piwik no script img

Mobilfunkkonzern will Daten verkaufenDem Kunden auf den Fersen

Der Mobilfunkkonzern Telefónica will Standortdaten von O2-Nutzern für Werbezwecke verwenden. Datenschützer protestieren, das Unternehmen wiegelt ab.

Wer das Handy den ganzen Tag bei sich trägt, hinterlässt eine Menge Spuren. Bild: dpa

BERLIN taz | Es ist eine Art Goldgrube, über die Mobilfunkanbieter verfügen: Daten, nicht nur zu Alter, Geschlecht und Wohnort, sondern auch detaillierte Informationen über Wege, die ein Kunde zurückgelegt, Orte, an denen er sich aufgehalten hat. Der spanische Telefonkonzern Telefónica, Mutter des am Dienstag an die Börse gegangenen Mobilfunkanbieters O2, will diese Daten nun zu Geld machen und hat dafür Anfang Oktober eigens eine Abteilung gegründet.

Telefónica Dynamic Insights heißt der neue Geschäftsbereich, Smart Steps das erste Produkt. „Es soll Händlern helfen, die besten Orte und Gestaltungen für neue Läden zu finden und Plätze für Werbung in bestehenden Geschäften“, erklärte Marketingchef Stephen Shurrock in einer Mitteilung.

Damit der Mobilfunkanbieter genaue Aussagen über den Standort eines Kunden treffen kann, helfen ihm Funkzellen und Sendemasten, mit denen sich die Handys verbinden. Stehen die Masten dicht und ist das Telefon gleichzeitig bei mehreren eingebucht, sei eine Ortung bis auf einen halben Meter möglich, erklärt Werner Hülsmann vom AK Vorrat. Damit würden auch Bewegungen etwa innerhalb eines Geschäfts nachvollziehbar.

Für Datenschützer ist die Sache klar: „Für die Auswertung der Kundendaten muss eine Einwilligung vorliegen, oder sie müssen vollständig anonymisiert werden“, sagt Marit Hansen, stellvertretende Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein. Beides sehe sie derzeit nicht. Darüber hinaus müsse das Unternehmen dem Kunden genau erklären, was mit den Daten passieren soll, und ihm die Möglichkeit geben zu widersprechen.

Nicht ganz anonym

Telefónica betont in der Projektvorstellung, dass die Daten „vollständig anonymisiert“ erhoben werden sollen. Hansen ist da skeptisch: „Standortdaten sind selten vollständig anonym.“ Sobald der Weg eines Nutzers nur ein Stück weit verfolgt werde, etwa von der Wohnung zur Arbeit, seien Rückschlüsse möglich.

Und genau dieses Szenario skizziert Telefónica in der Vorstellung: Die Auswertung könne etwa einer Kommune helfen zu messen, wie viele Menschen eine Einkaufsstraße besuchten, nachdem ein kostenloser Parkplatz eingerichtet worden sei. Deutlicher wird es in einem Unternehmensvideo: „Sie können sehen, wo Ihre potenziellen Kunden wirklich sind, wann sie dort sind und wie oft“, heißt es.

Grundsätzlich ist die Idee, die Standortdaten von Kunden zu nutzen, nicht neu. Heute schon werten Anbieter von Betriebssystemen für Mobiltelefone, wie Apple und Google, die GPS-Daten des Geräts aus. Auch Anwendungen, die auf den Telefonen laufen, bedienen sich der Standortdaten des Nutzer. „Das führt natürlich zu einer Art Gewöhnungseffekt“, sagt Hansen. Doch es gibt einen Unterschied: Nutzer können die GPS-Funktion des Telefons ausschalten. Wollen sie sowieso keine Dienste nutzen, die den Standort tatsächlich brauchen, wie etwa Navigation, haben sie dadurch keinen Nachteil.

Alles nur Überlegungen

Telefónica wiegelt ab. „Es gibt in Deutschland noch keine konkreten Pläne, wann und wie ein Produkt eingeführt werden soll, es gibt noch nicht einmal ein konkretes Produkt“, sagt Sprecher Albert Fetsch. Auch für andere Länder will er keine Vorhaben nennen. Es gebe lediglich „Überlegungen, was man mit Bewegungsdaten machen kann“.

„Wenn die Daten erst einmal da sind, gibt es sicher Interessenten“, sagt Hansen. Nicht nur Läden, die ihre Positionierung verbessern wollen, sondern vielleicht auch Versicherungen, die es interessiert, ob der Kunde einen gesunden Lebensstil pflegt. Etwa ins Fitnessstudio geht und wo er zu Mittag isst.

Laut Hansen und Hülsmann könnte solch ein Vorgehen auch strafrechtlich relevant werden. Nämlich dann, wenn die Daten ohne wirksame Einwilligung an Dritte verkauft werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • H
    hans

    Ich finde diese Art des Data Minings nicht unbedingt schlecht weil damit auch die Frequenz auf Fahrradwegen, Bahnhöfen, Treppen usw. gemessen werden kann und das öffentliche Leben optimiert werden können.

     

    Oft sind Treppen an Stellen wo sie keiner braucht und 5 Friseure genau dort wo man lieber einen Kaffee trinken würde usw.

     

    Es wird in Bezug zur BIG-Data-Nutzung immer gleich der Teufel an die Wand gemalt, diese kann aber auch riesige Vorteile für eine Gesellschaft haben. Natürlich dürfen keine persönlichen Daten zum Vorteil oder Nachteil einer Einzelperson verwendet werden aber für den Schwarm in der Summe kann die Auswertung sehr gut sein und für viele Entscheidungen eine Grundlage bilden.

     

    Die Frage ist am Ende immer nur wer entscheidet und wofür die Daten genutzt werden.

     

    Eine vorteilhafte Nutzung und ein Missbrauch liegen oft sehr dicht beieinander. Die Technik sofort zu verdammen ist reiner Unsinn und hilft auch nicht weiter.

  • H
    Handynutzer

    @eMCe: die Telefonica ist ein spanischer Mobilfunkkonzern. Abgesehen davon, kann man nur hoffen, dass derartige Pläne zur Datennutzung nicht umgesetzt werden. Das wäre ja praktisch das Ende der Privatsphäre.

  • E
    eMCe

    O2 bzw. Telefonica Italia(sic!) ist eh ein komischer Haufen.

    Bin letztens von Vodafone dahin gewechselt und muss sagen das die sich weder auskennen(wollen) mit Fristen noch mit Rechnungen schreiben,zudem gibt es versteckte Koste(u.A. fehlt mal pauschal in deren Angeboten die mwst. und die Gebühren sind nicht aufegführt uvm.) und die AGBs sind derart krude und "halbwahr" das man nur zu dem Schluß komnmen kann das DIE nicht ganz "sauber" arbeiten.

     

    Aber ehrlicherweise erwarte ich auch nichts anderes aus Berlusconi-Land.

  • P
    pablo

    Als es um Google-Streetview ging hatten alle was zu jammern, jetzt wo es um etwas wirklich wichtiges hier geht gibt es den öffentlichen Widerstand nicht, einfach nur traurig.

  • M
    menschenfreund

    Sollte sich herausstellen, daß sich Firmen nicht an geltendes Recht halten fehlt die Grundlage das Geschäft zu betreiben.

    Folge: Laden dicht.

    Ob Politik und Juristerei wohl einen Ausweg finden? Ich bin ziemlich sicher. ;-)

  • TL
    Tim Leuther

    Wenn Sie das als Opt-In machen, gerne. Dann können Sie die Leute ja mit einem Rabatt oder mit extraleistungen, höheres Datenvolumen etc. locken.

     

    Und bei Neuabschlüssen können Sie ja gleich beides anbieten.

     

    Aber Bestandskunden sollten davon nicht betroffen sein, ohne AKTIV zuzustimmen.

     

    Wenn sich das mit der anonymisierung machen lässt, was ich so sehr bezweifel, weil man ja viele Daten die man von irgendwo hat mitreinpacken kann, wäre das volkswirtschaftlich interessant, weil es Fehlinvestitionen reduzieren könnte.

     

    Man müsste gemeinsam mit Datenschützern entwickeln wieviele Daten man aggregieren muss, damit rückschlüsse nicht mehr möglich sind.

     

    Wenn man zum Beispiel die Dichte an Leuten Bestimmten Alters bestimmten Geschlechts an einem Wochentag über einen Monat aggregiert, dürfte kein Rückschluss möglich sein. Man wüsste aber wo ein Kaffeeladen etc. interessant sein könnte. Wenn das dann eine günstige Nebenstraße ist, ist das ein echter Gewinn.

     

    Eines sollten wir alle wissen: Wir haben 4 Mobilfunkanbieter. e-Plus hat vom Netz schon mit dem Siechtum angefangen und will quasi mit o2 fusionieren. Wenn wir noch weniger haben, dann haben wir nur noch zwei. Das ist ein Duopol. Das wird teuer für uns.