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Mischke wird doch nicht ttt-ModeratorWer bestimmt jetzt die Räume?

Kommentar von Sophie Sumburane

Thilo Mischke wird nach Kritik doch nicht Moderator der ARD-Kultursendung. Nun braucht´s dringend eine Debatte über Frauen und Reflexion in der Kultur.

Ein Umdenken würde schon in der journalistischen Ausbildung anfangen Foto: TommL/getty

V ielleicht hatten einige Le­se­r*in­nen hier noch nichts von Thilo Mischke gehört, bevor die Debatte um ihn als neuem Moderator für die Kultursendung „ttt“ der ARD losbrach.

Und das ist schön für die, die das betrifft, ich für meinen Teil hatte sehr wohl von ihm gehört. Aus den von „Feminist Shelf Control“ recherchierten und im offenen Brief an die ARD argumentierten Gründen. Seine Bücher. Seine Aussagen. Seine Unreflektiertheit, sein, wie er selbst sagte: unterkomplexer Kulturbegriff, der Kultur als etwas begreift, das es zu „verkaufen“ gilt. Nun, damit ist er wahrlich nicht allein in dieser Gesellschaft, aber eben aus meiner Sicht nicht die richtige Wahl für die Moderation einer relevanten Kultursendung wie „ttt“.

Gesellschaftlich immanenter Frauenhass in seiner unreflektierten Form sollte nicht auch noch Einzug in diese Sendung finden. Er ist doch sowieso schon überall. Solche Sendungen sollten viel mehr Orte sein, diese Probleme sensibel zu beleuchten, statt sie zu reproduzieren. Wir als Gesellschaft müssen anfangen, die Köpfe zu schütteln, wenn wir Bücher mit Titeln wie seinem vorfinden, Aussagen, wie seine in Podcasts hören.

Die Kultur ist ein Feld, in dem es möglich ist, subtil, laut oder leise, sensibel und reflektiert, avantgardistisch, und mit der den Künst­le­r*in­nen eigenen Stimme und Ausdrucksform gesellschaftliche Fragen zu reflektieren, und zwar eben so komplex, wie sie in den meisten Fällen nun mal sind. Wie aber soll mit dem Holzhammer darüber diskutiert werden? Nenn mir drei krasse Sätze aus deinem Buch, die mir sagen, warum ich’s kaufen soll: los! Oder was? Wie dramatisch wäre es, wenn eine solche Arbeit von einem Mann diskutiert würde, der „Die Liebe des Lebens braucht keinen ­großen Busen“ als steile These vertritt?

Über Gewalt sprechen

Mir fällt es schwer, mir das vorzustellen, es bedeutete doch, dass auch die Sendung in diesem Bereich an Komplexität spürbar verlöre. In einem Bereich, der doch aber endlich in all seinem Facettenreichtum diskutiert gehört. Was ist ein Sexist, Rape Culture, wann ist es Frauenhass und wie lernen wir, über sexualisierte Gewalt zu sprechen, ohne erneut gewaltvoll zu sein?

Nun ist die Entscheidung gefallen, nicht die ARD selbst, nein, die Süddeutsche Zeitung wusste es zuerst: Thilo Mischke wird nicht der nächste „ttt“ Moderator. Und mir als Mitunterzeichnerin des offenen Briefes wurden Nachrichten geschickt, in denen zu diesem „Erfolg“ erfreulich gratuliert wurde.

Doch ich empfinde diese ganze Sache an keiner Stelle als Erfolg. Es ist ein trauriges Armutszeugnis und irgendwie auch ein Beleg für einen gesellschaftlichen Backlash. Auch, wie die ARD kommunizierte (quasi gar nicht), wie die Entscheidung für Mischke als Moderator einzusetzen vollkommen intransparent blieb und wir uns jetzt wundern und fragen können, welche Seilschaft ihn in diese Position gezogen haben könnte. Wie diese ­Personalie selbst gegen den Willen der ttt-Redaktion durchgedrückt werden sollte, wie aus dem Text in der SZ deutlich wird.

Und nicht zuletzt, wie wir als Gesellschaft inter­nalisierten Frauenhass normal bis lustig finden und kein Problem darin sehen, Menschen, die ein Frauenbild haben, das ebenso unter­komplex ist wie Thilo Mischkes Kulturbegriff, an prominenten Stellen etwas bedeuten zu lassen. Immer und immer wieder. An so vielen Stellen, in der Kultur, Politik, Gesellschaft. Zwei Schritte vor, drei zurück. Diese Entscheidung der ARD kann erst der Anfang einer Debatte sein, die sich die Frage stellen muss, wem und welchen Themen wir die relevanten Räume künftig zugestehen wollen, in welcher Form und Komplexität.

Ein neues Normal

Wir brauchen eine Debatte darüber, was wir normal finden wollen. Worüber wir lachen wollen, wie viel Verachtung für andere Menschen in der Kultur noch tragbar ist, was Verachtung eigentlich ist. Und dass man Betroffenen glauben soll, wenn Sie sagen, dass etwas verachtend ist und nicht erst, wenn irgendwer in Entscheiderpositionen keine andere Wahl mehr hat.

Und, liebe Frauen, wie sehr wir selbst Misogynie verinnerlicht haben. Denn das haben wir, und nur darum funktioniert der Sexismus so prima, weil auch die Frauen selbst ihn aufrechterhalten, gelernt haben, dass verachtet zu werden normal ist. Mitlachen, statt sich mit offenen Mündern wegdrehen.

