Misshandlungsvorwürfe in Asylunterkunft:
Aus dem Schlaf getreten
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Misshandlungsvorwürfe in Asylunterkunft: Aus dem Schlaf getreten
Die Polizei in München prüft Vorwürfe gegen das Sicherheitspersonal eines Flüchtlingsheims. Die Einrichtung ist seit Wochen überfüllt.
Asylbewerberunterkunft Bayernkaserne Ende Juni in München: Manche Flüchtlinge mussten zuletzt auf einer Matte im Freien schlafen
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dpa
MÜNCHEN/ESSEN dpa | Die Münchner Polizei überprüft Misshandlungsvorwürfe von Flüchtlingen gegen Wachleute in einer Asylbewerberunterkunft. Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums bestätigte am Donnerstag einen entsprechenden Bericht des Bayerischen Rundfunks. Laut der Sprecherin gab es in der Unterkunft – der Bayernkaserne – sowohl in der vergangenen Woche als auch am Mittwoch einen Polizeieinsatz, nachdem dort untergebrachte Asylbewerber Vorwürfe gegen den Sicherheitsdienst erhoben hatten.
Der BR zitierte einen Palästinenser, nach dessen Worten Wachleute am Boden schlafende Flüchtlinge getreten haben sollen. Die Bayernkaserne ist seit Wochen überfüllt, dort warten viele Flüchtlinge auf ihre Registrierung und medizinische Untersuchung.
Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte am Montag einen Aufnahmestopp erklärt, nachdem es in den Vortagen zu chaotischen Szenen gekommen war. Wegen fehlender Betten und Räume mussten manche Flüchtlinge auf Matten im Freien schlafen. Zuvor hatten Misshandlungsfälle in Nordrhein-Westfalen für Aufsehen gesorgt. Dort laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.
So leben Flüchtlinge in Deutschland
Bild 1 von 20: Refugees welcome? Die wenigen Flüchtlinge, die es trotz aller Repression nach Deutschland schaffen, leiden oft unter dem Rassismus der Bevölkerung und den schlechten Zuständen der Unterkünfte. Essensgutscheine statt Bargeld, Arbeitsverbot und Residenzpflicht erschweren zudem den Alltag – ein Blick in die Bundesländer.
Imago/Christian Mang
Bild 2 von 20: Nordrhein-Westfalen I: In Burbach, Essen und Bad Berleburg soll es zu Misshandlungen von Flüchtlingen durch private Wachleute gekommen sein. In Burbach (Foto) im Siegerland sollen private Wachmänner einen Flüchtling unter anderem gezwungen haben, sich auf eine mit Erbrochenem verschmutzte Matratze zu legen.
Imago/Thomas Frey
Bild 3 von 20: Nordrhein-Westfalen II: Auch in Duisburg kümmert sich ein privater Sicherheitsdienst um das Gelände, auf das niemand außer den Flüchtlingen darf. In jedem der 20 Zelte stehen acht Betten, acht Stühle und zwei Tische. Nachts donnern Güterzüge vorbei. Laut Stadt sind die Zelte nur eine Notlösung bis zum Wintereinbruch.
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Bild 4 von 20: Hamburg-Bahrenfeld: Misshandlungen gab es nicht nur in NRW. Ein Wachmann in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung Schnackenburgallee soll einen Flüchtling getreten haben, der auf dem Boden lag. Zuvor hatte er seine Jacke zerrissen. Seit April 2014 wohnen hier 1.000 Flüchtlinge in Containern und weitere 200 in Zelten. Es gibt Pläne, auf 1.400 Containerplätze aufzustocken.
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Bild 5 von 20: Hamburg-St.-Pauli: Neben den staatlichen Unterbringungsmöglichkeiten gibt es beispielsweise das Kirchenasyl. Die St.-Pauli-Kirche und weitere Gemeinden öffneten im Juni 2013 ihre Pforten und gaben einigen Flüchtlingen der Lampedusa-Gruppe eine Unterkunft, um deren Abschiebung zu verhindern.
