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Missbrauch-Aufarbeitung im ComicKampf gegen den Dämon

In einem Comic hat ein Franzose seinen Missbrauch durch einen Priester aufgearbeitet: Mit "Warum ich Pater Pierre getötet habe" exorziert Autor Oliver Ka seinen persönlichen Dämon.

Pierre ist toll, ein Bär von einem Mann, mit Rauschebart und gütigem Grinsen. Bis... Bild: carlsen verlag

Lange vor den öffentlichen Skandalen hat Olivier Ka seinen Dämon exorziert: Pater Pierre, der Priester, der ihn als Kind missbrauchte. In der autobiografischen Graphic Novel stirbt Pierre immer wieder, doch es scheint, als würde eigentlich Olivier sterben.

Oliviers Großeltern sind erzkatholisch, seine Eltern lehnen Religion ab. Während seine Großmutter ihm erzählt, wer den eigenen "Piephahn" anfasse, käme in die Hölle, gehen die Eltern mit ihren Kindern nackt baden. Für Olivier ordnet Pater Pierre die Gegensätze: Sowohl die Großeltern als auch die Eltern mögen den Priester.

Pierre ist toll, ein Bär von einem Mann, mit Rauschebart und gütigem Grinsen. Er hat eine Gitarre und einen Hund. Olivier bewundert Pierre, vielleicht ist er auch ein wenig verliebt. Mit ihm fährt Olivier ins Ferienlager. Dort passiert es: Eines Tages sitzt er mit Pater Pierre am Strand. "Wir sollten heute nebeneinander schlafen", schlägt der kumpelige Priester vor. "Es macht dir doch nichts aus, nackt zu sein?" Pater Pierre ist plötzlich ein knallrotes Teufelswesen mit gelb leuchtenden Augen.

Der Comic zeigt, wie sehr Pierre in das Leben von Olivier eindringt. Alle Kapitel fangen mit den Worten an: "Ich habe Pater Pierre getötet, weil?", auch die, in denen Olivier den Priester noch gar nicht kennt. Zu Anfang spürt man in den Zeichnungen die kindliche Bewunderung des Zwölfjährigen, am Ende den Abscheu des Erwachsenen. Während Olivier mit seinem Leid ringt, wird Pierre zu einem Dämon, einer Abstraktion.

Lange Zeit denkt sich Olivier, was passiert ist, wäre nicht bedeutend. Doch er schleppt Pierre sein Leben lang mit sich herum. Über zwanzig Jahre später - die Tat ist längst verjährt, Olivier ist Schauspieler und hat eine zwölfjährige Tochter - bricht er bei einen Flashback in einer Kirche zusammen. Als er seinem Freund Alfred von Pater Pierre erzählt, schlägt der Zeichner vor, Oliviers Leben als Comic festzuhalten.

Schließlich fahren die beiden Freunde in das Ferienlager, in dem Olivier so viele Jahre verbrachte. Unverhofft treffen sie auf einen kleinen, grauen Mann: Pierre. Olivier will keine Rache, keine Anklage erheben. Er drückt Pater Pierre nur die gezeichneten Comicseiten in die Hand. "Wissen deine Eltern Bescheid?", fragt der. "Ja." Es gibt keine Entschuldigung, und Olivier lässt Pierre keine Möglichkeit zur Sühne. Als die Freunde wegfahren, ist Olivier den Dämon Pierre los.

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