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Mit großer MehrheitSchweiz lehnt Grundeinkommen ab

In der Schweiz wird es kein bedingungsloses Grundeinkommen geben. 78 Prozent entschieden sich am Sonntag bei einer Volksabstimmung dagegen.

Geld für alle? Näi Foto: cw-design / photocase.de

Basel dpa | Die Schweizer haben die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für jeden Einwohner mit großer Mehrheit abgelehnt. Bei der weltweit ersten Volksabstimmung zu einem solchen Vorschlag entschieden sich am Sonntag 78 Prozent der Teilnehmer nach Hochrechnungen des Instituts gfs.bern dagegen. 22 Prozent sagten demnach Ja.

Die Schweiz wäre das erste Land Europas mit einem Grundeinkommen gewesen. Die Regierung, das Parlament, die Wirtschaftsverbände und auch der Gewerkschaftsbund hatten die Initiative abgelehnt.

Die Initiatoren des Referendums sprachen dennoch von einem „sensationellen Erfolg“. 22 Prozent Zustimmung sei „deutlich mehr, als wir erwartet hatten“, sagte Daniel Häni, der Sprecher der Volksinitiative. „Das bedeutet, die Debatte geht weiter, auch international.“

Ein wichtiger Grund für die Ablehnung durch die Eidgenossen seien Unklarheiten und Zweifel bei der Finanzierung des Grundeinkommens gewesen, erklärte Claude Longchamp, der Leiter des Institus gfs.bern im Schweizer Fernsehen SRF.

Die „Initiative Grundeinkommen“ hatte eine Kampagne für die Zahlungen geführt. Gemäß dem Konzept sollte der Staat jedem Erwachsenen 2.500 Schweizer Franken (knapp 2.260 Euro) pro Monat steuerfrei zahlen, egal ob er die Schweizer Nationalität hat oder eine andere. Einwanderer wären somit auch Empfänger geworden. Pro Kind sollte der Staat 625 Franken (565 Euro) auf das Konto der Eltern überweisen. Das Grundeinkommen sollte mit anderen Zahlungen, etwa der Rente, verrechnet werden.

Finanzen nur anders ordnen

Das Grundeinkommen sei die humanistische Antwort auf den technologischen Fortschritt, warb die Initiative. Es sei ein demokratisch bestimmter Sockelbetrag zum Arbeiten und Leben, die Menschen würden von der Existenzangst befreit.

„Das Grundeinkommen schafft Sicherheit und Freiheit. Es bringt Marktwirtschaft und Menschlichkeit zusammen“, hieß es. Es ermögliche mehr Innovation und Unternehmertum und bilde die Basis für mehr Chancengleichheit. Die Finanzierung des Grundeinkommens sei gesichert, die reiche Schweiz müsse ihre Finanzen nur anders ordnen.

Das Hauptargument der Gegner war die Finanzierung. Der Staat könne nur durch massive Steuererhöhungen die Zahlungen sicherstellen. Höhere Steuern aber würden die Konjunktur abwürgen und das Land in einen Teufelskreis führen. Zudem führe das Konzept zu einem Erlahmen der wirtschaftlichen Antriebskräfte und höhle die Eigenverantwortung der Bürger aus.

Beschleunigung der Asylverfahren

Mit rund 66 Prozent angenommen haben die Schweizer den Hochrechnungen zufolge hingegen eine Gesetzesreform, mit der eine Beschleunigung der Asylverfahren erreicht werden soll. Etwa 61 Prozent votierten zudem für die Zulassung der Präimplantationsdiagnistik unter bestimmten engen Voraussetzungen.

Bei einer Initiative, mit der staatseigene Unternehmen wie die Post oder die Bahn verpflichtet werden sollen, Bürgerinteressen vor das Streben nach Profit zu stellen, zeichnete sich Trendrechnungen zufolge eine Ablehnung ab. Ebenso bei einem Vorschlag zur Neustrukturierung der Straßenbaufinanzierung.

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6 Kommentare

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  • 22% sind für dieses Konzept tatsächlich nicht schlecht. Häufig reichen solche Zahlen schon für Regierungsbeteiligung.

