Mindestlohn steigt auf 8,84 Euro: Ein Sesambrötchen mehr
Anfang 2017 werden die niedrigsten Stundenlöhne in Deutschland um 34 Cent angehoben. So hat es am Dienstag die Mindestlohnkommission festgelegt.
BERLIN dpa/rtr | Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland steigt Anfang 2017 auf 8,84 Euro. Das legte die Mindestlohnkommission von Arbeitgebern und Arbeitnehmern am Dienstag in Berlin fest. Seit Anfang 2015 gilt eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro.
Der Beschluss sei einstimmig gefallen, sagte der Vorsitzende der Kommission und ehemalige Arbeitsdirektor des Energiekonzerns RWE, Jan Zilius. „Die Höhe der Anpassung orientiert sich nachlaufend an der Tarifentwicklung.“
Die Kommission, die frei von politischer Einflussnahme entscheiden soll, legt die Höhe nun alle zwei Jahre neu fest. Die nächste Anhebung steht zum 1. Januar 2019 an. Der bundesweite Mindestlohn gilt für rund vier Millionen Beschäftigte des Niedriglohnsektors.
Außer dem Vorsitzenden gehören dem Gremium je drei Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeber sowie zwei beratende Wissenschaftler an.
Die Kommission orientierte sich im Kern am Tarifindex, der Steigerung des durchschnittlichen tariflichen Stundenlohns. In ihn fließen rund 500 Tarifverträge ein. Die Abschlüsse, die in den eineinhalb Jahren seit Anfang 2015 wirksam wurden, machen ein Plus von 3,2 Prozent aus, womit der Mindestlohn auf exakt 8,77 Euro gestiegen wäre. Das Gremium hatte aber eigenen Entscheidungsspielraum. Es berücksichtigte auch den jüngsten Abschluss für den öffentlichen Dienst, der noch nicht durch Auszahlung wirksam wurde.
Leser*innenkommentare
Andreas_2020
Prozentual sind das vier Prozent, aber der Mindestlohn ist viel zu niedrig. Eine Familie kann davon nicht leben und das bedeutet, dass der Mindestlohn staatlich subventioniertes Arbeiten beinhaltet. Allenfalls Singles in Supergünstiger Wohnung können davon leben. In Köln, München und Hamburg geht das schon so nicht mehr - die müssen dann Wohngeld beantragen. Der Mindestlohn ist ein Fehldschlag m.M.,weil er reklamiert, wieder Gerechtigkeit in den Niedriglohnsektor einzuführen, tatsächlich legitimiert er die dort herrschenden unglaublichen Zustände. Der Mindestlohn wäre wohl nur halbwegs realistisch bei über 10 EURO, eher über 11 EURO. Um dahin zu kommen müsste er um 17 Prozent oder 29 Prozent steigen. Und dann müssten noch ein paar Ausnahmen rauscgestrichen und die Kontrollen dramatisch erhöht werden. Alles andere ist dann eben so wie es ist: Es gibt den Mindestlohn und die dramatische Krise, die von der Wirschaft und vielen Parteien an die Wand geschmiert wurde, ist vollständig ausgeblieben, was aber auch daran liegt, dass der Mindestlohn vielerorts umgangen wird.
wxyz
"Ein Sesambrötchen mehr" ist falsch gerechnet, wenn das Netto nach Abzug der Grundbedarfskosten unter dem Strich nur Null Brötchen zuläßt. Mit extremer Sparsamkeit und sonstigen günstigen Umständen kann ein Allelinstehender vielleicht gerade noch so zurecht kommen, doch in den meisten Fällen bedeutet ein solcher Lohn weitere Abhängigkeit von Aufstockungen.
Die 34 Cent mehr sind in ihrer Bedeutung eigentlich nur eine Verhöhnung der schon Ausgebeuteten. Denn die stetig hier und da erfolgenden Kostensteigerungen fressen dieses Mehr gleich mehrfach wieder auf.
Rainer B.
Das sind immerhin 14 Sesambrötchen am Tag. Die muss man erstmal verdrücken.
Andreas_2020
@Rainer B. bei einem 8-Stunden-Tag oder beim Angebot der Discounterbrötchen?
Rainer B.
@Andreas_2020 Bei dem - nicht seltenen - 14-Stunden-Tag.
Reinhold Schramm
Reicht es für die Mieterhöhung und künftige Armutsrente?
Das DGB-Vorstands- und Kommissionsmitglied Stefan Körzell hält den Kompromiss mit der 'ARBEITGEBERseite' für vertretbar: "Es waren dicke Bretter zu bohren. Die erste Anhebung des Mindestlohns kommt zunächst einmal rund vier Millionen Geringverdinern zu Gute. Sie werden ab 1. Januar in einer Vollzeitstelle monatlich ca. 55 Euro mehr in der Tasche haben. {...}"
Vgl. DGB-Pressemitteilung 063 - 28.06.2016.
Rita Dütsch
Die EU mag keine geraden Zahlen.
Da könnte man ja auch Geradlinigkeit erwarten.
628 (Profil gelöscht)
Gast
Man hätte wenigstens runde 9€ draus machen können...
Dass der Beschluss auch von allen Gewerkschaftsvertretern mitgetragen wurde, macht mich überhaupt nicht glücklich.
Reinhold Schramm
Auch wenn es immer wieder erfolgreich öffentlich und medial geleugnet wurde: die rechts-sozialdemokratischen und liberal-christlichen Gewerkschaften sind die SozialarbeiterInnen und "Sozialpartner" fürs Kapital und Profitinteresse der Bourgeoisie und persönlich leistungslosen AktionärInnen! Sie halten die Lohn- und Gehaltsabhängigen unter sozialer, ideologischer und gesellschaftspolitischer Kontrolle für die Wahrung der (privaten) Kapital-, modifizierten Ausbeutungs- und Vermögensverhältnisse in der quandtschen, siemensschen und merkel-gauckschen BRD und EU.
R.S.: Gewerkschafter seit 47 Jahren.
explicit
@Reinhold Schramm Fürwahr, die Lohnsklaven von Siemens und BMW zählen wohl zu den geschundensten Menschen auf unserem Planeten.
Reinhold Schramm
Ohne die Lohnsklaven: Kinder, Frauen und Männer, in der weltweiten Produktions- und Rohstoffkette, auch für die Produkte bei Siemens und BMW, geht es nicht!
Natürlich gibt es unter den DAX-Stammbelegschaften auch Angehörige der materiell korrumpierten Arbeiter-, Facharbeiter-, Meister- und Angestellten-Aristokratie! - Die ihre Verantwortung und ihren vergangenen (historischen) Klassenauftrag für ihre ideologische und materielle Korruption -im Interesse der Eigentümer und Aktionäre- über Bord geworfen haben!
Aber an den materiellen Rohstoff-Quellen des (westlichen und östlichen) Reichtums arbeiten -weltweit- auch Lohnsklaven, -auch für Siemens und BMW-, die "zu den geschundensten Menschen auf unserem Planeten" gehören! =
So auch weiterhin viele Millionen moderne Arbeits-Sklaven im 21. Jahrhundert!