Wir alle kennen von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen, doch irgendwie kennt niemand die Täter, sie fallen in dieser misogynen Kultur, in der wir leben, einfach nicht auf und das, genau das muss sich ändern.

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5 Kommentare

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  • Was steht sinnbildlicher für Frauenhass als Aussagen wie: „Der Homo Sapiens habe nur überlebt, weil er Frauen vergewaltigte“ oder Bücher wie „In 80 Frauen um die Welt“.



    Natürlich finden sich Buddys die im nacheilenden Gehorsam T.M. schützen & einen feministischen Artikel kritisieren. Deswegen braucht man(n) sich auch keine Sorgen um T.M. machen, im toxischen Patriarchat fällt der sicher schnell wieder auf die Füße. Im Übrigen ist Freud (ebenfalls kein besonderer Frauenfreund) zu folgen schon der größte Fehler, die wirkliche Unterdrückung der Frau fand wesentlich früher statt, gerne nachzulesen in



    „Die Wahrheit über Eva: Die Erfindung der Ungleichheit von Frauen & Männern“ Schaik & Michel



    Abgesehen davon lässt die Aussage: „…das Frauen erstmalig dem Gemeinschaftsbesitz der Hordenmänner entzog.“ tief blicken Hr. J., daher nebst dem Verständnis der Definition von Frauenhass auch für Sie empfehlenswert



    „Feindbild Frau: Männliche Sexualität, Gewalt & die Abwehr des Weiblichen“ R. Pohl



    Frauen sind kein Besitz & Frauenhass wird ganz sicher nicht von Männern (wie Ihnen Hr. J.) definiert!



    Danke Fr. Sumburane für den Artikel der seine Berechtigung allein schon in 2/3 Kommentaren findet 😉

  • Ganze 12 “wir“ dekretiert Frau Sumburane, laut Wikipedia Schriftstellerin, und vergaß darüber, dass die Leser dieser Zeitung kein twitter-Mob sind, in dem man autoritär und beschwörerisch nachtritt gegen einen Journalisten, der mir unbekannt war.



    Ihr „als Mitunterzeichnerin des offenen Briefes wurden Nachrichten geschickt, in denen zu diesem ‚Erfolg‘ erfreulich gratuliert wurde. Doch (sie) empfinde diese ganze Sache an keiner Stelle als Erfolg.“



    So bescheiden möchte sie wahrgenommen werden, es geht um Höheres.



    Thilo Mischke wurde uns von ihr und ihren Mitunterzeichnern als veritabler Frauenhasser präsentiert.



    Hat er der Vergewaltigung das Wort geredet? Wollte er ihre zivilisatorische Zurückdrängung (bei ihm Christentum) annullieren? Folgt man Freud, war es übrigens das (jüdische) Patriarchat, das Frauen erstmalig dem Gemeinschaftsbesitz der Hordenmänner entzog.



    Zeichnet Literatur nicht gerade Introspektion (In 80 Frauen..) aus, und zwar rücksichtslos gegen gesellschaftlich Approbiertes? Auf den Scheiterhaufen mit Charles Bokowski oder Philip Roth, die uns mit ihren sexuellen Begierden in Verlegenheit brachten!



    Bei so einem Cancel-Mob mitzumachen, ganz schwach Frau Schriftstellerin!

  • Ich hätte hier zwei Fragen.

    An die Redaktion: Ist es wirklich eine gute Entscheidung, ausgerechnet eine so dezidierte Kritikerin der Mischke-Berufung den Fall kommentieren zu lassen? Sicher sind Kommentare Meinungsbeiträge. Aber so wird es doch etwas einseitig.

    An Frau Sumbarone: Finden Sie im Zusammenhang mit den Aussagen Mischkes das Wort "Frauenhass" wirklich angemessen? Frauenverachtung, fehlende Sensibilität, dümmliches Macho-Gerede ja, aber "Hass"?

    Ich finde, diese inflationäre Verewendung des Worts "Hass" auf beiden Seiten des politischen Spektrums macht es nicht einfacher, kontroverse Punkte sachlich zu diskutieren. Es sei denn, man will gar diskutieren, sondern nur rechthaben und jede abweichende Meinung verdammen.

    Der FAZ-Journalist Michael Hanfeld berichtet in seinem Kommentar zum Thema, einige Leute, die die Zeitung auf die Entscheidung angesprochen habe, hätten eine Stellungnahme abgelelehnt, da sie sich nicht einem Shitstorm aussetzen wollten. Wenn das stimmt, was ich nicht nachprüfen kann, wäre das auch kein gutes Zeichen.

  • Dagegen hilft nur Bildung, Bildung, Bildung! Vom Kindergarten bis zur Universität müsste Pflichtunterricht über Respekt, Gleichberechtigung und Konfliktaustragung stattfinden. Schliesslich ist der Frauenhass und Sexismus auch nur angelernt- wenn auch über Jahrtausende hinweg - und kann auch wieder verlernt werden. Es mag halt lange dauern bis man Resultate sieht, aber um so dringender ist es sofort damit anzufangen!

    • @NovaBel:

      Bildung ist immer gut, universal Menschen mit gleich hohem Respekt behandeln auch.

      Achten wir darauf, auch bei Mischke, das präzise Beschreiben vom Bewerten zu trennen.