über 1.000 Euro. Für kleine Fahrzeuge lohnt sich das nicht, ihr Preis würde zu sehr steigen. Ganze Modellreihen, mit denen die Konzerne Geld verdienen, sind damit tot.
Im Segment der Kleinwagen, bei Typen wie Twingo und Corsa, wird sich der Diesel natürlich kaum noch rechnen. Ab der Kompaktklasse aufwärts sowie in der Mittel- und Oberklasse spielt der höhere Preis der Abgasreinigung jedoch eine abnehmende Rolle. Weil die Dieseltechnologie grundsätzlich hervorragend ist, werden vor allem Vielfahrer sie weiter nutzen – auch in großem Stil.
Urteil Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet heute wahrscheinlich darüber, ob Fahrverbote für Diesel in stark belasteten Städten ein rechtlich zulässiges Mittel und in die jeweiligen Luftreinhaltepläne aufzunehmen sind. Konkret geht es um Pläne in Düsseldorf und Stuttgart. Fahrverbote verhängt das Gericht nicht.
Umfrage 43 Prozent der Bürger*innen finden laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov Fahrverbote für Diesel-Pkws gut oder sogar sehr gut. Genauso viele meinten bei einer Befragung im Auftrag der dpa, Dieselfahrverbote wären in bestimmten Kommunen schlecht oder eher schlecht.
Grenzwerte Diesel der Euro-6-Norm dürfen maximal 80 Milligramm Stickoxid-Schadstoffe pro Kilometer Fahrt ausstoßen. (dpa, taz)
Was ist das Tolle daran?
Ein Lkw-Diesel hat einen realen Wirkungsgrad von 45 Prozent, ein typisches Kohlekraftwerk liegt unter 40 Prozent. Pkw-Dieselmotoren verursachen 15 bis 20 Prozent weniger klimaschädliches Kohlendioxid als vergleichbare Ottomotoren. Die niedrigeren Betriebskosten machen sich umso deutlicher bemerkbar, je länger die gefahrenen Strecken oder je schwerer die Lasten sind.
Wie VW-Vorstand Matthias Müller könnten auch andere Manager auf die Idee kommen, dass sich Investitionen in Diesel vielleicht nicht mehr lohnen, und das Geld in die Elektromobilität stecken. Sollten die Unternehmen nicht besser einen neuen Markt erobern, anstatt einen alten zu verteidigen.
Wir werden künftig eine Bandbreite von Lösungen nutzen. Hybridfahrzeuge mit kombiniertem Elektro-Benzin-Antrieb haben ebenso eine Berechtigung wie Dieselhybrid, Diesel und Elektroautos. Wir sollten aufhören, nur eine Technik gut und die andere schlecht zu finden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands