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Modernes Regieren in Kriegszeiten

Der Kanzler ist nicht wirklich böse, der Außenminister schweigt: Warum der große Koalitionskrach um die US-Bombardements ausbleibt

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Manchmal lässt sich der Zustand der rot-grünen Koalition besser an den Gesichtern ihrer Protagonisten ablesen als an deren Worten. Wenn etwa Gerhard Schröder sauer ist auf die Grünen, sieht man es ihm an. Diesmal hingegen sitzt ihm ein fast schalkhaftes Grinsen in den Mund- und Augenwinkeln, als solle der kleine Koalitionspartner seinen kategorischen Satz nicht als gar zu strenge Rüge auffassen. „Das ist nicht die Politik der Bundesregierung und wird es auch nicht werden“, kommentierte er am Montag die Forderung des grünen Parteirats, die Luftschläge gegen Afghanistan auszusetzen.

Am Dienstag klang der Bundeskanzler, der sonst gerne mal poltert, sogar regelrecht sanftmütig: Er „verstehe und respektiere“ das Mitgefühl, das hinter diesem Vorschlag stehe. „Aber das geht nicht.“

Mögen die Zeitungen von Koalitionsstreit schreiben – Gerhard Schröder ist entschlossen, sich seine ganz persönliche Anti-Terror-Koalition nicht durcheinander bringen zu lassen. Erst recht nicht von Claudia Roth, die er nur eingeschränkt schätzt. Die Grünen-Chefin hatte es am Montag geschafft, den Parteirat samt der Schröder-Spezis Rezzo Schlauch und Joschka Fischer hinter ihrem Bombenstopp-Appell zu versammeln. Zu einem formellen Beschluss kam es zwar nicht, aber selbst Fischers Vertreter Ludger Volmer trug zum hinterher verkündeten „Einvernehmen“ bei.

Die SPD für die Bombardierung, die Grünen dagegen – so lässt sich nicht regieren. Entschlösse Schröder sich, die Forderung der Grünen ernst zu nehmen, würde sie nicht weniger bedeuten als ein Ende der neuen Staatsräson über die uneingeschränkte Solidarität mit den USA. Und deshalb nimmt Schröder die Forderung nicht ernst. Er geht dem Konflikt aus dem Weg, indem er ihn ignoriert. Modernes Regieren im 21. Jahrhundert hieß das in friedlicheren Zeiten.

Des Kanzlers Aussichten auf Erfolg stehen nicht schlecht, denn auch der Vizekanzler hat sich entschlossen, den grünen Parteirat zu ignorieren. Dies ist einigermaßen verwunderlich, schließlich telefonierte das terminlich verhinderte Parteiratsmitglied Joschka Fischer noch vor der Sitzung mit Claudia Roth. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Hans-Peter Repnik ätzte bereits, bei den Grünen gebe es offenbar eine Arbeitsteilung zwischen Fischer und Roth. Der eine schwöre den USA Solidarität, die andere bediene „primitive antiamerikanische Instinkte“.

Fischer selbst schweigt. Er könne eine Stellungnahme erst abgeben, wenn er sich bei einem Besuch in der Region informiert habe. Informationen aus seinem Team zufolge hatte der Außenminister nicht damit gerechnet, dass Roth aus ihrer persönlichen Meinung einen Parteibeschluss zimmert. Ganz unlieb ist dem Ober-Grünen die Entwicklung vielleicht nicht. Vor der Berlin-Wahl am kommenden Sonntag stehen die Grünen jetzt unerwartet kriegskritisch da, das kann nützen.

Hinter Schröders Schlitzohrigkeit dürfte jedenfalls eine kühle politische Analyse stehen. Der SPD-Vorsitzende kann dieser Tage erleben, dass auch in seiner eigenen Partei erste Bedenken gegen Sinn und Zielsetzung der US-Luftschläge laut werden. So hat sich der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer zu Wort gemeldet, der als Träger des Alternativen Nobelpreises über moralische Integrität verfügt. Mit Blick auf „einige ziemlich schwerwiegende Fehlschüsse“ der US-Luftwaffe fordert Scheer: „Wenn es Unschuldige trifft, dann ist eben eine Bombenpause fällig.“

Zwar steht das Fraktionsestablishment zu Schröders Afghanistan-Politik, so etwa Hans-Ulrich Klose oder der Vorsitzende des rechten Seeheimer Kreises Reinhold Robbe. Die Erfahrung aus dem Kosovokrieg lehrt aber, dass die Zahl der Gegner in der SPD-Frakion mit der Dauer der Angriffe wachsen wird. Schröder ist offenbar bemüht, die Mitglieder der eigenen Fraktion nicht unnötig zu vergrätzen.

Ein wesentlicher Grund dafür ist die Erwartung im Kanzleramt, dass sich Deutschland in absehbarer Zeit an US-Einsätzen beteiligen muss. Entsprechende Vorwarnungen erhielten die Partei- und Fraktionsspitzen am Montagabend beim Briefing durch Schröder. „Die Amerikaner werden ihre Verbündeten in ihre Operationen einbeziehen“, zeigte sich danach Michael Glos von der CSU überzeugt. Schröder weiß also, dass die wirklich harten Auseinandersetzungen erst noch kommen. Wenn der Bundestag über eine deutsche Beteiligung abstimmt, ist Schröder auf jeden Koalitionsabgeordneten angewiesen.

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