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Mitgliederversammlung der VG WortKrach vertagt

Die VG Wort wollte entscheiden, wie sie ihre Einnahmen verteilt, kam wegen eines kurzfristig geänderten Antrags aber zu keinem Ergebnis.

Wer bekommt die Tantiemen? Die AutorInnen oder die Verlage? Foto: dpa

München taz | Der große Showdown, wie ihn die FAZ und andere in der vergangenen Woche prophezeit hatten, blieb aus. Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) steht nicht vor einer Zerschlagung. So viel steht nach der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Samstag fest. Und doch – es hat geknirscht im Gebälk. Schuld daran ist vor allem eine Handvoll JournalistInnen, berichten TeilnehmerInnen der Sitzung. Sie verhinderten den Verteilungsplan, den der VG-Wort-Vorstand ausgearbeitet hat.

Die VG Wort steht vor einer großen Aufgabe: Zig Millionen Euro, die sie den Verlagen bereits ausbezahlt hat, muss sie zurückfordern und an AutorInnen verteilen. Nach welchen Bedingungen dies geschehe, das sollte die Mitgliederversammlung im Münchner Hofbräukeller bestimmen.

Hintergrund ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Der hatte am 21. April dieses Jahres entschieden, dass die pauschale Vergütung der AutorInnen und Verlage, so wie sie bisher lief, nicht rechtens ist. Die VG Wort ist quasi die Gema für Texte. Sie verteilt Tantiemen aus der Kopierpauschale an AutorInnen und Verlage.

Gestört hatten sich die BGH-Richter konkret an Folgendem: Je nach Berufsgruppe unterschied sich der Verteilungsschlüssel bislang. In der Belletristik erhalten die AutorInnen 70 Prozent, 50 Prozent sind es bei FachbuchautorInnen. Nur JournalistInnen erhalten in den meisten Fällen 100 Prozent der Tantiemen, zum Beispiel aus Pressespiegeln. Im April entschied der BGH, dass nach geltendem Recht allen AutorInnen 100 Prozent der Einnahmen zustünden. Die VG Wort muss nun die Rückzahlung organisieren, rückwirkend von 2012 bis 2015.

VG-Wort-kritische Stimmen, darunter der Verein Freischreiber, befürchteten, die Verwertungsgesellschaft wolle das Urteil verwässern, indem sie einen verlegerfreundlichen Verteilungsplan entwirft. Bereits vor der Versammlung am Wochenende hatte der Vorstand der VG Wort einen Plan vorgelegt, der beinhaltete, dass die AutorInnen freiwillig auf die Auszahlung verzichten könnten.

Zwei Punkte im Antrag überarbeitet

Am Samstagmorgen überraschte der Vorstand die Mitglieder allerdings mit einem neuen Antrag. In zwei entscheidenden Punkten war er überarbeitet: Erstens sollten die AutorInnen ihre Verzichtserklärung anonym abgeben können. Somit könnten die Verlage keinen Druck auf die AutorInnen ausüben. Zweitens: Auch die Presseverlage sollen in die Rückforderung miteinbezogen werden. Dies war im ersten Antrag noch nicht vorgesehen.

„Ich bin sehr zufrieden, dass der Vorstand einen neuen Plan nachgelegt hat“, sagt Benno Stieber, Vorsitzender der Freischreiber und Baden-Württemberg-Korrespondent der taz. „Aber heute konnten wir dem Antrag nicht ungeprüft zustimmen.“ Das habe daran gelegen, dass der Vorstand seinen geänderten Antrag so kurzfristig eingebracht hatte. Eine Einschätzung, die einige JournalistenkollegInnen teilten.

Ganz knapp kam die erforderliche Zweidrittelmehrheit in der Berufsgruppe 2 (JournalistInnen, SachbuchautorInnen und -übersetzerInnen) nicht zustande. Alle anderen fünf Berufsgruppen stimmten für den Antrag des Vorstands und damit für eine Rückzahlung bis zum 30. November. Da die Regularien der VG Wort allerdings vorsehen, dass jede der sechs Berufsgruppen mit Zweidrittelmehrheit zustimmt, wurde der Vorschlag gekippt.

„Ein Drittel einer Berufsgruppe nimmt hier alle anderen in Geiselhaft“, sagt Jochen Greve, Drehbuchautor und Vertreter der Berufsgruppe 1 (Belletristische AutorInnen, DrehbuchautorInnen und ÜbersetzerInnen). „Wir waren mit überwältigender Mehrheit für den Vorschlag des Vorstands – und wir haben am meisten Geld zu verlieren.“

Das Problem sei nicht der Vorschlag selbst gewesen, sagt Medienjournalist und VG-Wort-Mitglied Stefan Niggemeier: „Wäre der Antrag früher vorgelegt worden, wäre er durchgekommen. Ich hoffe, dass wir auf der nächsten Mitgliederversammlung über einen ähnlichen Antrag abstimmen.“ Darüber müsse der Vorstand erst beraten, sagt Robert Staats, Geschäftsführer der VG Wort.

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