Mit Diskriminierung allein gelassen: Polizeinotruf verweigert Hilfe
Die Polizei wollte nach einem Anruf bei 110 wegen eines rassistischem Vorfalls in Kladow keine Streife schicken. Zu Unrecht, ergab eine taz-Nachfrage.
Berlin taz | Ein rassistischer Übergriff mit Beleidigung und Bedrohung einer Familie hat ein Nachspiel – für eine*n Mitarbeitende*n des Polizeinotrufs 110. Diese*r hatte sich geweigert, einen Streifenwagen zu schicken, nachdem eine Frau am vorletzten Wochenende in Kladow die Polizei gerufen und um Hilfe wegen eines aggressiven Mannes gebeten hatte.
Die Antwort beim Notruf: Man sei erstens nicht zuständig, da der Vorfall nicht in Berlin spiele, und zweitens sei der Täter vermutlich längst weg, bis die Beamten eintreffen würden. Die Anruferin solle zur nächsten Polizeidienststelle gehen und Anzeige gegen unbekannt erstatten.
Diese Reaktion des Notrufs war falsch, wie eine Anfrage der taz bei der Polizei ergab, die eine Auswertung des aufgezeichneten Notrufs nach sich zog. Es hätte eine Streife geschickt werden müssen, weil es den Verdacht auf eine Straftat wegen Beleidigung und Bedrohung gab, erklärte ein Sprecher der Polizei.
Zudem spiele der Ort keine Rolle, auch knapp außerhalb Berlins könne die Berliner Polizei zum Einsatz fahren – andernfalls müsse sie den Notruf an Brandenburg weitergeben. Tatsächlich passierte der Vorfall am Ostufer des Groß Glienicker Sees und damit in Berlin, der See ist zwischen beiden Bundesländern geteilt. „Die zuständige Dienststelle ermittelt nun, wie es dazu kam, und wird mit Sicherheit ein aufklärendes und sensibilisierendes Gespräch führen“, so der Polizeisprecher.
Umstehende haben nicht geholfen
Was war geschehen? Die 35-jährige S., die aus Angst vor weiteren Anfeindungen ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, war am Nachmittag des 5. August mit ihrer Schwester (31), ihren Eltern und dem Hund an der Badestelle Groß Glienicker See Süd unterwegs. Dort seien sie von einem älteren Mann erst beleidigt, dann bedroht worden, berichtet S. der taz.
Der Mann habe sich beschwert, weil Hunde dort verboten seien, entsprechende Schilder habe sie aber nicht gesehen. „Er schimpfte, ob ich nicht lesen könne. Dann pöbelte er, als wären wir neu angekommene Asylbewerber, die rein gar nichts verstehen würden. Es gehe um seine Steuergelder und er sei das ‚wahre Deutschland‘“, berichtet S. „Als mein Vater meinte, nun sei aber Schluss, hat er ihm Schläge angedroht.“
Auf einem Video, das der taz vorliegt, ist zu hören, wie der Mann zum Vater sagt: „Wenn du nicht parierst, muss man dir ein paar hinter die Ohren hauen!“ Sie bräuchten auch gar nicht erst die Polizei zu rufen, hat der Mann laut S. noch gerufen, denn das seien seine Freunde. Sie dächten wie er „und sprechen auch andere deutsche Sprachen“. Damit sei ja offenkundig die „Sprache der Gewalt“ gemeint, so S. – darum habe sie die Polizei gerufen.
Dass die nicht kommen wollte, hat S., deren Familienwurzeln in der Türkei liegen, fast noch mehr schockiert als der Vorfall selbst. „Es hat uns auch niemand geholfen, obwohl mehrere Menschen vor Ort waren und mein Vater gezielt starke junge Männer angesprochen hat“, berichtet sie und fragt: „Was soll ich noch tun, damit solche Diskriminierungen unterbunden werden?“
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