Mindestlohn in den USA: Alte Prioritäten
US-Präsident Joe Biden hat mit der Anhebung des Mindestlohns auf 15 Dollar Wahlkampf gemacht. Jetzt gibt er das Vorhaben kampflos auf.
Wie plausibel das klingt, haben im Präsidentschaftswahlkampf im vergangenen Jahr fast alle KandidatInnen der Demokratischen Partei erkannt. Unter den 21, die die 15 Dollar in ihr Programm aufgenommen haben, waren auch Joe Biden und Kamala Harris. Biden sprach sogar von einer Priorität. Sein Versprechen, den Mindestlohn bis zum Jahr 2025 in mehreren Stufen auf 15 Dollar anzuheben, hat ihm viele Stimmen eingebracht. Auch SkeptikerInnen, die schon lange nicht mehr daran glaubten, dass die Demokratische Partei für die Interessen der „Working Poor“ und anderer Armer eintritt, ließen sich überzeugen.
Kaum im Amt, hat Biden die 15 Dollar in sein erstes großes Gesetz hineingeschrieben, das Coronahilfspaket. Das mit 1,9 Billionen Dollar ausgestattete Gesetz enthält Hilfen für Arbeitslose (zusätzliche 400 Dollar pro Woche) und für Menschen mit niedrigem Einkommen (Einmal-Schecks in Höhe von 1.400 Dollar für alle, die unter 75.000 Dollar im Jahr verdienen), für Schulen und für Gesundheitseinrichtungen, für Bundesstaaten und für Kommunen.
Auch der Mindestlohn sollte als Teil dieses Hilfspakets angehoben werden, als langfristige Maßnahme für Menschen am unteren Ende der Lohnskala. Eine Maßnahme, die auch PackerInnen, LieferantInnen und Supermarktbeschäftigten zugute kommen sollte, die in den zurückliegenden Monaten der Pandemie als Helden gefeiert wurden, oftmals aber nur den Mindestlohn von 7,25 Dollar erhalten.
Ein populäres Vorhaben
Mindestlohnbeschäftigte in den USA sind seit Jahrzehnten immer tiefer in die Armut abgesunken, sie sind auf Lebensmittelmarken und andere staatliche Hilfen angewiesen. Heute müssen sie doppelt so lang arbeiten wie noch im Jahr 1968, um eine durchschnittliche Miete bezahlen zu können. Selbst wenn sie Vollzeit und in mehr als einem Job arbeiten, reicht das, was sie verdienen, nicht zum Leben aus.
Deshalb ist der 15-Dollar-Mindestlohn populär – auch über Parteigrenzen hinaus. So stimmten WählerInnen in Florida im November für einen republikanischen Präsidenten und gleichzeitig für einen bundesweiten 15-Dollar-Mindestlohn. Aber im US-Kongress hatte das Projekt nicht die geringste Chance gegen eine lautstarke Koalition aus LobbyistInnen, RepublikanerInnen und einigen DemokratInnen.
Sie brachten die üblichen, nicht bewiesenen Argumente vor: Ein höherer Mindestlohn würde zu höherer Arbeitslosigkeit führen und Unternehmen in die Pleite treiben. Als dann auch noch die parlamentarische Beraterin des Senats, Elizabeth MacDonough, befand, der Mindestlohn gehöre nicht in das Coronahilfspaket, wurde das Vorhaben herausgestrichen.
Die RepublikanerInnen versuchen nun, das Hilfspaket auch in weiteren Punkten auszuhöhlen, sie werden voraussichtlich auch geschlossen dagegen stimmen. Die DemokratInnen halten die Mehrheiten in beiden Kammern und bleiben zuversichtlich, dass ihr Präsident das Paket bis Mitte des Monats unterschreiben kann.
So werden bald höchstwahrscheinlich Millionen von US-AmerikanerInnen finanzielle Hilfen erhalten. Aber die Bitterkeit über den nicht angehobenen Mindestlohn wird bleiben. Denn das Vorhaben ist nicht an den RepublikanerInnen gescheitert, deren Position ohnehin klar war. Es lag auch nicht an MacDonough, der für die Verfahrensregeln im Senat zuständigen Beamtin. Deren Empfehlung hätte vom Senat überstimmt werden können.
Das Problem ist, dass Biden nicht gekämpft hat. Er hat nicht einmal versucht, die GegnerInnen in seiner eigenen Partei umzustimmen. Deshalb sind nun Bernie Sanders und andere Linke im Kongress wieder allein mit dem Thema Mindestlohn. Bei den nächsten Zwischenwahlen 2022 droht den DemokratInnen die Quittung dafür.
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