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Bild 6 von 20: Berlin-Kreuzberg I: In Berlin besetzten Flüchtlinge und Aktivisten zunächst den Oranienplatz und dann eine leer stehende Schule in Kreuzberg. Der Platz wurde unter dem Druck der Stadt geräumt. Unter massivem Polizeiaufgebot verließen im Sommer 2014 auch die meisten BewohnerInnen die Schule. 40 blieben und besetzten aus Protest das Dach. Bislang dürfen diese in der Schule bleiben.
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Bild 7 von 20: Berlin-Kreuzberg II: Nach dem Brand der Cuvry-Brache riss die Stadt alle Unterkünfte auf dem Grundstück ab. Die BewohnerInnen sind nun obdachlos. Aber auch andere Flüchtlinge, die aus den Heimen geworfen werden, leben auf der Straße oder in Parks.
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Bild 8 von 20: Berlin-Hellersdorf: Zurück zu den staatlichen Unterbringungsheimen. Fenster und Türen werden zerschlagen, Böller geworfen. Ständig attackieren Rechte das Flüchtlingsheim. Schön dagegen ist die Unterstützung: Einmal im Monat gehen AktivistInnen mit den Flüchtlingen einkaufen und tauschen so die Gutscheine gegen Bargeld.
dpa
Bild 9 von 20: Thüringen: Im September 2014 segnete der Bundesrat die von Union und SPD vorgelegte Asylrechtsänderung ab. Künftig sollen Sozialleistungen bundesweit „vorrangig“ in bar ausgegeben werden, heißt es in dem Papier. Wenn Kommunen wollen, könnten sie jedoch auch an den Gutscheinen festhalten. Hier Exemplare aus Kamen im Jahr 2012.
dpa
Bild 10 von 20: Bayern: In diesen Zelten in München übernachteten zunächst Touristen, die zum Oktoberfest angereist waren. Jetzt schlafen 120 Flüchtlinge in den Betten. Wegen der schlechten Bedingungen im Auffanglager in der „Bayernkaserne“ gingen die Flüchtlinge Anfang Oktober auf die Straße. Das alte Lager ist mit rund 2.000 BewohnerInnen völlig überfüllt.
dpa
Bild 11 von 20: Bayern: Die Bedingungen für Flüchtlinge in Bayern sind schlecht. Neben überfüllten Lagern, gibt es eine Residenzpflicht, die ihnen verbietet, den Regierungsbezirk zu verlassen. Zumindest hübsch haben es die 60 BewohnerInnen des „Grandhotel Cosmopolis“ in Augsburg. Zusammen mit den Flüchtlingen wohnen Künstler und Hotelgäste in dem ehemaligen Altersheim.
dpa
Bild 12 von 20: Sachsen: 1991 haben Anwohner beinahe alle Asylbewerber und Gastarbeiter aus Hoyerswerda vertrieben. In diesem Jahr hat der Landkreis Bautzen erstmals wieder Flüchtlinge in einer ehemaligen Förderschule einquartiert. 85 Erwachsene und 32 Kinder schlafen in den Klassenräumen. Immer wieder sind sie Ziel von rassistischen Anschlägen - wie hier im April.
Björn Kietzmann
Bild 13 von 20: Sachsen: In Schneeberg laufen nicht nur Neonazis, sondern auch die Nachbarn der Flüchtlinge. 1.000 Menschen beteiligten sich im Winter 2013 am NPD-Protest gegen das Flüchtlingsheim. Zuvor wurden kurzfristig 500 Flüchtlinge in der früheren Bundeswehrkaserne am Stadtrand untergebracht. Die Polizei registrierte auch vereinzelt Anschläge oder Übergriffe auf Flüchtlinge.
