Modedesigner über Politik und Wahlen: „Es sind nicht alle so stark“
Harald Glööckler vermisst Typen in der Politik. Der Designer über Merkel und Steinbrück, soziale Gerechtigkeit und Leistung.
taz: Herr Glööckler, Sie wohnen in Berlin-Mitte, Friedrichstraße Ecke unter den Linden. Wissen Sie eigentlich, wo Ihr Wahllokal ist?
Harald Glööckler: Nein, das ist auch nicht vonnöten, weil ich Briefwahl beantragt habe. Jetzt dachten Sie, dass Sie mich kriegen, was?
Ein Versuch war es wert. Haben Sie schon gewählt?
Nein. Ich befinde mich in einem großen Gewissenskonflikt. Eigentlich bin ich der Meinung, man sollte wählen gehen, sonst braucht man später auch nicht meckern. Aber jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem man nicht mehr weiß, wen man wählen soll, weil es völlig gleich ist, wen man wählt. Ich trauere sehr einer Zeit nach, in der wir politische Persönlichkeiten hatten, wie Franz-Josef Strauß, Herbert Wehner, Willy Brandt. Die hatten ein Profil, eine Einstellung, egal wie man die Menschen im Einzelnen fand. Heute ist alles dasselbe.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Die Frage ist, wie viel Macht die Politik überhaupt noch hat. Ist es nicht egal, wer vorne dran ist? Die Strippenzieher sind immer dieselben. Das ist für mich frustrierend.
Person: Ein deutscher Modedesigner, Jahrgang 1965. Nach einer Lehre zum Einzelhandelskaufmann arbeitete er in einem Jeansladen. 1987 eröffnete er in Stuttgart ein Modegeschäft mit seinem Partner Dieter Schroth, mit dem er noch heute liiert ist. Drei Jahre später gründeten sie das Modelabel „Pompöös“. Mittlerweile verfügt er über ein Imperium. Man kann von ihm Mode, Kosmetik, Porzellan, Bilder, Tapeten und Möbel kaufen. Sein Unternehmen vermarktet seine Produkte in über 80 Ländern.
Rolle: Bekannt wurde er durch Auftritte bei Teleshoppingsendern. Zuletzt hatte er eine eigenen Dokureihe auf Vox. Glööckler hat sich selbst zur Marke gemacht. Durch etliche Schönheits-OPs hat er sich ein glamouröses Äußeres gegeben. Er lebt in Berlin. (pw)
Können Sie das präzisieren?
Seit sieben, acht Jahren ändert sich nichts in Sachen Kinderarmut. Fast drei Millionen Kinder leben unter der Armutsgrenze. Nur in Wahlkämpfen sagen die Politiker, dass man sich um Kinder kümmern muss. Toll. Für Banken gibt es Rettungsschirme. Immer wieder. Für Kinder gibt es keine Rettungsschirme. Die Umverteilung geht ja nur zu Lasten der Bürger, die müssen das am Ende bezahlen. Es gibt da einen schönen Spruch von Marx, jetzt fällt er mir gerade nicht ein …
… „Kapital ist geronnene Arbeit“ …
… nein, ich hab’s … ’Gewinne werden privatisiert, Verluste werden sozialisiert‘. Das frustriert mich schon sehr.
Sie prangern an, dass Banken gerettet werden...
… nein, ich prangere an, dass Kindern nicht geholfen wird.
Die Linkspartei hat bei der Finanzkrise ja deutlich abweichende Meinungen. Verstaatlichung von Banken und so weiter ...
… ja, aber unterm Strich glaube ich, dass auch die nichts verändern können. Die Personen verändern sich, wenn sie an die Macht kommen. Ich will Ihnen keinen Namen sagen, aber viele Politiker haben sich extrem verändert. Viele, die früher gegen Kapitalismus gewettert haben, sind heute dessen größte Fans. Ich habe große Probleme, eine Partei zu finden, die mich vertritt.
Sie sagten gerade, es fehle an Typen in der Politik...
….ich finde übrigens, Frau Merkel und Herr Steinbrück unterscheiden sich nicht merklich. Wer wirklich Esprit und Witz hat, ist ja Herr Gysi. Der kommt auch auf dem Plakat gut rüber, als wäre er in der Sommerfrische gewesen. Steinbrück sieht auf den Wahlplakaten leider aus, als hätte man ihn mumifiziert.
Brauchen Politiker einen Markenkern?
Sie müssen Ecken und Kanten haben, klare Ansichten, die sie vertreten. Das lieben die Menschen an Herrn Glööckler. Die müssen nicht immer mögen, was ich sage, aber keiner mag Menschen, die immer mit dem Wind reden.
Glauben Sie, dass Frau Merkel auch von sich in der dritten Person spricht?
Also ich differenziere zwischen Herrn Glööckler und mir. Das muss ich auch. Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch Frau Merkel macht.
Wie definiert Frau Merkel wohl die Bundeskanzlerin, das ist doch auch eine Art Kunstfigur.
Klar. Sie macht ja manche Dinge auch sehr clever. Sie hat es geschafft, dass man ihr völlig vertraut hat. Früher dachte ich, der könntest du einen Geldbeutel in die Hand drücken, die würde keinen Cent rausnehmen.
Heute nicht mehr?
Naja, nach der Griechenland-Sache weiß ich nicht mehr so recht. Da ist schon Unsicherheit. Ich würde wohl die Kreditkarten rausnehmen.
Was ist soziale Gerechtigkeit?
Schwieriges Thema. Wenn Sie morgen das ganze Geld der Welt umverteilen würden, wäre es in zwei Jahren wieder am gleichen Punkt. Es gibt Menschen, die in Sachen Geld einfach kein Glück haben. Es zerrinnt ihnen in den Händen. Um mehr haben zu wollen, müssen sie mehr leisten. Müssen mehr arbeiten. Ich definiere mich als Arbeiter – ich möchte aber auch nicht mehr arm sein.
Waren Sie arm?
Ja, deshalb kann ich mitfühlen. Es sind nicht alle so stark wie Herr Glööckler und boxen sich durch. Es gibt heute Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, Ältere, und die dann ganz wenig Rente bekommen …
Ist Hartz IV gerecht?
Es ist schlimm, dass es Hartz IV überhaupt geben muss.
Sind Sie für ein bedingungsloses Grundeinkommen? 1000 Euro für alle.
Nein. Ich finde es eigentlich entsetzlich, dass nicht jeder in der Lage ist, sich selbst zu ernähren. Ich stelle es mir schrecklich vor, Hartz IV zu bekommen. Du hast ja keine Wertschätzung, keine Bestätigung deiner selbst. Wir müssen gucken, dass Menschen eine Beschäftigung bekommen. Das wäre das Optimale. Und jeder der etwas bekommt, sollte irgendetwas auch zurückgeben.
Sie versteuern Ihre Einnahmen komplett in Deutschland. Wären Sie bereit, noch mehr Steuern zu zahlen?
Ich zahle schon genug. Ich kann mich nicht beklagen. Aber ich habe die Einstellung, wenn ich mehr bezahlen muss, dann muss ich mehr bezahlen. Dann muss ich eben mehr verdienen. Das ist also nicht wahlentscheidend für mich, welche Partei wie viel Steuern fordert. Ich habe kein Mangeldenken. Ich komme aus schwierigen Verhältnissen. Vater Alkoholiker, gewalttätig, Mutter tot. Entweder du gehst den gleichen Weg oder du schaffst es, deinen eigenen zu gehen.
Und was war das für ein Weg?
Vom Dorf bis hierher in die Friedrichstraße, das ist ein langer Weg gewesen – und ich habe dem Staat nie auf der Tasche gelegen. Man muss zuerst leisten, dann bekommt man auch was.
Sie sprechen sehr viel von „Leistung“ ...
Das ist das Wichtigste im Leben.
Aber was ist denn Leistung. Nur, was Geld einbringt?
Nein. Aber es geht um Visionen. Ich habe zum Beispiel eine Vision erschaffen. Dieser junge Mann hat beschlossen, die Welt zu verändern, indem er alle Frauen schön macht. Mit sechs Jahren habe ich natürlich gedacht, ich verschenke die Kleider dann …
Wenn Sie Kinder hätten, was würden Sie ihnen für Werte mitgeben?
Ich würde als Erstes sagen, überlege dir immer gut bevor du dein Wort gibst, weil dann musst du es auch halten. Dann, dass sie immer höflich sind. Ich wurde so erzogen. Wir hatten ein Gasthaus. Wir mussten jedem guten Tag sagen, singen, Pfötchen geben. Das prägt. Wir hatten Angestellte, da mussten wir sehr nett sein. Wehe wir waren einmal frech, da hat es sofort gerappelt. Als Kind hatten wir ruhig zu sein am Tisch. Man muss einem Kind Sicherheit geben, und eine gewisse Freiheit. Es muss aber wissen, in welchem Rahmen es sich bewegen darf. Ansonsten würde ich ihm Loyalität, Zuverlässigkeit und Integrität mitgeben.
Ganz traditionelle Werte also ...
… natürlich traditionell. Das kann ja nicht verkehrt sein …
... keine antiautoritäre Erziehung.
Ganz furchtbar. Ganz verkehrt. Bei antiautoritären Erziehungen gibt man den Kindern ja oft keinen Halt und unterminiert die Persönlichkeit, indem man ihnen den eigenen Lebensstil aufdrückt. Vielleicht will das Kind ja autoritäre Erziehung, in geordnetem Gefüge leben? Jedes Kind ist eine eigenständige Persönlichkeit, die man nicht zerstören darf. Wenn es schlecht läuft, kannst du ein Leben lang gucken, wie du das wieder loswirst, was du als Kind aufgedrängt bekommen hast.
Sind Sie frei?
Ziemlich. Ich habe mich ja nicht so sehr prägen lassen. Ich bin mit sechs Jahren ausgestiegen in meine eigene Welt. Ich war ein sehr ruhiges, nettes Kind, fiel nicht auf. So war ich aus der Schusslinie. Konnte mein Ding machen. Das war gut.
Sollten zwei Männer, oder zwei Frauen, Kinder adoptieren?
Sie sollten es dürfen. Ich bin nicht dafür, dass der Staat alles verbietet. Ich würde es aber nicht machen. Auch hier bin ich sehr konservativ. Ich finde es nicht optimal für Kinder. Weil Männer anders ticken als Frauen. Die Kinder brauchen diese beiden Pole.
Angela Merkel findet das auch nicht gut – und wohnt ja im gleichen Kiez wie Sie, hat womöglich das gleiche Wahllokal ...
Da bitte ich um Differenzierung. Ich bin dafür, dass gleichgeschlechtliche Partner Kinder adoptieren dürfen, ich würde die Möglichkeit nur für mich nicht in Anspruch nehmen wollen.
Ist Glamour in der Politik eher schädlich. Wenn wir an die Wulffs denken ...
… hatten die wirklich Glamour?
... sie hatte ein Tattoo.
Nein, das war kein Glamour. Die Weizsäckers, die hatten Glamour, das war eine Klasse für sich.
Wer leuchtet denn im Politbetrieb wenigstens ansatzweise?
Na Herr Gysi, der leuchtet. Sonst gab es noch Hildegard Hamm-Brücher. In Deutschland ist das schwierig, da leuchten nicht so viele. Wer wenigstens einen gewissen Glanz versprüht hat, war das Ehepaar Stoiber. Das lag an der bayerischen Pracht. Das war ein bisschen wie Amerika. Nancy Reagan war glamourös. Aber der Glamour soll nicht der ausschlaggebende Punkt sein. Sonst können wir gleich Herrn Glööckler als Bundespräsidenten wählen.
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