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Monat der MännergesundheitEin Moustache für die Gesundheit

Der November ist der Männergesundheit gewidmet. Von Kürzungen betroffene freie Träger der Gesundheitsangebote nehmen das zum Anlass, mobil zu machen.

Will Mut machen: die Beratungsstelle von MUT-Traumahilfe für Männer* in der Rigaer Straße in Friedrichshain Foto: Andreas Hergeth

Berlin taz | Na, wer hat sich schon einen Schnurrbart wachsen lassen? Der gilt als ein (wenn auch nur temporäres) Zeichen der Solidarität – zumindest in diesen Wochen. Denn der November ist der Monat der Männergesundheit und wird zum „Movember“. Das „M“ steht für „Moustache“, so heißt auf Französisch der Schnurrbart. Männer, so die Idee, lassen sich den November über einen Moustache wachsen, um für die Männergesundheit zu werben. Eine Aktion, die ihren Ursprung in Australien haben soll, die Idee zum Monat der Männergesundheit selbst kommt aus den USA.

Der „Movember“ bietet sozusagen in konzentrierter Form die Möglichkeit, auf verschiedene Aspekte des Themas aufmerksam zu machen. Vereine und Projekte, die sich der Gesundheit von Männern widmen, machen mit, aber auch Organisationen wie das Bundesforum Männer oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Psychische Erkrankungen wie Depressionen und Krebs wie Hoden- oder Prostatakrebs und die Vorsorge stehen dabei im Vordergrund.

Das scheint bitter nötig: Männer bekommen 15 bis 20 Prozent mehr Krebserkrankungen als Frauen und sterben auch häufiger daran. „Doch nur jeder zehnte Mann geht regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen“, teilt die Berliner Krebsgesellschaft zum Monat der Männergesundheit mit. Pro Jahr würden in Deutschland etwa 275.000 Männer neu an Krebs erkranken. Dabei gilt: „Je früher Krebs erkannt wird, desto besser die Heilungschancen.“

Doch in diesem November ist einiges anders als sonst. Überall heißt es: Sparen, sparen, sparen. In Berlin sind alle Bereiche von Kürzungen betroffen. Jede Senatsverwaltung, und damit auch die für Gesundheit, muss im kommenden Jahr zehn Prozent des Budgets einsparen. Das sorgt für Unmut und Protest. „Ein gesundes Berlin braucht starke zivilgesellschaftliche Strukturen“, ist denn auch ein Papier betitelt, für das sich 43 Projekte aus dem Gesundheitsbereich zusammengefunden haben, um ihre Forderungen gemeinsam zu stellen.

MUT-Traumahilfe für Männer*

Das Angebot von MUT-Traumahilfe für Männer* richtet sich an Männer*, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, und unterstützt sie, sich mit den eigenen Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen auseinanderzusetzen und neuen Mut zu fassen. MUT ist ein Projekt von Hilfe für Jungs e. V. – der Verein unterstützt seit 1994 Jungen* und junge Männer*, die von sexueller Ausbeutung und Gewalt bedroht und/oder betroffen sind.

„Unverzichtbare Angebote absichern“

Es handelt sich um freie Träger, die im Rahmen des Integrierten Gesundheits- und Pflegeprogramms (IGPP) des Senats, und hier im Bereich „Besondere gesundheitliche Bedarfslagen“, gefördert werden. Die unterzeichnenden Gesundheitseinrichtungen „fordern eine verlässliche Finanzierung und den Abschluss eines neuen Rahmenfördervertrages 2026 bis 2030, die diese unverzichtbaren Angebote absichert“.

Die Protestnote wird auch von der MUT-Traumahilfe für Männer* getragen. Das Angebot gibt es seit 2017, es richtet sich an Männer*, die sexualisierte Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung erfahren haben. Weil Männer* und Jungen* unterschiedlich sind, es verschiedene Formen von Männlichkeit gibt, wird der Stern benutzt. MUT berät auch Trans*-, Inter*- und nichbinäre Personen.

„Wir wollten ein niedrigschwelliges Angebot schaffen“, sagt Markus Wickert, der Sozialarbeiter und Traumapädagoge arbeitet bei MUT von Anfang an. Die ersten drei Jahre wurde das Projekt durch Lottogelder finanziert, das reichte für zwei Stellen. Seither fördert die zuständige Senatsgesundheitsverwaltung das Projekt, von Jahr zu Jahr werden die Mittel bewilligt. Die Finanzierung reicht für 1,5 Stellen und damit für zwei Teilzeitmitarbeiter.

