Ministerpräsidentenwahl in Thüringen: Erfurter Chaostage gehen weiter
Was kommt nach dem Rücktritt von Thomas Kemmerich: Wird Bodo Ramelow jetzt wieder Ministerpräsident, gibt es Neuwahlen – oder beides?
Das bedeutet: Wie es jetzt weitergeht in Thüringen, darauf hat der allzu rechtsoffene 54-jährige Unternehmer keinen relevanten Einfluss mehr. Eigentlich hatte Kemmerich noch eine für den 18. Februar geplante Sondersitzung des Ältestenrats des Landtages abwarten wollen, auf der nach seinen Worten über einen verfassungsgemäßen Weg hätte entschieden werden sollen, „wie es schnell zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten kommen kann“.
Dass der Druck auf ihn hoch war, steht außer Frage. Aber was Kemmerich zum Umdenken bewogen hat, ist unklar. Die Welt am Sonntag berichtet, aus der FDP sei zu hören, Kanzlerin Angela Merkel habe gedroht, falls Kemmerich nicht sofort zurücktrete, werde sie sämtliche Landesregierungen beenden, an denen CDU und Liberale beteiligt seien. Doch Belege dafür gibt es bislang nicht.
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Doch was passiert jetzt in Thüringen? Nach den Vorstellungen des Berliner Koalitionsausschusses von Union und SPD sollte nun „umgehend“ ein neuer Ministerpräsident gewählt werden. Anschließend seien aus „Gründen der Legitimation der Politik“ baldige Neuwahlen erforderlich.
Keine Mehrheit für Rot-Rot-Grün
Es ist ein außergewöhnlicher Vorgang, dass der Koalitionsausschuss der Bundesregierung versucht, einem Landtag Vorgaben zu machen. Doch unabhängig davon, dass ein solches Vorgehen nicht unbedingt den föderalistischen Gepflogenheiten entspricht: Der vorgeschlagene Weg wäre ein denkbarer. Er hat allerdings Haken.
Nach Lage der Dinge gibt es nur einen legitimen Kandidaten, der nach dem gelb-schwarz-braunen Debakel vom Mittwoch zum neuen Ministerpräsidenten gewählt werden kann: der Linksparteiler Bodo Ramelow, äußerst beliebter Vorgänger Kemmerichs und Sieger der Landtagswahl vom Oktober. Doch er verfügt nach wie vor über keine eigene Mehrheit im Landtag. Linkspartei, SPD und Grüne kommen auf nur 42 Sitze im 90-köpfigen Parlament.
Ramelow ist bereit, noch einmal ins Rennen zu gehen – allerdings nur unter Bedingungen. Da ihn die Linkspartei nicht erneut ins offene Messer laufen lassen will, müsse sichergestellt sein, dass er „eine demokratische Mehrheit im Parlament“ hat, fordert Thüringens Linkspartei- und Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow. Eine Enthaltung der CDU im dritten Wahlgang, wenn eine einfache Mehrheit genügt, würde nicht mehr ausreichen. Darauf hatte Rot-Rot-Grün noch am vergangenen Mittwoch spekuliert.
Das heißt: Es muss diesmal glaubwürdige Zusagen geben, dass es im Falle seiner Kandidatur ausreichend Stimmen aus den Reihen von CDU und FDP für Ramelow geben wird, damit er mit einer absoluten Mehrheit – also mindestens 46 Stimmen – wieder ins Amt kommt, und zwar unabhängig davon, wie die 21 Abgeordneten der AfD votieren.
CDU sträubt sich
Dass die Linkspartei darauf besteht, hat mehr als einen guten Grund. Denn die Rechtsausleger scheinen schon ihren nächsten „Coup“ zu planen: „Die kopflose Reaktion von CDU und FDP bringt mich zu der Empfehlung an die thüringischen Freunde, das nächste Mal Herrn Ramelow zu wählen, um ihn sicher zu verhindern – denn er dürfte das Amt dann auch nicht annehmen“, sagte AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Bodo Ramelow reagierte darauf mit Empörung: „So agieren Demokratieverächter“, twitterte er.
Noch bekunden FDP und Union, Ramelow ihre Stimmen verweigern zu wollen. Sie wolle zwar „Initiativen, die darauf abzielen, im Thüringer Landtag eine Regierung zu bilden, nicht blockieren“, hat die Thüringer CDU beschlossen. Aber ihre Fraktion werde „einen von der Linken aufgestellten Ministerpräsidenten entsprechend ihrer Grundsätze nicht aktiv ins Amt wählen“.
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Und dann? Für den Fall, dass sich keine demokratische Mehrheit für Ramelow abzeichnet, werde sie auf Neuwahlen orientieren, hat die Linkspartei angekündigt. Aber auch das ist nicht so einfach. Da Kemmerich nur noch geschäftsführend im Amt ist, ist ein Weg zu Neuwahlen verbaut: Über die Vertrauensfrage geht es nicht mehr.
Bleibt die Selbstauflösung des Landtags. Dazu bedarf es 60 Stimmen. Zählt man die 5 Stimmen der FDP, die sich schon am Donnerstag dafür ausgesprochen hatte, zu den 42 von Rot-Rot-Grün hinzu, fehlen noch 13 Stimmen, die entweder von der CDU oder der AfD kommen müssten. Weder die eine noch die andere Partei zeigen jedoch bislang irgendein Interesse an Neuwahlen. Aber wer weiß, welche Volten die Thüringer Parteien in den kommenden Tagen noch schlagen.
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