Misstrauensvotum in Frankreich: Wer nicht gewinnt, verliert
Premier Francois Bayrou übersteht das Misstrauensvotum gegen ihn, dank der Enthaltung der Sozialisten. Dafür ist nun die französische Linke gespalten.
I st es für Frankreich besser und weniger kostspielig, einen „schlechten Staatshaushalt“ zu haben als gar keinen? Die französischen Sozialisten haben einen „ungenügenden“ Kompromiss mit ein paar Konzessionen von Premier François Bayrou einer drohenden Instabilität und dem vom Regierungschef prophezeiten „Chaos“ vorgezogen. Sie haben darum, den Versuch der linken Opposition, die Regierung wegen der Finanzpolitik zu stürzen, nicht unterstützt, sondern sich beim Vertrauensvotum am Mittwoch der Stimme enthalten.
Die ehemalige Regierungspartei von Mitterrand und Hollande beruft sich auf ihr Verantwortungsbewusstsein und das Allgemeininteresse. Dafür nimmt sie einen Konflikt mit ihren linken Bündnispartnern und eine Isolation in Kauf, die bei späteren Wahlen (nicht nur für sie selber) gravierende Folgen haben muss. Bei einem Ausschluss des Parti Socialiste (PS) aus der „Neuen Volksfront“ mit der Linkspartei La France insoumise (LFI), Kommunisten und Grünen würde bei kommenden Neuwahlen viele der 66 PS-Abgeordneten ihren Sitz verlieren, vor allem aber würde die extreme Rechte von einem Auseinanderbrechen der linken Wahlallianz gewaltig profitieren.
Das aber scheint die geringste Sorge des LFI-Wortführers Jean-Luc Mélenchon zu sein, der in schrillen Tönen von einem „Verrat“ spricht und die PS-Genossen am liebsten eigenhändig aus der linken Einheit werfen möchte. Er macht aus der taktischen Frage des Vertrauensvotums ein Dogma. Er hat selber nur ein Ziel und eine Priorität: Neuwahlen und vor allem den von ihm geforderten Rücktritt des Präsidenten, Emmanuel Macron, um dann selber wieder zu kandidieren. Und er glaubt anscheinend nicht – oder nimmt es als bloßen Risikofaktor in Kauf --, dass dann nicht er und seine maximalistische Linksfraktion, sondern die extreme Rechte von Marine Le Pen an die Macht kommen würde. Denn das Zerwürfnis der Linken kann den Trend nach rechts nur stärken.
LFI müsste sich eher die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, bei jedem sich bietenden Anlass eine Vertrauensabstimmung zu beantragen, wenn doch im Voraus klar ist, dass dabei die Regierung nicht gestürzt wird und keine sofortige Neuwahlen möglich sind. Wer in einer solchen Kraftprobe nicht gewinnt, verliert. Das lässt sich auch mit Beschimpfungen der ungetreuen Bündnispartner nicht wegreden.
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