„Monitor“-Recherche zu Brand in Kleve: Zweifel am Gutachten
Nach dem Verbrennungstod eines syrischen Häftlings gibt es neue Fragen. Ein Experte hält die bisherige Schlussfolgerung zur JVA Kleve für unstimmig.
Der Syrer war Ende September, zwei Wochen nach einem Brand in seiner Zelle in Kleve, in einem Bochumer Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlegen. Der Fall sorgte auch deswegen für großes Aufsehen, weil der Mann wegen einer Verwechslung in Haft saß – bei einem Polizeieinsatz im Juli waren offenbar Personalien verwechselt worden.
Der Syrer hatte den Brand mutmaßlich in suizidaler Absicht gelegt. Das nordrhein-westfälische Justizministerium und die Staatsanwaltschaft Kleve gehen auf Grundlage eines durch die Behörde eingeholten Brandgutachtens davon aus, dass der Brand „circa 15 Minuten bei geschlossenem Fenster eingewirkt habe, ohne dass sich der syrische Staatsangehörige bemerkbar gemacht habe“.
Erst danach soll Amad A. die Rufanlage betätigt haben. Unmittelbar danach habe er wohl das Fenster des Haftraums geöffnet. „Monitor“ berichtete hingegen, nach Einschätzung von Experten wäre ein Mensch nach 15 Minuten bei einem so beschriebenen Brandverlauf in einem geschlossenen Raum nicht mehr handlungsfähig.
„Nach einer Viertelstunde längst bewusstlos“
„Auf der einen Seite durch den dichten Rauch und auf der anderen Seite durch die Toxizität der Gase, die da entstehen“, sagte Pasedag. Auch der Direktor der Rechtsmedizin Frankfurt, Marcel A. Verhoff, sagte dem Magazin: „Ich würde eher erwarten, dass die Person nach einer Viertelstunde längst bewusstlos ist.“
In einem für „Monitor“ erstellten Gutachten geht das Institut für Brand- und Löschforschung dem Magazin zufolge davon aus, dass der von der Staatsanwaltschaft beschriebene Brandverlauf nur bei einer „ausreichenden Ventilation“ möglich sei – also der Zufuhr von Sauerstoff, etwa durch ein geöffnetes Fenster oder eine geöffnete Tür. Gleichzeitig würden die beim Brand entstehenden Verbrennungen „zu erheblichen Schmerzen führen, die durch Schmerzschreie geäußert werden“.
Dies decke sich mit Schilderungen von Menschen, die zum Zeitpunkt des Unglücks in der Klever Vollzugsanstalt waren, berichtete „Monitor“ weiter – demnach habe Amad A. laut geschrien. Wann A. das Fenster geöffnet oder auf sich aufmerksam gemacht habe, sei wichtig für die Beurteilung des Handelns der JVA-Bediensteten. Konkret stehe die Frage im Raum, ob sie den Brand früher hätten bemerken und A. retten können.
Die Staatsanwaltschaft teilte auf „Monitor“-Anfrage mit, die Frage, ob, wie und wann sich A. während des Brandgeschehens bemerkbar gemacht habe, sei Gegenstand der Ermittlungen. Dies gelte auch für die Frage, ob das Verhalten von JVA-Mitarbeitern von strafrechtlicher Relevanz sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP