Minderheitenwitze im TV: Deutscher Humor
Das Unterhaltungsfernsehen macht gern Witze auf Kosten von Minderheiten. Denn Deutsche können nicht über sich selbst lachen.
E in Witz über Deutsche könnte so lauten: Fragt ein Deutscher andere Deutsche: „Habt ihr schon einmal einen Rassisten gesehen?“ – „Nein.“ „Ich auch nicht.“ Im Land der Nazis und Henker tun aus Prinzip viele so, als wäre Rassismus schwer zu verstehen.
Auch Promis sind nie wirklich rassistisch, sie reden ja nur über ihre Empfindungen. Warum haben Leute überhaupt Empfindungen wegen des Namens einer Soße? Ach so, weil es gar nicht um die Soße geht, sondern darum, wer bestimmen darf, wie sie heißt. Vor allem, wenn diese Soße zufällig nach einer Minderheit benannt wurde. Zugegeben, das verspeisen von Minderheiten hat in der deutschen Sprache eine gewisse Tradition, aber wie kann man ernsthaft an Namen hängen, die Nazis für ihre Morde missbrauchten?
Es ist immer dasselbe: Am Montag noch wird feierlich der Holocaust-Gedenktag begangen. Zwei Tage später folgt die nächste ignorante Diskussion. Ich halte das inzwischen für Rache: Auf das demütige Gedenken muss was folgen. Leider wird bei dem, was folgt, die Dummheit meist noch transparenter als der Rassismus.
Wie ein fettes Walross hat die Dummheit Platz genommen in den öffentlich-rechtlichen Sofas. Selbst der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma schreibt über die misslungene WDR-Sendung „Die letzte Instanz“: „Diese Sendung erweckt den Eindruck, sie wolle mit Antiziganismus und dümmlichen Auftritten Quote machen.“ Stell dir vor, deine Menschenwürde wird verletzt, aber du stehst als Betroffener gleichsam fassungslos vor der Dummheit, die schamlos zur Schau getragen wird.
Warum geht das deutsche Unterhaltungsfernsehen so oft davon aus, von allen deutschen Tugenden wäre ausgerechnet die Dummheit bei den Zuschauenden beliebt? Ich würde allen Teilnehmenden dieser Sendung unterstellen, gewusst zu haben, dass sie rassistischen Müll von sich geben. Aber mit solchen dümmlichen Fragen macht man hierzulande eben „dumme deutsche Unterhaltung“. Ein eigenes Genre hierzulande. Schon Harald Schmidt wusste das. Aber er hat die flachen Witze gegen Minderheiten so schelmisch vorgetragen, dass da noch die Möglichkeit des Spiels mit dem Ressentiment aufblitzte.
Wir bestimmen, wer hier Witze macht
Warum muss der deutsche Humor heute ständig Witze über Minderheiten machen? Ach ja, weil Deutsche über sich selbst nicht lachen können. Schon gar nicht seit Loriot tot ist. Was offenbart uns die Art, wie in den deutschen Medien Witze über Minderheiten gemacht werden? Für weite Teile der Medien gehören Minderheiten noch nicht dazu. Nicht zum Club der Etablierten. Also macht man seine dummen Witze über jene, die noch nicht in den Chefetagen angekommen sind. Das Ganze ist wie Altkanzler Kohls Lieblingssatz als Comedy getarnt: „Deutschland ist kein Einwanderungsland.“ Will sagen: Wir bestimmen, was hier Gesetz ist. Oder eben Witz.
Inzwischen rufen Nachfahren von Einwanderern „Mit uns nicht!“ Schon beschimpfen sie einige als Sprachpolizei. Doch es geht nicht um Sprache, sondern um den alten Machtanspruch der Mehrheitsgesellschaft: „Wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir über Minderheiten sprechen.“ Eine äußerst demokratische Haltung, ja. In einer Demokratie lässt man sich aber auch nicht vorschreiben, wem man wann widerspricht und wie heftig.
Einmal Deutschenbraten mit Soße!
Die Nachfahren der einstigen Minderheiten wehren sich dagegen, ständig über rassistische Klischees repräsentiert zu werden. Der Versuch, kritische Minderheiten mit Vorwürfen des Totalitären beizukommen, ist selbst totalitär. Man will beleidigen dürfen, wen und wie man will. In einem öffentlich-rechtlichen Sender, der den Auftrag hat, Diversität angemessen zu repräsentieren, geht das aber nicht.
In Deutschland gilt „Oma ist ’ne echte Umweltsau“ aus Kindermund schon als ehrverletzend, aber Deutsche, deren Vorfahren eingewandert sind, sollen sich die Verächtlichmachung ihrer Herkunft gefallen lassen. Wie lange soll sie sich sich Worte anhören, die missbraucht wurden, um ihre Eltern oder Großeltern zu versklaven oder zu vernichten?
Aber das N*Wort oder das Z*Wort, das hätte doch Geschichte, wir seien das gewohnt, sagen manche. Schämt euch, dass ihr diese Worte noch gewohnt seid. Ihr könntet wissen, dass einer wie Gianni Jovanovic, Sohn einer Roma-Familie, ebenfalls im WDR davon erzählte, wie das Z*Wort seiner Familie von 1939–45 eintätowiert wurde und sie vergast wurde. Warum ist das Z*Wort überhaupt noch in Gebrauch, als wäre das alles nie geschehen? Ach ja, weil Deutschlands Entnazifizierung ja vorneherum ein mühevoller Prozess war, in weiten Teilen aber ein Trauerspiel, bei dem wichtige Rollen des öffentlichen Lebens mit Ex-Nazis als Bürgerlichen besetzt wurden.
Warum ich mich nicht mehr empöre
Es gibt nur einen Grund, warum ich mich nicht empöre oder einklinken will: Ich werde Rassisten erniedrigende Erlebnisse nicht als Dessert zu ihren Rassismus-Verharmlosungen servieren. Ich bewundere alle Betroffenen, die es schaffen, von ihren Schmerzen, Wunden und Tragödien zu erzählen, weil sie einen Beitrag zur Demokratie leisten wollen, weil sie an Empathie glauben und gegen das Vergessen ankämpfen.
Ich habe aber derzeit ein Problem mit dieser Rolle, weil das Reden über Rassismus in Deutschland zu einem Schauspiel verkommen ist, das nach kalkulierbaren Gesetzmäßigkeiten verläuft: Ja, das Empören schafft zwar Öffentlichkeit, doch diese Öffentlichkeit besetzen immer mehr Rechtsdeutsche, um Opfer zu Tätern zu machen.
Während Betroffene unermüdlich das Einfachste erklären, das auch der Dümmste verstehen kann, rückt die Gesellschaft, in der alle endlich gleich sein könnten, ein Stück ferner in die Zukunft. Im Kampf gegen Klischees etablieren sich so Klischees. Man hält Minderheiten in der Rolle gefangen, Rassismus zu erklären. Man verzichtet auf ihre Talente. Ach, schmort doch in eurer Paprikasoße und serviert eure hasserfüllen Ergebnisse dann als Deutschenbraten. Ich habe Besseres zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance