Modetrend Barbiecore: Pink als Lebensgefühl

Barbiecore ist der Modetrend der Stunde und ein Ausdruck von Feminismus. Seinen Zenit hat die Ästhetik noch lange nicht erreicht – alles wegen Barbie?

Frauen mir Barbie Schildern in Pink Outfits

Barbiecore-Ourfits: in Light pink, Hot Pink oder Misty Rose Foto: Chris Pizzello/ap

In eleganten rosé Kostüm oder dem eng anliegenden Kleid in „hot pink“: Barbiecore ist der Modetrend der Stunde. Er ist in seiner femininen Optik extravagant und überambitioniert pink. Wie Barbie eben. Aber der Look soll auch feministisch sein, sagen die Träger*innen.

Am Donnerstag läuft der lang angekündigte Barbie-Film von Greta Gerwig und Noah Baumbach in den Kinos an. Aber bereits im Juni 2022 kam der Trend erstmals auf. Damals konnte man erstmals hinter die Kulissen des Barbie-Films schauen. Margot Robbie aka Barbie und Ryan Gosling aka Ken skateten in knallbunten Outfits und auf neongelben Inlinern über den Boulevard am Venice Beach in Los Angeles.

In demselben Jahr widmete das Modelabel Valentino gemeinsam mit dem Farbkonzern Pantone der Farbe Pink eine ganze Kollektion. Popstars von Lizzo bis Hailey Bieber liebten den Trend, obwohl über den Film noch nicht viel bekannt war außer der Story. Allein die feministische Regisseurin Greta „The Great“ Gerwig ließ Gutes erhoffen.

Bereits vor dem Kinostart ist klar, dass „Barbie“ einer der erfolgreichsten Filme des Jahres werden wird. Der Film und die vielen Marketingkooperationen, die bereits vorab entstanden sind, befeuern Barbiecore umso mehr. Alle großen Marken releasen plötzlich Barbie-Kollektionen. Und es nimmt kein Ende: Die leuchtend pinke Barbie-Xbox, Barbie-Haar- und Zahnbürste, Barbie-Crocks und Barbie-Sneaker, Barbie-Surfbretter, Barbie-Donuts. You name it. Egal welches Produkt, es wird in einer Barbie-Version zu finden sein.

Chirurgin, Nobelpreisträgerin und Präsidentschafts-Kandidatin

Die Puppe existiert seit 64 Jahren und hat in dieser Zeit nicht nur Trends aus allen Jahrzehnten getragen. Sie wurde selbst zum Markenzeichen. Barbie als OG (Original Girlboss) des vermarktbaren Lifestyle-Feminismus.

Denn sie kann alles sein und sieht dabei immer perfekt aus. In ihren 64 Jahren arbeitete sie in mehr als 200 Berufen. Es gibt Barbie als Chirurgin, Barbie als Nobelpreisträgerin und als Kandidatin für das amerikanische Präsidentenamt. Ihrer Erfinderin, Ruth Handler, sagte mal: „Jedes Mädchen braucht eine Puppe, durch die es sich in die Zukunft seiner Träume projizieren kann.“

Nun soll Barbie – der Film, die Mode, die Puppe – als Wahrzeichen des Feminismus funktionieren. Wie passt das zusammen?

Für die Frauenrechtsbewegung der 70er war Barbie das Feindbild schlechthin. Dabei war sie 1965 bereits Astronautin. Zu dem Zeitpunkt konnten Frauen in der Bundesrepublik nur dann berufstätig sein, wenn das „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war.

Über die Jahrzehnte wurde die Puppe immer wieder auf ihr Äußeres reduziert. Sie würde ungesunde Schönheitsideale befördern, vor allem falsche Körperbilder, so die Kritik. Zudem wurden ihre pinken bunten femininen Looks als unfeministisch betrachtet. Aber mit Femininität ist es so eine Sache. Barbiecore reiht sich in eine Reihe von Trends der letzten Jahre ein: Pinkcore, Ballettcore, Princesscore. Sie sind sich alle sehr ähnlich und nutzen allesamt eine sehr weibliche Ästhetik. Dafür gibt es auch einen Begriff, nämlich „Hyperfemininität“.

Gegen pink-blaue Binarität

Femininität ist grundsätzlich kein einfaches Thema genau wie die Farbe Pink in dem Zusammenhang. Sie wird mit Weiblichkeit assoziiert und steht in der pink-blauen Binarität für alte Geschlechternormen. Zugleich nutzen feministische Bewegungen ebendiese Farbe, um sich selbst zu empowern. So wollen sie die Farbe neu verknüpfen und aus ihrem feministischen Standpunkt heraus besetzen.

Die ganze Ästhetik wirkt bekannt. Jogginganzug in all-pink, lange blonde Haare, große Sonnenbrille. Klar, das ist Paris Hilton. Der Barbietrend reiht sich modisch in diese Zeit ein – im Look von Y2K (bedeutet Year, also Jahr 2000), der aktuell die Mode dominiert. Zu Beginn des Jahrzehnts war ein Girly-Look mit plüschig-bunten Scrunchies, Pailettentops und viel rosa in Mode. Britney Spears und Paris Hilton prägten diesen Stil. Damals erschien auch der Film „Natürlich Blond“. Reese Witherspoon spielt die Harvard-Studentin Elle Woods mit einem sehr mädchenhaften Look. Vermutlich gibt es keine Szene, in der sie nicht Pink trägt. Dabei vermittelt der Film vor allem eine Nachricht: Das Aussehen einer Frau sagt rein gar nichts über ihren Charakter oder ihre Fähigkeiten aus. Eigentlich ein ziemlich feministischer Ansatz.

Damals wollte man sich aber unbedingt von dem Mädchenhaften trennen. Daraus entwickelte sich eine Gegenbewegung: die „Pick Me Girls“. Diese Gruppe will nicht so sein wie andere Frauen, viel lieber hängt sie mit Männern ab, weil die ohnehin viel entspannter seien. In Holzfällerhemd, weißem Shirt und Jeans blickten die Pick Me Girls abfällig auf das „Tussigehabe“, das sie als rückständig betrachteten. Nirgends kommt das besser zum Ausdruck als in dem Kultfilm „Mean Girls“ (deutsch: Girls Club – Vorsicht bissig!), in dem die Girl-Girls, die Plastics, als wenig intelligente Zicken dargestellt werden, die außer süß auszusehen nichts zu bieten haben. In dem Versuch, typisch Weibliches abzulegen, verstärkte der Trend aufs Neue negative Klischees vom dummen Blondchen und von Weiblichkeit.

Barbiecore kommt nicht zum ersten Mal zurück. In den 2010ern eignet sich Nicky Minaj die Ästhetik an – aber aus der Perspektive einer Frau of Color. Genauso wie Barbie waren die Trä­ge­r*in­nen des Trends in den 2000ern vor allem eins: weiß, dünn und blond. Sowohl das Pick Me Girl als auch die Barbie wurden lange vor allem auch aus dieser weißen feministischen Perspektive betrachtet. Für Schwarze Frauen, die häufiger als männlich betrachtet werden, oder für stark übergewichtige Frauen, für die die Modeindustrie zu lange nur unförmige Kleidung produzierte, spielte der Ausdruck von Weiblichkeit ohnehin eine ganz andere Rolle.

Anders als in den 2000ern ist Barbiecore heute aber wesentlich inklusiver. Alle können mitmachen. Die Modeträger*innen, die im Netz den Trend verkörpern, sind nicht nur weiß und blond, sie sind Schwarz, Muslima, kurvig, nichtbinär und können eine Behinderung haben.

Der Trend hat eine feministische Nachricht, die unbedingt hängen bleiben sollte. Egal wie Menschen sich kleiden, insbesondere FLINTA* – sie sollten unabhängig davon ernst genommen werden. Egal ob sie Nadelstreifenanzug oder ein leuchtend pinkfarbiges Kleid tragen.

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