Militanz als Genderfrage: Die Waffen der Frauen
Zum G20-Gipfel kommen die großen Macker der Weltpolitik nach Hamburg. Ein Problem mit männlicher Dominanz hat aber auch die linke Protestkultur.
Und doch sind die Bilder von Tausenden Vermummten auf der Straße, von brennenden Mülltonnen, Wasserwerfern und entglasten Schaufensterscheiben auch geprägt von männlicher Mackerei.
Doch was ist daran so besonders?
Das Dominanzgehabe von Männern ist kein spezifisches Problem der linken oder linksradikalen Szene, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Mackeriges Verhalten von Männern am Arbeitsplatz, im Supermarkt, im Schwimmbad oder im Fernsehen sind Ausdruck der patriarchalen Gesellschaft.
Was die Linke bezüglich männlicher Mackerei auszeichnet, ist, dass sie das Problem überhaupt erkennt, sich Strukturfragen stellt und bemüht ist, auch eingefleischte Gepflogenheiten zu hinterfragen.
Frauen machen Kampfsport und übernehmen Türschichten in linken Läden. Sie sorgen für die Technik bei Veranstaltungen und Demos, sind DJs, Rapperinnen und Handwerkerinnen. Unerwünschten Komplimenten begegnen sie mit Verachtung, wer ungefragt ihr Aussehen kommentiert, kann sich auf was gefasst machen.
Männer geben sich Mühe, Schritt zu halten, indem sie zum Beispiel nichts sagen, wenn sie daneben stehen, während eine Freundin dumm angemacht wird, weil die Frau sich am besten selbst verteidigen kann. Es gibt feministische Antifa-Gruppen und feministische Antifa-Kongresse. Es gibt Awareness-Teams, die eine aktive Haltung gegen diskriminierendes Verhalten auf Partys einfordern und durchsetzen.
Der Revolutionär ist weiß
Manchmal gelingt es auf diese Art, die männliche Dominanz zu durchbrechen, manchmal auch nicht. Häufig muss erst Kritik von feministischer Seite kommen, damit Verantwortliche ihre Handlungen oder Worte noch mal überdenken. Wenn es gut läuft, sind sie bereit, die Kritik anzunehmen, wie kürzlich eine anarchistische Gruppe, die mit einem Plakat zu Chaostagen vor dem Gipfel in Hamburg aufrufen wollte.
Darauf ist ein gezeichneter, halbnackter Mann zu sehen. Sein entblößter Oberkörper ist lediglich von zwei Tattoos auf der Brust bedeckt: links ein Anarchiezeichen, rechts ein Stern. Sein Gesicht vermummt eine Hasskappe, nur die Augen sind frei. Seine Körperhaltung signalisiert Bereitschaft zum Straßenkampf. Von feministischer Seite kam harsche Kritik. Ein weißer Mann, noch dazu mit freiem Oberkörper, soll mal wieder die Revolution übernehmen? Eine Fantasie direkt aus dem männlichen Kleinhirn.
Auch die Diskussion um entblößte Männeroberkörper ist nicht neu, sorgt aber doch immer wieder für Kontroversen. Während Männer sich in vielen Lebenslagen völlig unbeschwert das Shirt ausziehen können, ist Frauen dies selten möglich. Sie überschreiten nicht nur eine rechtliche Grenze, wenn sie ihre Brustwarzen entblößen, sondern vor allem ein gesellschaftliches Tabu. Geschockte oder maßregelnde Blicke, Kommentare, Grapschen oder andere Handgreiflichkeiten können schnell folgen.
Tyrannei der Strukturlosigkeit?
Die anarchistische Gruppe entschuldigte sich für das Plakat mit dem halbnackten Typen. „Die Reproduktion männlicher, weißer Dominanz ist, kann und darf nicht Ausdruck unseres Denkens, Fühlens und Handelns sein. Dementsprechend war es ein Fehler, diese abzubilden“, schrieb sie auf dem linken Internetportal Indymedia. Sie versprach öffentlich, die Plakate aus dem Verkehr zu ziehen und zu vernichten, und kündigte an, in der Gruppe zu reflektieren, wie es zu dem Fauxpas kommen konnte.
Kommt hingegen derlei selbstkritische Reflexion zu kurz, laufen auch politische Bewegungen Gefahr, in eine „Tyrannei der Strukturlosigkeit“ zu münden, in denen sich informelle, schwer kontrollierbare Hierarchien durchsetzen. So hat es einmal die US-amerikanische Feministin Jo Freeman formuliert.
Denn eine der wichtigsten Lektionen des Feminismus ist es, in Bezug auf soziale Praktiken nicht naiv zu sein. Denn jede Interaktion erfordert eine Struktur und die Idee eines laissez faire „wird zu einem Nebelschleier, hinter dem die Starken oder Glücklichen unbefragt ihre Vorherrschaft über andere etablieren“, wie Freeman schrieb. Damit sich die Schwachen nicht von den Starken unterbuttern lassen müssen, braucht es ein wirkliches Umdenken.
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