Mobilitätsgesetz: Autofans bremsen Radgesetz aus
Auf den letzten Metern im Parlament kommt das Mobilitätsgesetz noch mal ins Stolpern – wegen eines Stimmungswandels bei der SPD.
Um das künftige Mobilitätsgesetz gibt es schon wieder Krach: Nachdem aus der SPD-Fraktion zuletzt massive Änderungswünsche gekommen waren, hat der Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses am Donnerstag mit den Stimmen der Koalition die Beratung des Gesetzes kurzfristig abgesagt. Während rot-rot-grüne Parlamentarier daran festhalten, dass das Gesetz wie vereinbart bis zur Sommerpause in Kraft treten kann, betrachten Rad-AktivistInnen nicht nur den Zeitplan, sondern gleich das ganze Regierungsprojekt als massiv gefährdet.
„Das hat das Potenzial für eine ausgewachsene Koalitionskrise“, sagte Peter Feldkamp vom Volksentscheids-Träger „Changing Cities e. V.“ zur taz. Es sei beim besten Willen nicht nachvollziehbar, dass die Sozialdemokraten jetzt forderten, doch ein Kapitel zum Autoverkehr ins Mobilitätsgesetz aufzunehmen (was die Opposition seit Langem fordert) – schließlich liege der Entwurf den Fraktionen seit über einem Jahr vor. „Wir sind sauer“, so Feldkamp: „Das Verhalten der SPD ist nicht nur gegenüber den Koalitionspartnern respektlos, sondern gegenüber der Zivilgesellschaft.“
Erst am Dienstag hatte sich BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser in einem Brief an die SPD-Fraktion gewandt und deren Verhalten kritisiert: „Bemerkenswert“ sei es, „mit welchem Elan“ sie gerade „ihre eigenen Erfolge als auch die der Regierungskoalition kommunikativ zunichte“ machten, und „unverständlich“, warum die Fraktion jetzt die „sachlich unbegründete Kritik“ der Opposition aufgreife, der Autoverkehr komme im Gesetz zu kurz.
Zudem, so Heuser weiter, hätten die GenossInnen „neben zielführenden Änderungsvorschlägen einige Punkte beschlossen, die fachlich unausgegoren sind und offenbar vor allem dazu dienen, den Koalitionspartner zu ärgern“. So habe die SPD vorgeschlagen, dass die Qualität der Radverkehrsanlagen im sogenannten „Vorrangnetz“ nicht mehr über die Mindeststandards hinausgehen sollen. Heuser: „Das zeugt von einem tiefgreifenden Unverständnis des Begriffes ‚Mindeststandard‘.“
Die Häme der Opposition blieb nicht aus: Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Friederici, konstatierte, „die Grünen“ hätten sich „mit ihrem einseitigen Fahrradgesetz in der Koalition nicht durchsetzen“ können. „Die Notbremse“ habe Rot-Rot-Grün gezogen, sagte sein FDP-Kollege Henner Schmidt – auch der Koalition sei mittlerweile klar, „dass der Gesetzentwurf unausgereift, unausgewogen und handwerklich schlecht gemacht ist“. Schmidt verwies auf die „zahlreichen ausformulierten Verbesserungsvorschläge“ seiner Fraktion und mahnte zur Besonnenheit: „Ein gutes Gesetz zu machen ist wichtiger, als ein Gesetz möglichst schnell zu verabschieden.“
Demo in der Leipziger Straße
Das finden die AktivistInnen des Rad-Volksentscheids überhaupt nicht. Ihnen geht es seit dem Antritt von Rot-Rot-Grün viel zu schleppend voran mit dem einstigen Radgesetz, das jetzt Mobilitätsgesetz heißt und den gesamten Umweltverbund mitsamt ÖPNV und Fußverkehr stärken soll. Für den Donnerstagnachmittag mobilisierten sie zu einer „Spontan-Demo“ auf der für RadfahrerInnen besonders unangenehmen Leipziger Straße in Mitte. Auch Volksentscheids-Initiator Heinrich Strößenreuther, der sich zuletzt mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten hatte, beteiligte sich mit gewohnter Empörung an dem Aufruf: „Wir nehmen nicht hin, dass die SPD die Bürgerbeteiligung und das bisherige Verhandlungsverfahren mit Füßen tritt!“
Dagegen wollte der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Wolf, keine Dramatik in den aktuellen Vorgängen erkennen: Es gebe eine ganze Palette von Änderungsanträgen, die meisten habe man schon intern geklärt. Jetzt seien noch „zwei, drei“ Punkte offen, aber alle drei Fraktionen des Regierungsbündnisses hielten an der Verabredung fest, das Gesetz bis zur Sommerpause zu verabschieden: „Es gibt keine Verzögerung“, so Wolf zur taz.
Die Frage nach einer Einbeziehung des Autoverkehrs in das Mobilitätsgesetz könne man auch dann klären, wenn die noch offenen Kapitel des Regelwerks zum Fußverkehr und zur „intelligenten Mobilität“ anstünden, so Wolf. Aber auch dann sei klar abgesprochen, dass das Gesetz der Stärkung des Umweltverbunds diene. Weshalb man eine Ergänzung um den motorisierten Individualverkehr nur restriktiv verstehen könne: „Ich habe nichts dagegen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Rechtsgrundlagen für Fahrverbote oder eine Vereinheitlichung der Parkraumbewirtschaftung ins Gesetz aufgenommen werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland