piwik no script img

Ministerpräsidentenwahl in SachsenKretschmer bekommt absolute Mehrheit

Im zweiten Anlauf hat CDU-Chef Michael Kretschmer überraschend 69 Stimmen bekommen. Damit führt er nun Sachsens erste Minderheitsregierung an.

Kretschmer führt nun die erste Minderheitsregierung in Sachsen an Foto: Robert Michael/dpa

Dresden taz | Der Sächsische Landtag hat Michael Kretschmer (CDU) im zweiten Wahlgang mit absoluter Mehrheit erneut zum Ministerpräsidenten gewählt. Von 120 Mitgliedern stimmten 69 für Kretschmer. Seine Konkurrenten schnitten schlechter ab: AfD-Chef Jörg Urban erhielt eine Stimme, der Freie Wähler Matthias Berger 39. Elf Abgeordnete enthielten sich.

Kretschmer führt nun die erste Minderheitsregierung in Sachsen an. Seine CDU unterzeichnete am Dienstag mit der SPD einen Koalitionsvertrag. Gemeinsam verfügen beide Parteien im Landtag nur über 51 Stimmen. Die Linke kündigte kurz vor der Wahl an, Kretschmer mit ihren sieben Stimmen zu unterstützen. Für eine Mehrheit wären jedoch mindestens 61 Stimmen nötig.

So auch im ersten Wahlgang. Dort war der bisherige Amtsinhaber Kretschmer (CDU) noch gescheitert. Von den 120 Abgeordneten des Landtags stimmten 55 für ihn. Auch keiner der anderen beiden Kandidaten erhielt die nötige absolute Mehrheit von mindestens 61 Stimmen. Für den sächsischen AfD-Landeschef Jörg Urban stimmten 40 Abgeordnete – vermutlich alle aus seiner Fraktion. Der einzige Freie Wähler im Sächsischen Landtag, Matthias Berger, bekam 6 Stimmen. Nachdem Landtagspräsident Alexander Dierks das Ergebnis verkündet hatte, applaudierte die AfD.

Auffällig ist, dass der Freie Wähler Berger im zweiten Wahlgang deutlich an Stimmen gewinnen konnte, während AfD-Kandidat Urban verlor. Die Annahme liegt nahe, dass die AfD-Abgeordneten auf einen Kemmerich-Moment aus waren. In Thüringen war es 2020 ihren Partei-Kolleg:innen gelungen, den überrumpelten FDP-Chef Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu wählen.

Seit der Wahl im September sind sieben Parteien im Sächsischen Landtag vertreten. Die CDU stellt mit 41 Abgeordneten die größte Fraktion, gefolgt von der AfD mit 40. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat 15 Stimmen, die SPD 10, die Grünen 7, die Linke 6, und für die Freien Wähler sitzt allein Matthias Berger im Parlament. Trotz dieser Vielfalt fand sich keine Koalition mit Mehrheit.

Die Sondierungsgespräche zwischen CDU, SPD und dem BSW scheiterten im November. Danach erarbeiteten CDU und SPD einen gemeinsamen Koalitionsvertrag, obwohl zehn Stimmen bis zur Mehrheit fehlten. Gespräche mit den anderen Fraktionen ergaben zunächst keine Zusagen für eine stabile Tolerierung.

Die Fraktionschefin der Linken, Susanne Schaper, begründete die Unterstützung ihrer Partei damit, dass es darum gehe, einen Ministerpräsidenten der rechtsextremen AfD zu verhindern, und außerdem könne die Linke so eigene Positionen in die Regierung einbringen. Wie die weitere Unterstützung aussehen solle, ließ die Linke allerdings offen. Die Kretschmer-Regierung muss auch nach seiner Wahl weiter nach Mehrheiten suchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Ein Arbeitssieg für dieVernunft. Leider nur der Anfang großer Mühen, aber immerhin ein guter.

    • @Normalo:

      Vernunft? Kretschmer ist ein rechtsdrehender Putinfreund!

      • @Minelle:

        Mag sein - wobei ich ihn eher für einen Appeaser als einen echten Putinisten halten würde. Die 5. Kohorte sitzt in zwei anderen (in Sachsen allerdings bescheuert starken) Fraktionen. Und ich vermisse die "vernünftigere" Alternative - zumal eine, die auch nur annähernd sowas wie ein Regierungsmandat von den Wählern bekommen hat.

        Denn egal wie Kretschmer zu Putin steht - er ist nicht der außenpolitische Sprecher der Union, und hier ging es erst einmal darum, eine parlamentarische Arbeitsfähigkeit diesseits der Rechtsradikalen und Stalinististen darzustellen,

        Kretschmer ist nunmal der Einzige, der es an der AfD vorbeigeschafft hat, und mir ist ein "rechtsdrehender" CDUler lieber, der mit der AfD nichts zu tun haben will und ihr an der Urne standhält, als z B. ein gemäßigter Linker, der gutmenschelnd hinter beiden Populistenvereinen landet. Kretschmer HAT ein Regierungsmandat, und er hat es auch angenommen. Dass es genug Vernunft in der oppositionellen Mehrheit gibt, das nicht vor den Bus der Blaubraunen zu werfen, ist eine gute Nachricht.

  • Eine Chance für die gesamte Republik! Die immensen Probleme können nur gemeinsam, am Gemeinwohl orientiert, im Vorfeld der Gesetzgebung, angegangen werden. Das ist etwas ganz Neues für die Zähdähuuh, vielleicht ganz lehrreich vor der Bundestagswahl. Wenn das scheitert: gute Nacht, Demokraten

    • @Jaja Genau:

      Gemeinsam kann nicht bedeuten, ein Drittel der Wähler auszuschließen.

      • @Der Erwin:

        Das Drittel mag's nicht hören wollen und tut, was sie anderen vorwerfen, nämlich Verächtlichmachung einer anderen Meinung, aber zumindest sympathisieren sie mit Naziphantasien.

  • Was wird nun aus Merz Brandmauer gegen Linke und BSW?

    • @Der Erwin:

      die Frage dürfte doch wohl eher lauten: was wird nun aus der Brandmauer gegen die AFD?

    • @Der Erwin:

      Wollen Sie etwa andeuten, ausgerechnet Friedrich Merz sei Ihnen nicht STUR genug? Rasend mehrheitstaugliche Ansicht...

      Im Ernst: Merz weiß augenscheinlich, welche Brandmauer die für seine Partei gesündere und für seine Wähler wichtigere ist. Und da die Wähler in Sachsen und Thüringen nunmal zwischen den ganzen Brandmauern keinen Platz für Mehrheiten gelassen haben, muss halt eine (auf)weichen - auch auf die Gefahr hin, Merz' erbittertste Gegner zu enttäuschen. ;-)

      Davon abgesehen ist die CDU bei aller Liebe ihres Chefs zu klarer Kante eine weit basisdemokratischere Partei, als sich das manch Linker vorstellen können dürfte: Was der Landesparteitag zu Landesdingen entscheidet, respektiert der Bundesvorsitzende, auch wenn er anderer Meinung ist. Andernfalls ist er nicht haltbar.