     

    Bezieher von leistungslosen Einkommen wie Vermietern, Aktienbesitzern sind wie so oft wenig betroffen. Hingegen gab es wohl genügend Menschen, die der Mär von der Nicht-Finanzierbarkeit auf den Leim gegangen sind. Das wurde zigmal widerlegt. Darum geht es im Kern gar nicht. Die Bankenrettung war nicht finanzierbar, hat aber niemanden interessiert. Es geht um ein anderes Gesellschaftsmodell. Das BGE ist eines der wenigen Konzepte, das dem Neoliberalismus und den Schäden, die er in jedem Bereich verursacht, außer bei den Reichen, etwas entgegensetzt. Dass ein Gegenmodell nach 35 Jahren neoliberaler Gehirnwäsche, Staatenabbau und gesellschaftlicher Verrohung nicht beim ersten Anlauf breite Zustimmung findet, ist klar.

     

    Fragt mal im Freundeskreis rum, was Leute machen würden, wenn sie noch mal anfangen könnten, oder es sich aussuchen könnten. Die meisten nennen eine andere Arbeit als ihren jetzigen Job. Warum wohl?

     

    Wie würde es hier abgehen, wenn die Mehrheit nicht irgendeinen Schwachsinn machen müsste, nur weil sie dazu gezwungen werden? Die das machen, was ihnen Erfüllung bereitet und wo sie hingehören? Die nicht mehr gegen Leiharbeiter ausgespielt werden könnten?

     

    Der Blödsinn "dann würden ja alle nur noch faulenzen" ist ebenfalls bei Selbstcheck hinfällig. Fast niemand erträgt es, längere Zeit nichts (Sinnvolles/Produktives) zu machen. Viele kennen Rentner, die zu Hause eingehen, weil sie sich plötzlich überflüssig und nutzlos fühlen. Dabei könnten sie den ganzen Tag vor der Glotze hocken, wie schön!

  • Ein Link zu Ihrem geheimnisvollen Hinweis wäre interessant. Klar kann man auch selbst googeln, aber Sie hätten mir und anderen einige Zeit ersparen können.

  • Interessant ist dann ja auch, wer die 22% sind, die für das BGE gestimmt haben.

  • Sehr schade... Ich hoffe, dass die Diskussionen über die Einführung des BGE dadurch in anderen Ländern erstmal über Jahrzehnte nicht auf Eis gelegt werden. Nach dem Motto "Sogar die Schweizer haben das 2016 per Volksentscheid abgelehnt..."

     

    Die Angst, dass die Wirtschaft zusammen brechen werde, wenn die "Lohnsklaverei" und die Existenzangst abgeschafft würden, zeugt von einem desaströsen Bild des Menschen an sich und wird vermutlich von vielen, die es wirtschaftlich "geschafft" haben und zudem gesund sind, aber auch von Arbeitern und Angestellten, die die möglichen Veränderungen nicht überblicken können und von früh auf gelernt haben, dass Arbeit und Abhängigkeit rechtschaffenes Leben bedeuten, geschürt. Denn diese Menschen müssten an ihren Grundwerten und -aufgaben zweifeln und das tut mensch einfach nicht gerne.

     

    Vermutlich muss die Existenzangst erst den meisten richtig weh tun und der Staat Angst vor den Bürger*innen bekommen, wenn aus Not mal in einigen Jahrzehnten dann doch unausweichlich das BGE eingeführt wird.

  • Kein Wunder – denn ein bloss "esoterisch-künstlerisch-philosophischer" Ansatz genügt bei weitem nicht. Konsequent haben sich Initianten/toren (CH/D) an ihm festgehalten, durch alle die Jahre. Und so haben sie, konsequent, sein Scheiten in der Volksabstimmung vorprogrammiert.

     

    Volksinititiativen sollen / müssen kompetent sein – ist ja klar, sonnenklar. Was nun? Wie weiter? Einfach dran bleiben – aber kompetent...

    ...mehr dazu auf: https://vjrsite.wordpress.com/2016/06/04/volksinitiativen-sollen-kompetent-sein/