Niedrigschwellig meint: Das Angebot ist nicht so hochschwellig wie eine Therapie. „Davor haben viele Angst oder finden keinen Therapieplatz“, sagt Wickert. Schon gar nicht gehe das schnell, das dauere bekanntlich oft mehrere Monate lang. Bei MUT ist es dagegen möglich, rasch einen Termin für ein erstes beratendes Gespräch zu bekommen, zumindest eine erste Reaktion auf ein Hilfsersuchen, meist binnen 48 Stunden, verspricht Wickert und muss doch zugeben: „Das wird immer schwieriger, weil wir immer mehr Anfragen haben.“

Im wahrsten Sinne des Wort Mut machen

„Wir sind ein traumapädagogisches Stabilisierungsangebot“, erklärt er die Arbeitsweise. Nach dem ersten Gespräch werde gemeinsam überlegt, welche nächsten Schritte ratsam sind. MUT unterstützt Männer, sich mit ihren Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen auseinanderzusetzen.

Das macht MUT auch in Haftanstalten, Pflegeeinrichtungen, Flüchtlingsunterkünften und in Obdachlosenunterkünften. „Und wenn Leute nicht mobil sind, gehen wir notfalls auch nach Hause“, sagt Wickert. Die Mehrzahl der Gespräche findet aber in den vor einem Jahr neu bezogenen Räumlichkeiten in der Rigaer Straße 4 im Nordkiez von Friedrichshain statt. „MUT“ steht einladend in grüner Farbe auf den großen Schaufensterscheiben und soll im wahrsten Sinne des Wort Mut machen, bei entsprechenden Problemen an der Tür zu klingeln. Das geht auch anonym und ist in jedem Fall kostenlos.

Eine der beiden Gesprächsräume in der Beratungsstelle MUT-Traumhilfe für Männer* Foto: MUT

Es klingeln nicht wenige. Das Projekt fordert deshalb schon lange mehr Stellen, sagt Lukas Weber vom Verein Hilfe für Jungs. „Das ist uns in den letzten Jahren aber nie geglückt, obwohl es die Fallzahlen hergeben würden und der Bedarf einfach zu groß ist. Ein dritter Mitarbeiter wäre sozusagen schnell ausgelastet mit Terminen für Beratungsgespräche.“

Jedes Jahr erreicht die Beratungsstelle laut Weber über 90 direkt betroffene Menschen von sexualisierter Gewalt in über 900 Beratungsgesprächen. Manche kommen nur ein Mal, andere mehrfach, wieder andere werden weitervermittelt an Angebote, die besser geeignet sind. Hinzu kommen Beratungen mit Part­ne­r*in­nen, Angehörigen, Fachkräften, Be­treue­r*in­nen oder Schulungen.

„Wie es 2025 weitergeht, weiß aktuell niemand“

„Wir schauen, wer etwas braucht“, erklärt Wickert das Vorgehen. „Vielleicht braucht der junge Mann, der sich in einer Flüchtlingsunterkunft einer Mitarbeiterin anvertraut, gar keine akute Hilfe, wohl aber die Mitarbeiterin, die sich überfordert fühlt und nicht weiß, wie sie nun handeln und ob sie sich einlassen kann. Am Ende brauchen beide Hilfe, der eine bei mir, die andere bei meinem Kollegen.“

Manchmal sind Teams betroffen, dann wird zu einer Schulung geraten. Das alles wäre aber in den vergangenen Jahren viel zu kurz gekommen. Das kleine Team schafft nicht alle Schulungen, die es machen könnte – besser gesagt: machen müsste.

Beim Thema sexualisierte Gewalt gegen Männer haben wir viele Leerstellen

Markus Wickert, MUT – Traumahilfe für Männer*

„Wir denken ja immer, dass wir in einer aufgeklärten Gesellschaft leben, die alles weiß, wo es keine Tabus mehr gibt“, sagt Wickert. „Aber beim Thema sexualisierte Gewalt gegen Männer haben wir viele Leerstellen.“ Umso dramatischer ist es, dass die Zukunft in den Sternen steht. „Wie es 2025 weitergeht, weiß aktuell niemand“, sagt Weber.

Bisher klappte die Finanzierung so gut wie reibungslos, so Weber weiter. „Was dieses Jahr schwierig ist: Der Senat denkt darüber nach, ob innerhalb des IGPP gekürzt werden soll und zusätzlich die Dauer von fünf Jahren festgeschrieben wird – oder aufs jährliche System umgestellt wird.“

Prinzip Gießkanne?

Zur Erinnerung: Alle Projekte hangeln sich mit den Zusagen für eine weitere Förderung von Jahr zu Jahr. Im IGPP war das aber bisher sicherer, da die Gelder im Haushalt für fünf Jahre festgeschrieben wurden. Eine Sicherheit bei guter Arbeit würde „flöten gehen“, wenn es zur Veränderung des Finanzierungsmodus kommt, sagt Weber. Dass alle Senatsverwaltungen mindestens zehn Prozent ihres Etats einsparen müssen, verschärft das Problem.

