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Mögliche Anklage gegen Gregor GysiStasi, Stunk und Staatsanwälte

Hamburgs grüner Justizsenator muss entscheiden, ob seine Ermittler Anklage gegen Gregor Gysi erheben. Eine Posse um einen eifrigen Generalstaatsanwalt.

Kein hinreichender Verdacht – trotzdem Anklage? Gregor Gysi. Bild: dpa

BERLIN taz | In Gregor Gysis Zeitplan passt die Meldung aus Hamburg nicht. Anfang Juni wird der Linken-Fraktionschef auf dem Parteitag vermutlich verkünden, wie er seine Zukunft plant: ob er die Linksfraktion auch über den Herbst hinaus führen wird oder ob er abtritt, um den Weg für eine Doppelspitze freizumachen. Ein großer Auftritt für den Altmeister seiner Partei – der nun wahrscheinlich von der Hamburger Justizposse überschattet wird.

In der Hansestadt streitet die Staatsanwaltschaft über eine mögliche Anklage gegen Gysi. Dieser hatte vor vier Jahren in einer eidesstattlichen Versicherung erklärt, er habe in der DDR „zu keinem Zeitpunkt wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet“. Ein pensionierter Richter zweifelte an dieser Aussage und zeigte den Linken-Politiker an. Zweieinhalb Jahre lang ermittelte daraufhin ein Hamburger Staatsanwalt und stelle schließlich fest, dass kein hinreichender Verdacht für eine Anklage bestehe.

Eigentlich wäre die Angelegenheit damit erledigt – hätte nicht der Vorgesetzte des Juristen interveniert. Generalstaatsanwalt Lutz von Selle ordnete an, doch Anklage zu erheben. Ein seltener Vorgang, beinahe so selten wie die Reaktion: Der ermittelnde Staatsanwalt verweigerte die Gefolgschaft und beschwerte sich bei Justizsenator Till Steffen (Grüne), der nun über den Widerspruch entscheiden muss. Einen entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung bestätigte seine Behörde am Donnerstag.

Ein kleiner Trost für die Beteiligten: Sie sind nicht die Ersten, die sich über den Generalstaatsanwalt ärgern. 2013 berichteten Hamburger Polizisten von einer Attacke auf ihr Revier. Als herauskam, dass der vermeintliche Angriff weit weniger gravierend war, wollte von Selle das Verfahren an sich ziehen. Die zuständigen Senatoren wiesen ihn aber in die Schranken.

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16 Kommentare

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  • "Anfang Juni wird der Linken-Fraktionschef auf dem Parteitag vermutlich verkünden, wie er seine Zukunft plant: ob er die Linksfraktion auch über den Herbst hinaus führen wird oder ob er abtritt, um den Weg für eine Doppelspitze freizumachen".

     

    Zum 65 Geburtstag des Grundgesetzes hat Herr Gysi sich wie folgt geäußert:

     

    "...für eine bessere Gesellschaft zu kämpfen und zu streiten, in der die Würde einer und eines jeden Einzelnen in einem hohen Maße verwirklicht sein wird."

     

    Wer so im Namen des Volkes spricht, muss bleiben!

  • Ein pensionierter Richter zweifelte an dieser Aussage und zeigte den Linken-Politiker an. Zweieinhalb Jahre lang ermittelte daraufhin ein Hamburger Staatsanwalt und stelle schließlich fest, dass kein hinreichender Verdacht für eine Anklage bestehe.

     

    Der ehemalige Richter könnte auch wegen Verleumdung angeklagt werden.

     

    Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    http://dejure.org/gesetze/StGB/187.html

  • Vioelleicht sollten alle mündigen Bürger dem Herrn Genralstaatsanwalt einen Rosenstrauß schicken. Er ist ja alt genug um die Anspielung zu verstehen.

    • @Harald Baedeker:

      Klären Sie uns auf?

      • @Konrad Ohneland:

        Der Film "Rosen für den Staatsanwalt" behandelte die Verstrickung eines Juristen in die Nazi-Zeit. Auch heute noch sehenswert. - Der Genaralstaats-anwalt ist zweifellos zu jung um selbst darin verstrickt gewesen zu sein. Sein Handeln erinnert mich aber sehr an die frühen 60er

  • "Gegen das, was hier beim BND mit der NSA läuft, war die Stasi doch ne harmlose Provinz-Laientruppe."

     

    Aber sonst geht's uns gut?

     

    So weit sind unsere Gehheimdienste - zum Glück! - noch lange nicht:

     

    http://stasiopfer.de/content/view/21/55/

    • @Spitzbube:

      Wie weit diese Geheimdienste sind, kann ja nicht einmal von den Kontrollgremien der Bundesregierung ansatzweise beantwortet werden, aber Sie haben da natürlich schon den vollständigen Durchblick und können das abschließend und umfassend beurteilen - Toll!

      • @Rainer B.:

        Bei all den Skandalen um unsere Geheimdienste wären "Zersetzungsmaßnahmen" a la MfS doch wohl schon lange aufgeflogen. Oder?

        • @Spitzbube:

          Die Stasi verfügte auch noch nicht über Fernseher oder Smartphones mit eingebauter Kamera in die man sich bequem einloggen kann um zu kucken: braves Schaf oder nicht. Es gab keine Postkarten (alias Emails) über das Internet mit intimen Gesprächen die sich abfangen lassen. Da lässt sich bei der NSA ganz anders arbeiten. Motto: wer sich nichts zu schulden kommen lässt, arbeitet und konsumiert.

        • @Spitzbube:

          Andere Zeiten, andere Methoden, andere Maßnahmen, andere Täter, andere Opfer.

          Durch die NSA werden weltweit Leute bespitzelt bis hin zur Auflösung jeglicher Privatsphäre. Das allein stellt für sich schon ein mächtiges Instrument der psychologischen Kriegsführung dar und man kann es durchaus auch als Fortentwicklung dessen, was man beim MfS noch "Operative Psychologie" nannte, bezeichnen.

          Die vom NSA gesammelten Daten werden darüberhinaus direkt verwendet, um diverse Todeslisten aufzustellen und abzuarbeiten. Diese Listen entziehen sich jeglicher rechtsstaalicher Kontrolle. Es reicht dabei schon aus, dass ein Computer anhand bestimmter Vergleichmerkmale jemanden als "Terroristen" erwählt. Die Drohnenangriffsziele werden nicht selten allein aufgrund von Handydaten bestimmt, wobei man billigend in Kauf nimmt, dass auch völlig unbeteiligte Personen getroffen werden. Dass der BND dazu willige Schützenhilfe leistet, macht ihn zum Mittäter ausserhalb von Recht und Gesetz.

          • @Rainer B.:

            Ja ja, alles das selbe, schon klar. Allein: hätten Sie sich in der DDR so über die Stasi und den befreundeten KGB geäußert, säßen sie in Kürze mit gezogenen Fingernägeln ("wir mussten ja sicher gehen, dass er die Wahrheit sagt") in Sibirien.

            Heute und hier passiert Ihnen das nicht, und auf Todeslisten stehen Sie auch nicht, Ihre Kinder dürfen weiter studieren und erhalten, falls finanziell berechtigt, Bafög, und Sie erhalten, falls Sie keine Arbeit finden, Hartz 4. Obwohl Sie Ihrem Hass auf das Schweinesystem freien Lauf lassen.

            Das ist schon ein wesentlicher Unterschied, nicht wahr?

            • @Thomas Fuller:

              Hass - Nein.

              Schweinesystem - Ja.

              Wesentlicher Unterschied - Nein. Nur eine Frage der Zeit, wenn man nicht gegensteuert.

  • Demokratie bedeutet doch vor allem strikte Gewaltenteilung. In Hamburg nimmt man es in vielen Bereichen damit schon lange nicht mehr so genau. Wenn ein Staatsanwalt zweieinhalb Jahre ermittelt und nichts findest, was eine Anklage begründen könnte, dann wird da sehr wahrscheinlich auch nichts sein. Sein Vorgesetzter kann das selbstverständlich gerne anders sehen, aber womit will er die Anklage denn nun begründen? Bauchgefühl? Bislang sind sämtliche derartigen Klagen an Gysi komplett abgeperlt. Man könnte fast auf den Gedanken kommen, der Oberstaatsanwalt möchte hier nur einen weiteren Sieg für Gysi ermöglichen. Oder möchte er nur einen grünen Justizsenator in Verlegenheit bringen? Nur zu! Wir haben's doch so dicke hier im Hamburg-Olymp.

     

    PS: Gegen das, was hier beim BND mit der NSA läuft, war die Stasi doch ne harmlose Provinz-Laientruppe.

    • @Rainer B.:

      Na sooo harmlos war die Stasi nicht. Sie hat genug Verbrechen begangen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Das ist völlig richtig. Die Verbrechen von BND/NSA finden allerdings in einem erheblich größeren Maßstab statt und sind weniger leicht zu durchschauen, als es bei der Stasi noch der Fall war. 25 Jahre nach der Wiedervereinigung erfüllen derartige Klagen hier doch nur noch den Zweck der Ablenkung von ganz anderen Schweinereien.