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Bild 14 von 20: Mecklenburg-Vorpommern: Unbekannte haben im Oktober 2014 zwei Brandsätze auf das Flüchtlingsheim in Groß-Lüsewitz in der Nähe von Rostock geworfen. Das Gebäude geriet nicht in Brand. Seitdem werde die Unterkunft vorerst rund um die Uhr durch Beamte geschützt, so die Polizei. Im Dezember 2013 schrieb ein Landwirt an die Wand: „Der Block wird brennen“.
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Bild 15 von 20: Bremen: Anfang 2013 quartierte die Stadt 40 Asylbewerber in einer leer stehenden Schule im Stadtteil Schwachhausen ein. Innerhalb kürzester Zeit waren alle 53 Plätze belegt. Ende März 2014 mussten die BewohnerInnen jedoch wieder ausziehen. In dem ehemaligen Schulgebäude sollen nun Wohnungen entstehen.
Imago/Michael Bahlo
Bild 16 von 20: Baden-Württemberg, Bruchsal: 500 Flüchtlinge wohnten hier im September 2014 übergangsweise. Grund sind die mangelnden Aufnahmekapazitäten der Landeserstaufnahmestelle Karlsruhe. In der Halle, wo sonst Schulungen der Feuerwehr stattfinden, sind Betten aufgereiht. Nach Angaben des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurden in dem Monat rund 6.000 Flüchtlinge aufgenommen.
dpa
Bild 17 von 20: Baden-Württemberg: Weitere 360 der 6.000 Flüchtlinge wohnen für ein bis drei Tage in einer Gartenhalle in Karlsruhe. Gründe für das vermehrte Aufkommen: Mehr Menschen aus Syrien und dem Nord-Irak fliehen. Zudem hatten Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin im Herbst 2014 zeitweise keine Flüchtlinge mehr aufgenommen.
dpa
Bild 18 von 20: Hessen: Besser haben es die 40 Flüchtlinge, die in den Vierer-Wohneinheiten in Kriftel untergebracht sind. Es gibt je zwei Schlafzimmer, ein kleines Bad und eine Küche. Im August 2014 entstanden so 40 Plätze in den bunten Wohncontainern.
dpa
Bild 19 von 20: Brandenburg: Ganz anders diese Container in Eisenhüttenstadt. Das Erstaufnahmelager mit 700 Plätzen liegt direkt neben der Abschiebehaftanstalt. 2013 traten mehrere Insassen in den Hungerstreik. Es sei überfüllt und dreckig. Die Kinder sollen in Räumen inmitten von Maden und anderem Ungeziefer spielen. Vergangenes Jahr hatte sich ein Asylbewerber erhängt.
boness/ipon
Bild 20 von 20: Rheinland-Pfalz: Die Zelle des Abschiebegefängnisses in Ingelheim am Rhein 2007. Das Gelände des Gefängnisses war damals umgeben mit fünf Meter hohen Betonmauern und NATO-Stacheldrahtzaun. Der Stacheldrahtzaun ist seit Ende 2013 weg. Das sei laut Integrationsministerium Teil des neuen Konzepts für die Abschiebungshaft im Land.
Imago/epd
Aich in einem Flüchtlingsheim in Essen ist es erneut zu einem Streit um das Taschengeld für die Asylbewerber gekommen. Die Polizei habe am Donnerstag anrücken müssen, weil 40 Asylbewerber aus Protest gegen die Auszahlung der Unterstützungsgelder eine Kreuzung blockiert hatten, sagte ein Polizeisprecher. Als die Einsatzkräfte eintrafen, habe die Gruppe die Straße aber sofort friedlich geräumt.
Die genauen Hintergründe des Streits bleiben zunächst unklar. Erst vor zwei Wochen hatte es in Essen Unruhe wegen der Auszahlung der Taschengelder für die Flüchtlinge gegeben. Der Betreiber der Unterkunft, European Homecare, war für Nachfragen nicht zu erreichen.
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