Mobile Impfungen in Berlin: Letzte Station Impfbus
Die Impfbusse des Senats sollen ZweiflerInnen und Mobilitätseingeschränkte erreichen. Das Interesse ist eher verhalten.
Die DRK-Mitarbeiter haben ihre Laptops aufgeklappt und warten auf Kunden: auf Menschen in Hellersdorf also, die sich doch noch gegen Corona impfen lassen wollen – trotz kaum messbarer Impffortschritte in den letzten Tagen. Der Senat hat für sie einen Impfbus geschickt. Der parkt Ende vergangener Woche gleich neben einer evangelischen Kita, in der an diesem Tag auch die Ausgabestelle der Berliner Tafel ist. Viele Menschen stehen dort nach kostenlosen Lebensmitteln an.
Ist das ein letzter Versuch, doch noch Menschen zum Impfen zu bewegen? Bereits im September hat Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Möglichkeiten der Politik, die Impfquote zu erhöhen, als „vielleicht bereits ausgeschöpft“ bezeichnet und stattdessen Gastronomie, Kultur und Sport aufgefordert, für das Thema zu werben. Milena Müller, Sprecherin von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), sagt der taz: „Mit den Impfbussen soll auch Menschen ein aufsuchendes Impfangebot gemacht werden, die sich bisher den Impfangeboten nicht nähern möchten oder können.“
Gleich morgens um neun Uhr, als der Impfbus in Hellersdorf seine Arbeit beginnt, sieht es aus, als könne das klappen. Sieben HellersdorferInnen warten auf die Spritze. Doch das waren, so Impfarzt Ali El-Hisnawi später, hauptsächlich Menschen, die bereits einen Anspruch auf eine Drittimpfung hatten. Oder auch ein Mann aus dem Kiez, der sich gefreut hatte, zur ohnehin fälligen Zweitimpfung nun keinen langen Weg gehen zu müssen.
„Wer jetzt noch zur Erstimpfung kommt, kommt oft nicht aus Überzeugung“, ist El-Hisnawis Erfahrung. Die Menschen kämen vielmehr, „weil man die Konsequenzen fürchtet, wenn man nicht geimpft ist“. Denn seit dieser Woche sind Coronatests für Nichtgeimpfte kostenpflichtig. Tanzveranstaltungen in geschlossenen Räumen sowie Saunabesuche sind nur noch für Geimpfte und Genesene gestattet. Und Gaststätten, Hotels, Museen und Gedenkstätten haben das Recht, nur noch diesen Personenkreis hineinzulassen.
65 Prozent der BerlinerInnen sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Die Zahl liegt im Bundesdurchschnitt. Sie hat in den letzten vier Wochen nur noch um 3,8 Prozent zugenommen.
Mindestens einmal geimpft sind in Berlin 67,9 Prozent. Die Impfquote steigt mit dem Alter. Während unter den 12- bis 17-Jährigen nur 34,9 Prozent doppelt und kaum mehr einmal geimpft sind, sind es unter den über 60-Jährigen 86,7 Prozent.
Allerdings hatte das Robert Koch-Institut letzte Woche Zweifel an seiner eigenen Impfstatistik geäußert und mutmaßt auf der Grundlage von Umfragen, dass diese etwa um 5 Prozent höher liegen könnte. Grund sei, dass insbesondere Betriebsärzte nicht alle Impfungen gemeldet hätten. Die Betriebsärzte wiesen die Darstellung zurück. Für eine Herdenimmunität wäre eine Impfquote von 85 Prozent nötig.
Der Neuköllner Bezirksamtsarzt Nicolai Savaskan hat am Montag für einen neuen Impfschub in der Pandemie eine bundesweite Zielmarke gefordert. Savaskan schlägt eine Impfquote ab 70 Prozent auf die Gesamtbevölkerung vor. Im Fokus sollten Menschen ab 16 Jahren stehen. (mai, dpa)
Heike Möller (Name geändert) kommt gegen 12 Uhr zum Impfbus. Sie räumt unumwunden ein, die Corona-Impfung eigentlich abzulehnen. „Aber ich habe bald eine Reha und da muss ich dann wohl geimpft sein“, sagt sie und füllt den Impf-Fragebogen aus. Währenddessen macht eine ältere Frau gleich neben dem Impfbus Stimmung gegen die Impfung. „Es ist ein Irrglaube, dass das Impfen vor Ansteckung hilft. Es mildert nur die Symptome“, ist sie überzeugt. Gegenargumente von Passanten prallen an ihr ab. Nach einer halben Stunde entschließt sie sich doch zu einem ärztlichen Beratungsgespräch. Sie will wissen, ob die Grunderkrankung, die sie hat, ein Impfhindernis sei. „Die ist eher ein Grund mehr, dass die Impfung für sie gut ist“, erklärt der Impfarzt. Es war nicht das, was die Frau hören wollte. Sie geht ungeimpft nach Hause.
Wer sich jetzt noch impfen lassen möchte, kann das in den Impfzentren in Tegel und der Messe tun oder bei vielen Haus- und Betriebsärzten. Darüber hinaus stehen in einigen Einkaufszentren wie dem Alexa in Mitte, dem Boulevard Berlin in Steglitz und dem Ringcenter in Lichtenberg ohne vorherige Terminvereinbarung Impfteams bereit. Dennoch steigt die Impfquote kaum noch (siehe Kasten).
Drei bis vier Impfbusse fahren zusätzlich täglich an andere Orte. Letzte Woche haben sie an Ausgabestellen der Berliner Tafel Halt gemacht, diese Woche warten sie hauptsächlich vor den Berliner Hochschulen auf Impfwillige. Sind die Besucher der Tafel und Studierende diejenigen, die noch zu selten geimpft sind? Nein, empirische Daten dazu gäbe es nicht, sagt Milena Müller von der Senatsverwaltung.
Von den Leuten, die sich in Hellersdorf kostenlos Lebensmittel abholen, nutzt jedenfalls kaum jemand das Impfangebot. Das liegt auch daran, dass fast jeder, der hier ansteht, bereits geimpft ist. „In der DDR waren viele Impfungen Pflicht. Das ist für mich auch heute so“, begründet das ein wartender Mann. Nur drei russlanddeutsche Frauen in der langen Warteschlange bekennt sich dazu, nicht geimpft zu sein. „Weil ich Angst habe“, erklärt das eine von ihnen. Aber sie hätte auch keinen Grund zum Impfen: „Ich mache gerade eine Umschulung. Wir werden zweimal pro Woche getestet. Wie soll ich mich da anstecken?“
Dass sie für die Tests bald Geld bezahlen muss, hat die Frau noch nie gehört. „Das kann ich mir nicht vorstellen, in meiner Gruppe ist doch kaum jemand geimpft.“ Auch die zweite Frau bekennt sich zu ihrer Impfangst. Die dritte hingegen sagt, sie will sich heute trauen. „Aber erst, wenn ich meine Lebensmittel habe.“ Eine halbe Stunde später steigt sie tatsächlich in den Impfbus.
Dessen MitarbeiterInnen haben zuvor in Impfzentren gearbeitet. Routiniert helfen sie Impfwilligen beim Ausfüllen des Fragebogens. Doch vor Monaten war mehr zu tun. In den fünf Stunden, die der Impfbus in Hellersdorf steht, werden gerade mal 22 Personen geimpft. „Doch jede Impfung zählt“, meint ein DRK-Mitarbeiter.
Unter den 22 war ein älteres Ehepaar, das zu denen gehört, an die der Senat bei seinem aufsuchenden Angebot dachte. „Wir sind dankbar, dass der Senat uns impft“, sagt der Mann, ein syrischer Flüchtling Ende 60. „Mit dem Impfschutz fühle ich mich sicherer.“ Dass seine Frau und er bisher nicht geimpft waren, liege an ihrer mangelnden Mobilität, sagt er: „Wir kommen ja leider kaum aus dem Haus.“ Die Impfzentren seien alle zu weit weg, ihr Hausarzt habe keine Impfungen im Angebot. Und weil die Presse schon einmal hier sei, äußert er einen Wunsch: Der Impfbus solle in vier Wochen noch einmal am selben Ort stehen. Das aber kann Impfarzt Ali El-Hisnawi nicht garantieren. Er gibt dem Ehepaar stattdessen die Adresse des Ringcenters in Lichtenberg.
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