Mord an Jamal Khashoggi: Ein Schlussstrich und viele Fragen
Saudi-Arabien hat alle Todesurteile im Mordfall Khashoggi endgültig in Haftstrafen umgewandelt. Ein weiterer Prozess läuft noch in der Türkei.
Khashoggi, der als Kolumnist in den USA lebte, war im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul getötet worden. Erst Wochen später räumte die saudische Regierung ein, dass er ermordet wurde. In der Zwischenzeit hatte der türkische Geheimdienst, der das saudische Konsulat ausspioniert hatte, ausgewählten Medien häppchenweise Informationen zugespielt und Saudi-Arabien so international in Erklärungsnot gebracht.
Politisch dürfte das Urteil vom Montag kaum etwas ändern. Bereits im Dezember hatte die saudische Staatsanwaltschaft betont, dass die Entscheidung, Khashoggi zu töten, erst im saudischen Konsulat in Istanbul gefallen sei. Dieser Erklärung folgend kann niemand, auch nicht die Führungsebene in Riad, vorher von der Tat gewusst, geschweige denn sie geplant haben. KritikerInnen zweifeln an dieser Erklärung und sehen den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS) direkt in der Verantwortung.
Beweise, dass MBS die Tat angeordnet oder von ihr gewusst hat, konnte aber niemand vorlegen. Die weitgehendste Untersuchung hat bislang die UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard vorgelegt. Sie kam im Juni 2019 zu dem Schluss, dass für den Mord extra ein Killerkommando in die Türkei eingeflogen wurde.
Ihrem Abschlussbericht zufolge gibt es „glaubwürdige Hinweise“, die es rechtfertigen, eine Verantwortung hochrangiger saudischer Vertreter zu überprüfen, einschließlich des Kronprinzen. Callamard ließ die Schuldfrage aber offen; sie machte MBS nicht direkt verantwortlich. Allerdings forderte sie eine großangelegte internationalen Untersuchung – zu der es jedoch nie gekommen ist.
Saudi-Arabien wieder rehabilitiert
Derzeit läuft noch ein Prozess in der Türkei gegen zwanzig saudische Staatsbürger. Das Gericht in Istanbul verhandelt gegen sie jedoch in Abwesenheit. Dass die Angeklagten von Saudi-Arabien ausgeliefert werden, gilt als äußerst unwahrscheinlich.
Die türkische Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mord nicht erst im Konsulat beschlossen wurde, sondern von Anfang an geplant gewesen sei für den Fall, dass Khashoggi nicht einwilligen würde, nach Saudi-Arabien zurückzukehren. Der Journalist war 2017 ins US-amerikanische Exil gegangen.
Angeklagt in Istanbul sind auch der ehemalige Medienberater des saudischen Kronprinzen, Saud bin Abdullah al-Kahtani und der ehemalige stellvertretende saudische Geheimdienstchef Ahmed al–Asiri. Beide waren im Dezember von dem saudischen Gericht freigesprochen worden. Wer nun in Riad endgültig schuldig gesprochen wurde, ist bislang nicht bekannt.
Der Mordfall hatte international einen Sturm der Entrüstung ausgelöst und dem Ansehen Saudi-Arabiens erheblichen Schaden zugefügt. Mittlerweile ist das Königreich aber wieder weitgehend rehabilitiert – vor allem aufgrund von US-Präsident Donald Trump, der von Anfang an klarstellte, dass er an einem Zerwürfnis mit der saudischen Führung nicht interessiert war.
Zuletzt zeigte sich Riad außerdem offen für eine Annäherung der Golfstaaten an Israel, womit die saudische Führung der US-Administration deutlich entgegenkam und auch in Europa punkten konnte. Das Königreich gestattete es Flugzeugen auf dem Weg von Israel in die Vereinigten Arabischen Emirate und zurück, den saudischen Luftraum zu nutzen. Eine vollständige Normalisierung der Beziehungen zu Israel – wie sie derzeit zwischen Israel und den Emiraten geplant ist – scheint jedoch noch in weiter Ferne.
Deutschland hatte nach dem Khashoggi-Mord einen Exportstopp von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien verhängt. Dieser wurde seitdem mehrmals verlängert. Nach jetzigem Stand will die Bundesregierung bis Ende des Jahres keine neuen Lieferungen in das Königreich genehmigen. Auch bereits erlaubte Ausfuhren sollen weiter unterbunden werden.
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