Wie das ausgeht, kann niemand vorhersagen. Lukas Weber hat Fragen, die derzeit auch in vielen anderen Projekten und Vereinen gestellt werden: Werden ganze Projekte aus der Förderung gestrichen? Oder kommt das Prinzip Gießkanne zum Tragen und alle bekommen zehn Prozent weniger?

„Selbst wenn wir nicht gekürzt werden“, sagt Weber, „ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es eine Nullrunde geben wird.“ Dann könnten keine Tarifsteigerungen und keine Stufenaufstiege gezahlt werden. Das heißt: „De facto werden wir gekürzt.“ Der Verein müsste dann den Kol­le­g*in­nen von MUT weniger zahlen. Hinzu kommt die Inflation. „Wir bräuchten eh jedes Jahr einen Tick mehr Budget.“

Früher hätte es immer geheißen: Machen Sie sich mal keine Gedanken wegen der Finanzierung. Das aber würde dieses Jahr fehlen, so Weber. „Ich mache mir Sorgen um meine Kollegen, vor allem aber um unsere gesamte Klientel.“

Braucht die Stadt beide Projekte?

Weber verweist hier auch auf Tauwetter. Das ist die Anlaufstelle, für Männer* und TIN*, die in Kindheit, Jugend oder als Erwachsene sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, das Projekt ist in Kreuzberg beheimatet und 1995 aus einer Selbsthilfegruppe heraus entstanden. Die beiden Projekte kooperieren. In einem gemeinsamen Papier warnen Tauwetter und Hilfe für Jungs, dass geplante Haushaltseinsparungen und die Haushaltsspeere nicht zu Lasten von Betroffenen sexualisierter Gewalt gehen dürften.

Kein abwegiges Szenario, wie ein Statement von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nahelegt: Wenn Berlin zwei Projekte habe, die zum Themenfeld sexualisierte Gewalt und Männer arbeiten – ja, braucht die Stadt denn beide? Reicht nicht nur eines?

„Wir haben über 250.000 betroffene Menschen in der Stadt“, sagt Weber – wenn man Studien hochrechne, komme man auf diese Zahl. „Wir sind jeden Tag mit Beratung ausgebucht, unsere Kollegen von Tauwetter auch. Natürlich mache ich mir Sorgen. Ich will, dass weder bei uns noch bei ihnen gekürzt wird.“

Weber sagt: „Ich habe zum Teil schlaflose Nächte, weil ich nicht weiß, wie es weitergehen wird. Es ist doch eine Zumutung für uns Kollegen. Kürzt du deine Stunden oder ich? Sparen wir uns das Essen und Trinken und pädagogische Materialien bei den Gesprächen? Haben wir künftig montags immer zu?“ Die Unsicherheit wäre schwer zu ertragen.

Lukas Weber ist nach eigenen Angaben gut vernetzt innerhalb der zuständigen Senatsverwaltung, mit den Staatssekretär*innen, teils auch den Se­na­to­r*innen, mit Abgeordneten von SPD und CDU. Aber das nützt nichts.

„Nicht einfach nach dem Prinzip Rasenmäher“

Es wäre wichtig, dass da „nicht einfach nach dem Prinzip Rasenmäher verfahren wird“, sagt Catherina Pieroth, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, der taz. Sie bringt die Sprache auf selbstverwaltete Budgets, damit die Projekte, die im Rahmen des IGPP gefördert werden, nicht „länger als Bittsteller“ auftreten müssten. „Wir müssen endlich wieder mehr Vertrauen zu den Trägern haben und nicht den großen Teil der Ausgaben in ihre Kontrolle.“

He, uns gibt es, wir sind wichtig! Wir übernehmen die Arbeit des Staates

Lukas Weber, Verein Hilfe für Jungs

Der Landespolitikerin ist im Bereich der Männergesundheit die HIV-Prävention wichtig. Der Checkpoint am Hermannplatz würde da zum Beispiel eine hervorragende Arbeit leisten. „Mir ist wichtig, dass wir die Strukturen, die wir in der Stadt seit vielen Jahren aufgebaut haben, auch mit vielen kleineren Trägern wie MUT weiter fördern. Das gilt auch für die PrEP-Prävention.“

Aber noch ist nicht klar, wo genau gespart wird, das wird noch Wochen dauern. Es sickert auch nichts durch, wie das sonst oft der Fall ist. „Mir fehlt gerade der Blick auf große Ganze“, sagt Weber. Er glaubt, dass es in ein paar Wochen „ein großes Hauen und Stechen geben wird“.

Daher trommeln MUT und die anderen Gesundheitseinrichtungen in eigener Sache: „He, uns gibt es, wir sind wichtig! Wir übernehmen die Arbeit des Staates.“

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