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Mobilität buchstabieren

Die Berliner Parteien wollen den Verkehr am Rollen halten. Die Verkehrskonzepte unterscheidensich gewaltig: Die Pläne schwanken zwischen Autobahnbau und Verkehrsberuhigung

Auto, öffentlicher Nahverkehr und Fahrrad: Welcher Mix darf es sein?

von HOLGER KLEMM

Für die CDU gilt der Grundsatz: Freie Wahl des Verkehrsmittels. Alexander Kaczmarek, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, will den Straßenverkehr unter keinen Umständen verschlechtern. Gemeint kann damit nur der Autoverkehr sein. Denn die Tram verschärft nach Ansicht von Kaczmarek die bestehenden Verkehrsprobleme. Besonders in der Verlängerung der Linie in der Bernauer Straße sieht er große Konflikte. Dafür soll die fertig gestellte U-Bahn-Linie U5 ausreichend Entlastung und Anbindung schaffen. Und wie sieht es mit dem Radverkehr aus? „Na ja, auf Kurzstrecken ist das Rad vielleicht interessant, wenn das Wetter mal untypisch gut ist.“ Radwege hätten sich überlebt. Also: Rein ins Auto, durchs dann offene Brandenburger Tor gebrettert und weiter auf den Autobahnring, der so schnell wie möglich geschlossen gehört. Danke, CDU!

Die FDP will vor allem die „Schikanen gegen die Berliner Autofahrer“ stoppen. Stoppen will sie auch den Stopp des Autobahnrings. „Die Bürger sollen selbst entscheiden, welches Verkehrsmittel sie nutzen“, betont gleichlautend zur CDU Hans-Joachim Josewski, stellvertretender Landesvorsitzender der FDP. Früher von Schwarz-Rot und heute von Rot-Grün gesetzte Marken wie das Leitziel 80:20, was da meint, vier Fünftel des innerstädtischen Verkehrs sollen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Rad und zu Fuß bestritten werden können, hält er für verfehlt. Die Verlängerung von Tramlinien wird nicht befürwortet. Die U5 hätte man gerne, ist aber so realistisch, den weiteren Ausbau zurückzustellen. Ziel der Liberalen ist es, den öffentlichen Nahverkehr weitgehend zu privatisieren, um „vernünftige Strukturen“ zu schaffen.

Die Grünen bleiben sich treu. Der öffentliche Nahverkehr hat Priorität. Mit Tarifsenkung um 30 Prozent will Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Busse und Bahnen attraktiver machen und Fahrgäste zurückgewinnen. Derartige Modelle im Rhein-Ruhr-Verkehrsverbund sowie in Zürich, Basel und Freiburg seien aufgegangen, ohne ein Minusgeschäft zu werden. Auch die nächtliche Frage in der Kneipe: „Wann fährt die letzte Bahn?“, soll überflüssig werden. Die Grünen setzen auf den durchgehenden Nachtverkehr. Cramer wünscht sich verlängerte Tramlinien in der Eberswalder Straße bis Nordbahnhof, auf der Leipziger Straße bis zum Potsdamer Platz, auf der Invalidenstraße bis zum Lehrter Bahnhof und in der Bernauer Straße. Mit Nachdruck fordert Cramer von der BVG den kundenfreundlichen Umbau der bestehenden Stationen und Bahnhöfe. Die Konzepte seien fertig, die Gelder – teils Landes, teils Bundesmittel – stünden bereit. Mit den Grünen werde das Brandenburger Tor – „die Wohnstube Berlins“ – für den Autoverkehr geschlossen. Und ein Konzept des Bezirks Mitte, das den Hackeschen Markt als autofreien Platz vorsieht, wird unterstützt.

Die Ideen der SPD zum Verkehr klingen wie die Grünen-Variante für Arme: öffentlichen Nahverkehr stärken und verknüpfen, Tramausbau ja, U5 nein, für die Schließung des Brandenburger Tores müsse erst noch die Akzeptanz geschaffen werden bei den Berlinern. Und verkehrsberuhigte Bereiche seien zu unterstützen, aber durch das Tempo 30 auf allen Nebenstraßen seien schon über 70 Prozent aller Straßen verkehrsberuhigt. Zebrastreifen sollen ein Übriges tun, um den Fußgängern Vorlauf zu verschaffen. Für Radwege sei durch Strieder im vergangenen Jahr erstmals ein Posten bereitgestellt worden, der in diesem Jahr bei 5 Millionen Mark liegt, für Christian Gaebler, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, ein Erfolg für die Radfahrer. Die Summe werde aber nicht weiter zu erhöhen sein. Und für den Hackeschen Markt gilt: Bitte keine Schnellschüsse!

Und last, but not least: Die PDS, verkehrspolitsch vertreten durch Jutta Matuschek, will weg von teuren Investitionen und dafür den Verkehr besser organisieren, sanieren und verknüpfen. Die öffentlichen seien die sichersten Verkehrsmittel. Daher ist ihr Konzept: „Runter mit den Fahrpreisen und eine radikale Vereinfachung der Tarife!“ Das soll durch mehr Kooperation der Verkehrsbetriebe bewerkstelligt werden. Bei einer Fusion bestünde die Gefahr von Monopolbildung und Lohndumping. Die Sozialisten stehen für den Tramausbau, schrauben aber ihre Forderungen angesichts der Mittelknappheit stark nach unten. Die Französische Straße soll nicht ausgebaut werden für den Autoverkehr, sondern als mögliche Tramtrasse gesichert werden. Das Brandenburger Tor soll geschlossen und der Autoverkehr über die Dorotheenstraße umgeleitet werden. Die Perspektive des Hackeschen Marktes sei abhängig vom Gesamtkonzept, was für die PDS heißt: Konzept vertagt. Einen „ganz hohen Stellenwert“ hat das Rad. Gefördert werden soll das leise Verkehrsmittel durch „Abmarkierungen“ auf den Straßen, eigenständige Radwege auszubauen sei zu teuer. Die Velomitnahme in den Bahnen soll kostenlos werden.

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