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Misshandelte BundeswehrsanitäterGewaltexzesse in Kaserne

Mobbing und Gewalt filmen – die Armee wird von einem Skandal in einer Ausbildungseinrichtung erschüttert. Es ist nicht der erste.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nennt die Vorfälle „abstoßend“ und „widerwärtig“ Foto: dpa

Pfullendorf/Berlin dpa/taz | Die Anfahrt durch einen Wald endet vor schweren Eisentoren. „Militärischer Sicherheitsbereich, unbefugtes Betreten verboten!“, heißt es auf einem Schild“. Hinter den Toren der Pfullendorfer Staufer-Kaserne soll es zu Gewaltexzessen gekommen sein. Jetzt soll sich der Verteidigungsausschuss des Bundestags damit beschäftigen.

Spiegel Online machte den Skandal am Wochenende pu­blik. Dem Magazin zufolge gab es bereits 2015 erste Hinweise auf Verfehlungen bei der Ausbildung sowie auf das Mobben von Frauen in der Kaserne bei Sigmaringen. Laut dem Bericht gab es „sexuell-sadistischen Praktiken“ und Gewaltrituale.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nennt die Vorfälle „abstoßend“ und „widerwärtig“. Nach den Spiegel-Informationen wandte sich im Oktober ein weiblicher Leutnant aus dem Sanitätsbereich an den Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels und auch direkt an von der Leyen. Die Soldatin soll beschrieben haben, dass sich Rekruten bei der Ausbildung vor den Kameraden nackt ausziehen mussten. „Vorgesetzte filmten mit, angeblich zu Ausbildungszwecken“, heißt es. Auch von medizinisch unsinnigen, sexuell motivierten Übungen sei die Rede.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold berichtet nun, bei seinem Besuch in der Staufer-Kaserne im vorigen Sommer habe er das Gefühl gehabt, „dass dort nicht gut und verantwortungsvoll geführt wird“. Den Besuch bei dem jetzt abgelösten Kommandeur habe er erzwingen müssen. Der Offizier habe „mit massivem Druck und Tricks unterlaufen, dass ich die Personalvertretung unter vier Augen sprechen kann“. Arnold fordert, dass in den Standort Pfullendorf „reingeleuchtet“ werde.

Alkoholkonsum bis zum Erbrechen

Der Wehrbeauftragte Bartels findet am Wochenende harte Worte über die Gewaltexzesse: Die Dienstaufsicht habe versagt, und „um einen Neuanfang wird man nicht herumkommen“.

Allerdings weist auch Bartels'noch druckfrischer Jahresbericht für den Bundestag diverse aktuelle Beispiele für ­krasses Fehlverhalten in der Truppe auf. So ließ beispielsweise ein Leutnant „nach einem Rückmarsch von einer Schießausbildung seinen Zug Liegestütze und Kniebeugen absolvieren. Als zwei der Soldaten vor Erschöpfung zusammenbrachen und einige Kameradinnen und Kameraden ihnen zu Hilfe eilen wollten, äußerte er wiederholt: ‚Lasst die liegen, die sind nur ohnmächtig, nicht tot!‘ “

Schon mehrfach hat es Gewaltskandale in der Bundeswehr gegeben, zuletzt die entwürdigenden Aufnahmerituale der Gebirgsjäger im oberbayerischen Mittenwald im Februar 2010: Zu einem „Fuxtest“ für Neulinge gehörten das Essen roher Schweineleber und Alkoholkonsum bis zum Erbrechen.

Der wohl schlimmste Fall liegt indes schon über 50 Jahre zurück: 1963 machte der „Schleifer von Nagold“ – wie Pfullendorf eine kleine Stadt in Baden-Württemberg – Schlagzeilen. Rekruten wurden traktiert und menschenunwürdigen Schikanen ausgesetzt, bis zu Liegestützen über einem aufgeklappten Taschenmesser. Ein 19-Jähriger hat die Tortur nicht überlebt.

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9 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Alkoholkonsum bis zum Erbrechen"

     

    Also das gabs bei den Wehrpflichtigen auch... ganz normale Soldatentradition...

  • Besonders gefährlich ist die Situation, da es sich mittlerweile um eine Berufsarmee handelt. Während in Nagold Wehrpflichtige betroffen oder Zeugen waren, geht es heute um den Arbeitsplatz.... Das solche 'Ausbildungsmethoden' samt entsprechendem Korpsgeist im Ernstfall zu Exzessen wie in Abu Guraibh führen können, bereitet Kopfschmerzen. Und last but not least, die Ministerin informierte erst dann die Öffentlichkeit, als Medienberichte darüber drohten....

  • es hat sich nix geändert, 1963 bekamen wir einen Leutnant aus Nagold der versuchte oder verursachte ähnliches bei uns Ausbligungs kompnie 442, bis ein alter Hauptfeld aus dem WK2 ihn vor vesammelter Mannschaft anschiss, er solle die Finger von seinen Leuten lassen, da gabs diesen Hauptmann mit seinem Spruch in Russland hatten wir auch keine Ohrenschützer, bei 21 Grad Minus, Befehl Ohrenschützer ab, worauf sich 11 Man die Ohren erfroren, wie man sieht nix dazugelernt, die BW ist eben eher einScheissladen, da helfen auch die sprüche der Mutter der KOmpanie Frau von der Leyen nix

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Georg Schmidt:

      Damals waren aber noch Männer die Opfer. Heute sind es Frauen, das ist natürlich gaaaaaanz was anderes. Da ist das der Öffentlichkeit schon ein Skandal wert...

      • @4845 (Profil gelöscht):

        versteh ich nicht, darf man mit männlichen Heranwachsenden umgehen, wie mit ja was?? ALS ICH MEINE 18 Monate

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @Georg Schmidt:

          Habe wohl das Ironieschild vergessen...

    • @Georg Schmidt:

      "Hände in den Taschen - erst ab 5 Grad minus!" - Angeherrscht noch in Zivil!

      Panzerrinne - Wasser Oberkannte -Unterlippe - bei Long Tom 1,98 -

      Der Rest - Gänsemarschschwimmen!

      The whole katastrophe! - (Rest vorher!)(

      kurz - Mondscheinkompanie! a lot!

      klar - Anschlußverwendung Hptm i.G.

  • Wie gut, dass sich Deutschland in alter Tradition auf Geld und Worte beschränkt, wenn es um den Krieg mit dem islamischen Staat in Syrien geht.

     

    Sonst liefen die Soldaten der Bundeswehr Gefahr, an Vorgängen teilzuhaben, die mit „abstoßend“ und „widerwärtig“ möglicherweise unzureichend beschrieben sind.

    • @KruegerParc:

      Wie gut, das Sie da nicht auch noch was zu melden haben!