Möglicher Außenminister Martin Schulz: Rampensau mit Ambitionen
EU-Parlamentspräsident Schulz gilt als heißer Anwärter für das Außenministeramt. Für SPD-Chef Gabriel wäre das eine zweischneidige Besetzung.
Der gelernte Buchhändler und frühere Bürgermeister von Würselen, einer Kleinstadt bei Aachen, spielt seit Jahren eine zentrale Rolle in Brüssel und Straßburg. Seit 2012 ist er mit Unterbrechungen Parlamentspräsident, und er füllte den auf Repräsentation angelegten Posten mit Machtanspruch aus. Schulz ist ein enger Freund von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, mit dem er fast jeden Morgen telefoniert. Er kennt die allermeisten Staats- und Regierungschefs in der EU persönlich und hat selbstverständlich auch die Handynummer von Angela Merkel. Schulz ist ein absolut überzeugter Europäer.
Doch seine Zukunft in Straßburg ist ungewiss. Die Konservativen möchten seinen Posten in den kommenden zwei Jahren mit einem eigenen Mann besetzen. Schulz kämpft seit Monaten um eine Verlängerung. Ob er sich durchsetzen kann, ist mehr als fraglich. Für Schulz geht es deshalb auch um seine politische Zukunft. Ein Spitzenjob in der deutschen Politik wäre für den machtbewussten SPDler attraktiver, als als Hinterbänkler im EU-Parlament zu enden. Laut Koalitionsvertrag steht der SPD der Posten des Außenministers zu – er wäre wie für Schulz gemacht.
SPD-Chef Sigmar Gabriel wird diese Entscheidung treffen, für ihn wäre Schulz’ Schritt nach Berlin zweischneidig. Schulz genießt große Sympathien in der SPD, viele können ihn sich auch als Kanzlerkandidaten oder als Vorsitzenden vorstellen. Im Moment spricht viel dafür, dass Gabriel die Aufgabe, Angela Merkel 2017 herauszufordern, selbst übernimmt. Schulz, einer seiner wenigen Freunde in der engeren SPD-Führung, würde im Wahlkampf alles tun, um ihn zu unterstützen.
Spannend wäre, was nach einer – nicht unwahrscheinlichen – Wahlniederlage 2017 passiert. Gabriel wäre geschwächt, ihm würden alle Fehler angelastet. Griffe dann Schulz nach dem begehrten SPD-Vorsitz, von dem Gabriel stets betont, wie stolz ihn diese Aufgabe macht?
Schulz wäre in jedem Fall ein ganz anderer Außenminister als der besonnene Steinmeier. Jener wägt jede Silbe ab, beherrscht die Klaviatur der Diplomatie blind und wirkt deshalb etwas langweilig. Schulz verdankt seinen Aufstieg auch seiner großen Klappe. Wie Gabriel prescht er gerne mit Ideen vor, was manchmal klappt, manchmal aber auch nicht. Doch auch Schulz kann ungemein verbindlich sein, selbst wichtige Konservative schätzen seine Zuverlässigkeit.
Schulz statt Steinmeier, das wäre ein neuer Sound in der deutschen Außenpolitik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag