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Mobbingfall um Berliner PädagogenOffene Fragen – auch nach Akteneinsicht

Oziel Inácio-Stech hat von Mobbing und Diskriminierung berichtet. Die Bildungsverwaltung reagierte desaströs. Abgeordnete sehen endlich die Akten ein.

Durchblick verloren? Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch bei einem Besuch mit Vasen in der Königlichen Porzellan-Manufaktur Foto: picture alliance/dpa/Hannes P Albert

Berlin taz | Mitglieder aller fünf Fraktionen des Abgeordnetenhauses haben Einsicht in die Akten zum Fall von Oziel Inácio-Stech genommen. Der Berliner arbeitet als pädagogische Unterrichtshilfe in einer Weddinger Grundschule und hatte vor etlichen Wochen von Mobbing und Diskriminierung in verschiedenen Medien berichtet. Die Abgeordneten hatten am Montag rund vier Stunden Zeit für die Akteneinsicht. Anschließend tauschten sie sich mit der Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) aus. Dennoch bleiben offene Fragen.

„Wir können nach der heutigen Akteneinsicht den Fall noch nicht abschließend bewerten“, sagt Louis Krüger, der bildungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, der taz. „Vieles – vor allem die Rolle der Senatorin – ist nicht umfassend beantwortet.“

Die Akteneinsicht hätte bestätigt, was schon in der Presse berichtet wurde, sagt Krüger: „Es gab strukturelles Versagen und eine mangelhafte Aufsicht. Es ist deutlich, dass einzelne Personen ihren aufsichts- wie auch dienstrechtlichen Pflichten nicht vollumfänglich nachgekommen sind und es an Standards fehlt. Hier braucht es dienstrechtliche Konsequenzen.“ Die Senatorin müsse dafür sorgen, dass die von ihr angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden. „Wir werden weitere Akten anfordern“, so Krüger, „um uns abschließend Klarheit zu verschaffen.“

Klarheit tut not, schlägt der Fall doch seit Wochen hohe Wellen, weit über Berlin hinaus. Auch, weil die Bildungsverwaltung alles andere als eine gute Figur machte: Oziel Inácio-Stech ließ von den Mobbing- und Diskriminierungsvorwürfen über einen Anwalt auch Bildungssenatorin Günther-Wünsch wissen – der Brief lag ihr bereits am 4. Dezember 2024 vor.

Gescheiterter Missbilligungsantrag

Das musste sie nach Kritik der Grünen-Fraktion am 20. Juni einräumen. Zuvor hatte Günther-Wünsch mehrfach erklärt, den Brief erst im Mai dieses Jahres gelesen zu haben. Die Grünen hatten daraufhin einen Missbilligungsantrag gegen die Bildungssenatorin eingebracht. Der Antrag wurde im Landesparlament in der vergangenen Woche mehrheitlich abgelehnt.

Die Akteneinsicht am Montag sollte jetzt Licht ins Dunkel bringen. Das ist offensichtlich nicht ganz gelungen. „Wichtiger, als nachzuvollziehen, wer jetzt wann an der Schule was zu wem gesagt hat, ist es jetzt, die Behörde in den Blick zu nehmen“, sagt Louis Krüger. Denn: „Wir können die Vorgänge an der Schule auch nach der Akteneinsicht nicht zweifelsfrei bewerten und wollen uns daher auf die Beschwerdestrukturen fokussieren.“

Das würde bedeuten, dass man sich „noch mal die ganze Kette von der Schulleitung bis zur Senatorin ansehen muss, weil tatsächlich alle Ebenen involviert waren“. Zu möglichen dienstlichen Konsequenzen kann sich der Grünen-Bildungsexperte noch nicht konkret äußern – außer, dass es nach jetzigem Stand auch Verfehlungen an mehreren Stellen gab.

Ähnlich äußerte sich der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Marcel Hopp. Der Fall zeige, dass es ein Aufsichts- und Leitungsproblem gebe. Diese Wahrnehmung habe sich nach der Akteneinsicht noch verstärkt. Nötig sei ein funktionierendes Beschwerde- und Monitoringsystem für solche Fälle. Hopp forderte, den konkreten Fall weiter aufzuarbeiten und zu sehen, was sich künftig besser machen lasse.

Nicht adäquat reagiert

Aus Sicht der Bildungsexpertin der Linksfraktion, Franziska Brychcy, hat die Akteneinsicht untermauert, „dass Oziel Inácio-Stech Diskriminierungen ausgesetzt gewesen ist“. Schulleitung und Schulaufsicht hätten nicht adäquat auf die von ihm erhobenen Diskriminierungsvorwürfe reagiert.

Die Akteneinsicht habe ergeben, dass es in der Bildungsverwaltung offensichtlich strukturelle Probleme im Umgang mit derlei Beschwerden gibt. Es brauche verbindliche Verfahren und Standards, Qualifizierung und Fortbildung sowie eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle. „Hierfür steht die Bildungssenatorin in Verantwortung“, sagte Brychcy.

Die Linke erwartet von Katharina Günther-Wünsch, dass sie in der kommenden Sitzung des Bildungsausschusses zu diesen Themen Stellung nimmt.

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1 Kommentar

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  • Ok, man optimiert jetzt den Umgang mit Beschwerden.

    Und was wird gegen die Diskriminierung und das Mobbing getan?

    Das ist echt Berlin.

    Lieber sich einem anderen Thema widmen als das eigentliche Problem anzugehen.